
Mitteldeutsche Wirtschaft auf Erholungskurs: Positive Signale deuten auf moderates Wachstum hin
Aktueller Konjunktur- und Strukturbericht der Wirtschaftskammern
1. Juni 2010 | Nach dem schwierigen Jahr 2009, das auch in den Unternehmen Mitteldeutschlands deutliche Spuren hinterlassen hat, bewegt sich die Wirtschaft der Region langsam aus dem konjunkturellen Tal heraus. Positive Signale wie die weiterhin intakte Wirtschaftsstruktur, die ausgebliebene Entlassungswelle, steigende Auslandsaufträge und die langsam wieder zunehmende Investitionsbereitschaft unterstreichen den Aufwärtstrend. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr wird 2010 jedoch nur zum Teil wettgemacht werden können.
Bericht "Wirtschaft in Mitteldeutschland 2010"
Zu diesen Ergebnissen kommen die Industrie- und Handelskammern (IHKs) und Handwerkskammern Halle (Saale) und zu Leipzig in ihrem Bericht "Wirtschaft in Mitteldeutschland 2010".
"Die statistischen Daten zu Wertschöpfung und Umsatz weisen 2009 zweifelsfrei als Krisenjahr aus", erklärt Dr. Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig. Im Jahr 2009 ging die gesamtwirtschaftliche Leistung preisbereinigt in Sachsen um 3,8 und in Sachsen-Anhalt um 4,7 Prozent zurück. Diese Werte liegen unter dem gesamtdeutschen Rückgang von 5,0 Prozent, jedoch über dem Durchschnitt der neuen Bundesländer von -3,5 Prozent. "Die mitteldeutsche Wirtschaft ist vergleichsweise glimpflich durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen. Die Unternehmen haben den Konjunktureinbruch gut verkraftet und nichts von ihrer grundsätzlichen Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt", so Hofmann.
Lagebeurteilungen als auch die Geschäftserwartungen gegenüber dem Frühjahr 2009
Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Konjunkturumfrage, die die mitteldeutschen Kammern im Frühjahr 2010 durchführten. Daran beteiligten sich 1.953 Unternehmen der Kammerbezirke Dessau, Halle und Leipzig aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel, Verkehr, Dienstleistungen und Handwerk. Demnach haben sich sowohl die Lagebeurteilungen als auch die Geschäftserwartungen gegenüber dem Frühjahr 2009 verbessert. Entsprechend ist der Konjunkturklima-Index für Mitteldeutschland seitdem um fast 35 Punkte gestiegen und liegt mit +23 Punkten wieder deutlich im positiven Bereich.
"Die Entwicklung der Geschäftslage verlief jedoch sehr branchendifferenziert", erläutert Hofmann. "Während sich die geschäftliche Situation in der Industrie und im Verkehrsgewerbe gegenüber dem Vorjahr deutlich verbesserte, fallen die Beurteilungen im Baugewerbe und vor allem im Handel etwas gedämpfter aus."
Geschäftserwartungen im mitteldeutschen Handwerk am optimistischsten
Was die Geschäftserwartungen betrifft, so hält sich der Anteil der Unternehmen mit positiven beziehungsweise negativen Geschäftserwartungen mit jeweils 22 Prozent die Waage. "Am optimistischsten ist hier - neben der Industrie - das mitteldeutsche Handwerk", ergänzt Dr. Jürgen Rogahn, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle (Saale). "Die positive Stimmung dürfte in diesem Jahr von Maßnahmen zur energetischen Sanierung und von Aufträgen aus dem Konjunkturpakets II gestützt werden."
