Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Bild: www.amh-online.de
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Sachverständige für "Rückvermeisterung"

Archivbeitrag | Newsletter 2019

Die Abschaffung der Meisterpflicht in 53 Gewerken im Jahr 2004 hat sich nach Auffassung verschiedener Akteure – darunter der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), der Zentralverband Deutsches Baugewerbe, die IG BAU und die Handwerkskammer zu Leipzig – als Fehler erwiesen. Vor allem die Interessenvertreter des Handwerks gehen davon aus, dass eine "Rückvermeisterung"mehr Verbraucherschutz und ein Zurückdrängen schwarzer Schafe mit sich bringen würde.

Aktuell befasst sich der Bundestag mit der Frage, wie die Meisterpflicht wieder auf mehr Handwerksberufe ausgedehnt werden kann.  Zu einer diesbezüglichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie Ende Juni 2019 waren sich die geladenen neun Sachverständigen weitgehend einig, dass die Zahl der Handwerke, für die ein Meisterbrief verpflichtend ist, zu erhöhen wäre. Die Experten beleuchteten das Thema nüchtern unter verschiedenen Gesichtspunkten und skizzierten auch, dass es keine Pauschallösung geben kann und verschiedene juristische Herausforderungen zu berücksichtigen sind.

Nach der Anhörung muss nun ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden, der eine zügige Neuregelung der Meisterpflicht ermöglicht.
 

Aufzeichnung der Sachverständigenanhörung

Der Aufzeichnung der Sitzung vom 26. Juni 2019 unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) hat der Bundestag zum Verfügung gestellt.

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Hintergrund

 
Grund für die Anhörung waren Anträge der Oppositionsparteien im Bundestag, die Wiedereinführung der Meisterpflicht in deregulierten Berufen zu prüfen. 
Die Anträge der Parteien stehen im Wortlaut auf www.bundestag.de zum Abruf bereit.

  • Meisterpflicht wiedereinführen - Handwerk stärken - 19/4633 | Antrag vom 28. September 2018 | AfD-Fraktion
     
  • Ausbildung und berufliche Aufstiegsfortbildung in Deutschland und Europa stärken - 19/6415 | Antrag vom 12. Dezember 2018 | FDP-Fraktion
     
  • Attraktives Handwerk - Meisterpflicht ausweiten, Tarifbindung erhöhen, Aus- und Weiterbildung fördern - 19/10154 | Antrag vom 15. Mai 2019 | Linksfraktion
     
  • Starkes Handwerk braucht gute Fachkräfte - 19/10628 |Antrag vom 5. Juni 2019 | Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 
Meisterpflicht nicht für alle Gewerke

Prof. Dr. Martin Burgi (Ludwig-Maximilians-Universität München) hob hervor, dass es nicht um Pauschallösungen gehe, sondern um das jeweils betroffene einzelne Handwerk. Aus europarechtlicher Sicht könne nicht für alle Gewerke wieder die Meisterpflicht vorgegeben werden. Sobald der Gesetzgeber vom Meisterbrieferfordernis überzeugt sei, könnten nach Burgis Ansicht die notwendigen Änderungen in der Handwerksordnung mit vergleichsweise geringem legislatorischem Aufwand in Gang gesetzt werden.
 

Handwerksnovelle von 2004 mit negativen Effekten für die Ausbildung

Prof. Dr. Kilian Bizer (Georg-August-Universität Göttingen) beschrieb als mögliche positive Seiten der Reform von 2004 einen stärkeren Wettbewerb für Verbraucher und eine Erleichterung der Gründungstätigkeit. Negativ sei die Wirkung auf Ausbildung und durchschnittliche Qualifikation der Betriebsinhaber gewesen. Die Wiedereinführung der Meisterpflicht sei eine Maßnahme zur Steigerung der Qualifikationstätigkeit im Handwerk und daher zu befürworten.
 

