Symbolbild "Rohstoffe" / Materiallager mit Metallstangen. Bild: TURAN SEZER / stock.adobe.com
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Archivbeitrag | Newsletter 2022Steigerungen von Material-, Rohstoff- und Energiekosten: Handlungsmöglichkeiten für Handwerksbetriebe

Immer mehr Handwerksbetriebe sind von Steigerungen von Material-, Rohstoff- und Energiekosten betroffen. Gerade im Baubereich haben die Preise für unverzichtbare Baustoffe wie Stahl, Aluminium und Kupfer Rekordwerte erreicht. Eine seriöse Kalkulation von Aufträgen ist schwierig bis nahezu unmöglich. Die Bundesregierung hat temporär Stoffpreisgleitklauseln erlaubt, die Preissprünge während eines Projekts auffangen sollen. Das sächsische Handwerk hat bereits eine analoge Regelung von der sächsischen Landesregierung für die Landes- und die Kommunalebene im Freistaat angemahnt. Sachsen solle bei der öffentlichen Auftragsvergabe Preisgleitklauseln für ausgewählte Produktgruppen zulassen.
 

Außerdem hat der Zentralverband Deutschen Handwerks rechtliche Aspekte und Handlungsmöglichkeiten für Handwerksbetriebe bei Kostensteigerungen zusammengestellt:

Sowohl außergewöhnliche Ereignisse, wie etwa die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg, als auch übliche marktwirtschaftliche Schwankungen können zu steigenden Material-, Rohstoff- und Energiekosten für Handwerksbetriebe führen. Verändern sich nach Vertragsschluss die Einkaufspreise, trägt grundsätzlich der Handwerksbetrieb das Kalkulationsrisiko. In besonderen Fällen kann es jedoch rechtliche Ausnahmen von diesem Grundsatz der Risikoverteilung geben.

Preisanpassungsklauseln

Preisanpassungsklauseln in Privatkundenverträgen mit längerer Laufzeit stellen in der Regel keine geeignete Lösung dar, denn es spricht einiges dafür, dass solche Klauseln in handwerksrelevanten Fallgestaltungen weder AGB-rechtlich noch nach den Vorgaben des Preisklauselgesetzes zulässig sind. Einer gerichtlichen Überprüfung würden derartige Klauseln daher in den meisten Fallkonstellationen nicht standhalten.

Bei Bauvorhaben des Bundes regelt ein bis 30. Juni 2022 befristeter Erlass des Bundesbauministeriums die Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in neuen und laufenden Vergabeverfahren sowie in bestehenden Verträgen. Bei allen anderen öffentlichen Aufträgen sollten Betriebe prüfen, ob Stoffpreisgleitklauseln im Vertrag vereinbart sind. Vor Abgabe eines Angebots im Vergabeverfahren sollte beim öffentlichen Auftraggeber diesbezüglich nachgefragt werden.

Störung der Geschäftsgrundlage

Bei laufenden Verträgen mit längerer Laufzeit begründen die aktuell zu verzeichnenden Steigerungen von Material- und Energiekosten trotz der zum Teil erheblichen Steigerung in der Regel kein Recht auf Anpassung oder Aufhebung des Vertragsverhältnisses (Störung der Geschäftsgrundlage). So müssen die Kostensteigerungen das gesamte Vertragsvolumen derart beeinflussen, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Das wird in der Regel nicht der Fall sein, da im Handwerk die Materialkosten im Verhältnis zu den Arbeits- und Lohnkosten häufig den geringeren Kostenanteil darstellen. Dies gilt auch hinsichtlich der steigenden Energiepreise. Entscheidend sind jedoch die Umstände des Einzelfalls.

Beispiel: Ein Handwerksunternehmen wird mit der Errichtung eines Hausdaches beauftragt. Nach Vertragsschluss erhöhen sich die Einkaufspreise für die benötigten Dachlatten um 100 Prozent. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Dacherstellung (u.a. Kosten für weitere benötigte Materialen, Lohnkosten) stellen die Kosten für die Dachlatten auch nach der Preiserhöhung einen eher geringen Posten dar, so dass es in diesem Fall bei den ursprünglich vereinbarten Vertragskonditionen zwischen dem Handwerksbetrieb und seinem Auftraggeber bleibt.

Eine starre rechnerische Grenze, ab wann die Kostensteigerung einzelner Materialien das gesamte Vertragsvolumen derart beeinflusst, dass eine Vertragsanpassung in Betracht kommt, existiert nicht.
 

Praxistipps

  • Verändern sich die Einkaufspreise erheblich, sollte bei laufenden Vertragsverhältnissen der Vertragspartner darüber informiert werden. Im Wege einer offenen Kommunikation mit dem Geschäftspartner sollte versucht werden, vertragliche Nachverhandlungen zu führen und gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags zu vereinbaren.
     
  • Beim Abschluss neuer, langfristiger Verträge sollten etwaige Preissteigerungen in der Kalkulation des Materialkostenfestpreises berücksichtigt werden.
     
  • Auch steigende Energiekosten können bei der Angebotskalkulation berücksichtig werden. Vertraglich könnte z. B. eine Energiepauschale vereinbart werden. Wichtig ist auch dabei die offene Kommunikation gegenüber den Kunden.
     
  • In der Angebotsphase können zeitlich befristete Angebote sinnvoll sein. Nach Ablauf der gesetzten Frist erlischt das Angebot. Will der Kunde nach diesem Zeitpunkt das Angebot annehmen, ist der Betrieb an sein ursprüngliches Angebot rechtlich nicht mehr gebunden.
     
  • Auch als unverbindlich bzw. freibleibend gekennzeichnete Angebote können die Flexibilität bei der Preisgestaltung erhöhen. In diesem Fall kommt der Vertrag nicht bereits zustande, sobald der Kunde darauf eingeht, sondern nur, wenn der Betrieb den Vertragsschluss daraufhin bestätigt. Beachtet werden muss, dass der Betrieb bei freibleibenden Angeboten eine Reaktionspflicht hat. Möchte der Betrieb bei einer Antwort auf ein freibleibendes Angebot die ursprünglichen Konditionen verändern, muss er das kundenseitige Angebot unverzüglich ablehnen. Reagiert der Betrieb nicht, gilt der Vertrag als geschlossen.
     
  • Bei Geschäften des täglichen Lebens kann eine Preisanpassung der angebotenen Produkte, verbunden mit einem Hinweis für den Grund der Preisanpassung in Betracht kommen.

 
Praxis Recht des ZDH, Stand: April 2022