Die insgesamt noch verhaltenen Investitionsabsichten der mitteldeutschen Wirtschaft deuten auf ein nur moderates Wirtschaftswachstum hin. "Unternehmen investieren, wenn sie Handlungsspielraum haben und durch wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen ermutigt werden. Eine unberechenbare Wirtschaftspolitik schafft dies nicht. Deshalb lautet die Kernforderung an die Politik: Macht eine stetige Wirtschaftspolitik!", forderte Rogahn im Namen der mitteldeutschen Wirtschaft. Ganz oben auf der Agenda jeder verantwortungsvollen Politik müsse jetzt die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte stehen. Dazu müssten die Tätigkeitsfelder des Staates geprüft und zur Disposition gestellt werden. Keinesfalls dürfe es eine Abkehr von der Stabilität der Beitragssätze in den sozialen Sicherungssystemen geben. Eine Einkommensteuerreform mit Abflachung des "Mittelstandsbauches" und eine Abmilderung der kalten Progression setze Leistungsanreize und müsse Ziel bleiben.
Pressemitteilung vom 1. Juni 2010
Weitere Wirtschaftspolitische Empfehlungen
- Stabile Finanzierungsquellen für Kommunen erschließen
Die Wirtschaft ist in hohem Maße auf handlungs- und vor allem investitionsfähige Kommunen angewiesen. Kommunen brauchen wiederum auskömmliche und stabile Einnahmequellen. Die Gewerbesteuer ist diesbezüglich keine gute Lösung: Im Aufschwung werden die kommunalen Kassen gut gefüllt, im Abschwung versiegt die Quelle abrupt. Diesem Problem mit der Hinzurechnung von Kostenanteilen zur Bemessungsgrundlage entgegenzuwirken, ist aus Sicht der Unternehmen besonders verwerflich, da die Betriebe unter Umständen selbst dann zahlen müssen, wenn sie keinen Gewinn machen. Die Kommunen brauchen deshalb dringend eine stabilere Finanzquelle. Vorschläge dafür liegen seit Jahren auf dem Tisch, zum Beispiel eine Hebesatzautonomie für Teile der Einkommensteuer. - Flexibilisierungen des Arbeitsmarktes erhalten
Die Arbeitslosigkeit in Mitteldeutschland ist seit einiger Zeit rückläufig. Arbeitsmarktreformen, knapper werdendes Arbeitskräftepotenzial sowie Kurzarbeit haben dazu beigetragen. Die erreichten Flexibilisierungen gilt es zu erhalten. Dem widersprechen der verlängerte Bezug von Kurzarbeitergeld und Arbeitslosenunterstützung. Auch die Bestrebungen zur Ausweitung öffentlicher, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wie zum Beispiel Bürgerarbeit behindern die Integrationsbemühungen in den ersten Arbeitsmarkt und bergen die latente Gefahr der Verdrängung von Aufträgen für die Privatwirtschaft. Angesichts des künftig zunehmenden Fachkräftemangels ist der Schwerpunkt arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen vielmehr auf die bedarfsgerechte Qualifizierung von Arbeitslosen zu legen.