Modernisierung der Handwerksordnung

Holger Schwannecke (Zentralverband des Deutschen Handwerks) befand, dass eine Modernisierung der Handwerksordnung durch die Wiedereinführung der Meisterpflicht weder aus verfassungs- noch aus europarechtlicher Sicht problematisch sei. Seit der Reform hätten sich die Wirtschaft insgesamt und auch das Handwerk nachhaltig verändert. So sei die Arbeitslosenquote von 10,5 (2003) auf 4,7 Prozent (2018) gesunken. Er sei dankbar für die Initiative der Bundesregierung, jetzt gegenzusteuern.

 
Meisterbetriebe sind bestandsfester

Prof. Dr. Justus Haucap (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) verwies darauf, dass die Bestandfestigkeit von Betrieben mit auch nach 2004 weiter bestehender Meisterbriefpflicht höher sei als in den Handwerken ohne diese Pflicht. In diesen Fällen könnten erst später festgestellte Mängel nicht mehr als Garantieleistung behoben werden. Überdies gingen damit Risiken für Auszubildende einher, die eine mehrjährige Ausbildung anstreben.
 

Deregulierung der Handwerksberufe Grund für heutigen Fachkräftemangel

Helmut Dittke (IG Metall) meinte, die Deregulierung der Handwerksberufe 2004 habe zu massiven Marktverwerfungen geführt und sei ein Grund für den heutigen Fachkräftemangel. Es gelte, jetzt umfassende Lösungsansätze zu erarbeiten, die das Handwerk wieder zukunftsfest machten. Dazu würden mitgliederstarke Gewerkschaften, Innungen und Verbände im Handwerk gebraucht. Der Wettbewerb müsse in Zukunft wieder über die Qualität und nicht über den niedrigsten Preis ausgetragen werden. Die Situation vieler prekärer Solo-Selbstständiger müsse betrachtet werden.
 

Wiedereinführung der Meisterpflicht unter Beachtung eines Bestandsschutzes

Olaf Behrends (Handwerkskammer Dresden) machte klar, das Handwerk fordere unter Beachtung eines Bestandsschutzes die Wiedereinführung der Meisterpflicht bei den zulassungsfreien Handwerksberufen. Dabei sollten neben der Gefahrengeneigtheit der konkreten handwerklichen Tätigkeit und der Ausbildungsleistung auch Aspekte des Verbraucherschutzes (Gewährleistungen), der Altersvorsorge der Betriebsinhaber und Schutz und Bewahrung der handwerklichen Kulturgüter in die Beurteilung einbezogen werden.

 
Meister = Garant einer hochwertigen Berufsausbildung

Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (Bundesinstitut für Berufsbildung) unterstrich, geprüfte Meister im Handwerk seien nicht nur qualifiziert auf eine Existenzgründung vorbereitet. Mit ihrem Handwerk beherrschten sie ein komplexes Wissensgebiet in systematischer Art und Weise. Der Meister sei Garant einer hochwertigen Berufsausbildung in Deutschland, da die Meisterprüfung auch die Ausbildereignungsprüfung beinhalte.

Anna Dollinger (Deutscher Gewerkschaftsbund) erklärte, der deutsche Meisterbrief sei ein Qualitätssiegel. Der DGB begrüße daher die Wiedereinführung der Meisterpflicht in den jetzt zulassungsfreien Betrieben. Doch könne das nur ein Baustein in einem größeren ordnungspolitischen Zusammenhang sein. Dazu zähle die Erhöhung der Tarifbindung. Sie gelte im Handwerk nur noch für 30 Prozent der Beschäftigten.
 

Monopolkommission sieht Wiedereinführung skeptisch

Einzig Dr. Klaus Holthoff-Frank (Monopolkommission) sprach sich gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht aus. Die beiden wesentlichen Argumente – Sicherung einer hohen Qualität der angebotenen Leistungen und Gewährleistung der Ausbildungsleistung – könnten nicht überzeugen. Es bleibe die Möglichkeit, den Meisterbrief freiwillig zu erwerben, etwa um den Kunden durch die zusätzliche Qualifikation eine besondere Qualität zu signalisieren.