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Archivbeitrag | Newsletter 2014Rücktritt vom Angebot möglich: BGH-Urteil zu Kalkulationsirrtümern bei öffentlichen Ausschreibungen

Muss ein öffentlicher Auftrag ausgeführt werden, wenn man sich im Angebot verkalkuliert hat?

Öffentliche Auftraggeber dürfen Bieter nicht dazu zwingen, Arbeiten auszuführen, deren Preis auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urteil vom 11. November 2014, Az. X ZR 32/14).

Im konkreten Fall hatte ein Auftraggeber den Zuschlag für Straßenbauarbeiten an einen Bieter erteilt, der kurz vor Zuschlagserteilung um Ausschluss seines Angebotes gebeten hatte. Ihm sei beim Angebot ein Fehler unterlaufen, der zum unschlagbaren Angebotspreis von 455.000 Euro führte. Das nächstgünstigere Angebot belief sich auf rund 621.000 Euro.

Konnte der Auftraggeber erkennen, dass ein erheblicher Kalkulationsirrtum vorlag?

Die Vergabestelle schloss das Angebot jedoch nicht aus und erteilte den Auftrag an den günstigen Bieter, der sich mit Verweis auf seinen Irrtum weigerte, die Arbeiten auszuführen. Daraufhin wurde ein anderes Unternehmen von der Vergabestelle beauftragt und die Mehrkosten vom ursprünglich beauftragten Bieter als Schadensersatz verlangt.

Der Fall landete schließlich vor dem BGH, der dem Bieter Recht gab. Ein öffentlicher Auftraggeber verstoße gegen seine Rücksichtnahmepflichten, wenn er an einem Gebot festhalten will, das auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht. Das sei dann der Fall, wenn ein verständiger öffentlicher Auftraggeber erkennen kann, dass sich der Bieter extrem zum eigenen Nachteil verkalkuliert hat. Das war im vorliegenden Rechtsstreit scheinbar durch den großen preislichen Abstand zum nächstgünstigeren Bieter der Fall. Dann könne nicht auf die Vertragserfüllung und auch nicht auf Schadenersatz geklagt werden.

Die Richter stellten aber auch fest, dass dieses Urteil keinen Freibrief für Bieter darstelle, unter dem Vorwand eines Kalkulationsirrtums ein bewusst günstig kalkuliertes Angebot abzugeben, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, das Angebot zurückzuziehen.