Die Ergebnisse des Konjunkturberichtes nach Branchen
- Industrie kehrt auf Wachstumspfad zurück
Die Industrie traf die Krise der Weltwirtschaft am heftigsten. Seit der Jahresmitte 2009 begann sich die Situation kontinuierlich zu bessern. Vor allem die Auslandsnachfrage kam wieder in Schwung. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebeurteilungen verbesserte sich von -18 Punkten vor einem Jahr auf aktuell zehn Punkte. Auch die Erwartungen der Unternehmen für 2010 sind wieder deutlich optimistischer als im Vorjahr. Die Industrieunternehmen beurteilen ihre Geschäftsaussichten von allen befragten Wirtschaftsbereichen am besten. - Baugewerbe setzt auf Frühjahrsbelebung
Das Baugewerbe hatte besonders unter dem lang anhaltenden Winter zu leiden. Erst seit Mitte März konnte die Bautätigkeit wieder umfassend aufgenommen werden. Entsprechend schwach fällt die aktuelle Lagebeurteilung der Unternehmen aus. Im Gegensatz dazu stellen sich die Geschäftserwartungen der Branche für 2010 bedeutend günstiger als im Vorjahr dar. Neben witterungsbedingten Nachholeffekten rechnen die Unternehmen wieder mit einer allmählichen Zunahme gewerblicher Bauinvestitionen. Auch wirken sich die staatlichen Konjunkturprogramme günstig auf die Auftragsentwicklung verschiedener Bausparten aus. - Dienstleistungsgewerbe relativ unaufgeregt
Auch das Dienstleistungsgewerbe hatte im vergangenen Jahr Auftrags- und Umsatzrückgänge zu verkraften. Mit der einsetzenden Konjunkturerholung verbesserte sich die geschäftliche Situation vieler Dienstleister wieder - jedoch nur vergleichsweise verhalten: Der Saldo aus guten und schlechten Lageeinschätzungen stieg gegenüber dem Vorjahresstand von drei auf acht Punkte. Die Geschäftserwartungen der Branche für 2010 sind zwar noch nicht ganz ausgeglichen, jedoch wurde gegenüber dem Vorjahr Boden gutgemacht. So stieg der Saldo von -24 auf -4 Punkte. Die Aussichten lassen im Trend somit eine weitere Besserung erwarten. - Handwerk weitgehend robust
Nach der konjunkturellen Schwächephase zum Jahreswechsel 2008/2009 hat sich das Geschäftsklima trotz negativer saisonaler Einflüsse wieder im positiven Bereich stabilisiert. Im Gegensatz zum Vorjahresquartal zeigt sich deutlich eine Schwäche des privaten Konsums, die auf die Gewerbe für den privaten Bedarf zurückwirkt. Stabil war - trotz hartem Winter - die Lage in den Bauhaupt- und Ausbauhandwerken sowie den Handwerken für gewerblichen Bedarf. Im Kfz-Handwerk deutet sich eine leichte Erholung an. Die Auftragsreichweiten übertrafen im ersten Quartal 2010 wieder das Vorjahresniveau. Gründe für diese Entwicklung sind der Auftragsstau im Baubereich aufgrund der anhaltenden kalten Witterung sowie Zusatzaufträge aus dem Konjunkturpaket II. Für die kommenden Monate wird ein leichter Aufschwung ohne große Dynamik erwartet. - Skepsis im Handel bleibt
Weniger erfreulich ist die Entwicklung im Handel. Der aktuelle Saldo der Geschäftslage liegt mit -16 Punkten um zwei Punkte unter dem Vorjahreswert. Damit gibt der Handel derzeit die schlechteste Lagebeurteilung aller Wirtschaftsbereiche ab. Auch die Aussichten lassen keine Besserung der aktuellen Situation erwarten. Zwar hat sich der Saldo der Geschäftserwartungen gegenüber dem Vorjahr von -31 auf derzeit -14 Punkte verbessert, im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsbereichen ist jedoch auch dieser Wert sehr niedrig. Während der Großhandel infolge des Aufschwungs im Industriebereich noch vergleichsweise zuversichtlich ist, erwartet der Einzelhandel keine Wachstumsimpulse. Vor allem im Kfz-Handel ist nach dem Wegfall der "Abwrackprämie" mit hohen Abschlägen zu rechnen. - Verkehrsgewerbe: Schwierig trotz leichter Erholung
Seit Mitte vergangenen Jahres spürt auch das Verkehrsgewerbe eine leichte Erholung. Die Stimmung hat sich deutlich erholt. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebeurteilungen stieg von -41 Punkte auf nunmehr -10 Punkte. Die Geschäftsaussichten der Branche haben sich ebenfalls verbessert. So erhöhte sich der Saldo der Geschäftserwartungen deutlich von -53 auf -10 Punkte. Dennoch bleibt die Situation der Branche insgesamt schwierig. Zwar steigen mit der konjunkturellen Erholung auch die Auftragseingänge, gleichzeitig drückt das wieder vergleichsweise hohe Niveau der Kraftstoffpreise auf die Ertragslage.