Meisterjahrgang 2017: Patrizia Thomas / Fleischermeisterin. Bild: lookbook.photo
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Patrizia Thomas / Fleischermeisterin

Archivbeitrag | Newsletter zur Meisterfeier 2017

Fleisch und Wurst sind keine x-beliebigen Lebensmittel

Patrizia Thomas hatte als Kind viele Berufswünsche. Tierärztin oder Pferdewirtin wollte sie werden. Das Fleischerhandwerk zählte, wie bei den meisten Mädchen, nicht unbedingt zu ihren ersten Berufswünschen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Nach der Schule sind die Ausbildungsplätze rar. Die geburtenstarken Jahrgänge drängen auf den Ausbildung- und Arbeitsmarkt. Da kann man nicht unbedingt wählerisch sein. Ihr Vater fragt schließlich einfach einen befreundeten Fleischermeister, ob er sich vorstellen kann, seine Tochter auszubilden. Schon waren die Weichen gestellt und Patrizia Thomas sorgt fortan bei der Fleischerei Simon in Brandis für den Verkauf und die Präsentation von Qualitätslebensmitteln aus handwerklicher Herstellung. Das fällt der angehenden Fleischereifachverkäuferin nicht schwer, hatte sie sich doch mittlerweile zum Genussmenschen entwickelt, der gern raffinierte Wurstsorten und Fleischzubereitungen ausprobiert.

Die Lehre gefällt ihr gut, sowohl hinter der Theke als auch in der Schule. "Eine super Zeit. Man hat viel gelernt und es hat Spaß gemacht. Hinzu kam das sehr familiäre Verhältnis, das wir im Team hatten", schwärmt Thomas.

 
Handwerkerin mit Leidenschaft

 
Nach der Gesellenprüfung arbeitet die Genießerin dann erfolgreich im Ausbildungsbetrieb, sorgt für ausgefallene Buffetkreationen bei Partys oder Veranstaltungen und verkauft deftige Leckereien.

"Auch nach einigen Jahren hinter der Theke bin ich noch mit Leidenschaft dabei, denn ich mag den direkten Kontakt zum Kunden und freue mich, wenn unsere kulinarischen Angebote gut ankommen", sagt sie. Während der täglichen Arbeit schaut sie sich in 16 Jahren im Unternehmen einiges ab und baut ihr Wissen aus. "Man kommt als Verkaufsprofi in einem kleinen Betrieb automatisch mit allen Themen in Berührung, die die Herstellung von Qualitätslebensmitteln betreffen. Lebensmitteltechnologie, Qualitätssicherung, moderne Fleischereitechnik, Rezepturen - durch die enge Zusammenarbeit zwischen Produktion und Verkauf habe ich mir vieles angeeignet, was ich in der Meisterschule später nutzen konnte".

Dass sie überhaupt die Meisterlaufbahn einschlug, war wiederum eher Zufall. Zwar wollte sie nie bis zur Rente hinter dem Tresen stehen, doch erst ein gewisser Handlungsdruck brachte sie dazu, nach Höherem zu streben. Der Chef der Fleischerei Simon liebäugelte nach einem arbeitsreichen Leben mit dem Gedanken an den wohlverdienten Ruhestand. Das war bereits 2014.

Doch wie sollte es mit dem Traditionsunternehmen weitergehen? Eine familieninterne Nachfolgeregelung gab es nicht. Den Laden dichtmachen und die Kunden im Regen stehen lassen? Keine Option! Da fasste sich Patrizia Thomas ein Herz und nahm die Herausforderung an, Unternehmerin zu werden.

Wegen ihrer Leistungen in der Lehre und der Praxiserfahrungen im Nahrungsmittelhandwerk erhielt sie von der Handwerkskammer eine Sondergenehmigung, um auch als Fachverkäuferin die Meisterschule für Fleischer besuchen zu dürfen. Hier kam trotz allem Vorwissen viel Neues auf sie zu: Zerlegen, Verarbeiten, Gerichte zubereiten.

"Das war nicht immer einfach, aber ich habe immer mein Bestes gegeben." Als es ums Plattenlegen, Präsentieren der Ware und Kundengespräche ging, konnte die gelernte Fachverkäuferin ihren Mitschülern unter die Arme greifen. "Unsere Klasse war super. Wir haben uns gegenseitig unterstützt. Ich habe den Fleischern beim Plattenlegen geholfen. Und sie haben mir Praxistipps gegeben." Aber auch die kaufmännischen Fächer erforderten viel Einsatz. Die Qualifizierung zur Ausbilderin gefiel der Meisterschülerin besonders gut. Sie will in Zukunft selber Lehrlinge ausbilden und auf die Anforderungen des Berufs vorbereiten.

Patrizia Thomas ist stolz, die Weiterbildung absolviert zu haben. "Ich würde es auf jeden Fall weiterempfehlen", sagt die Meisterin. Sie gehört jetzt zu etwa 1.500 Fleischermeisterinnen, die jemals in Deutschland den Großen Befähigungsnachweis erhalten haben. Laut Deutschem Fleischer-Verband sind im Durchschnitt nur etwa zehn Prozent der Meisterprüflinge Frauen.

 
Kulinarischer und betriebswirtschaftlicher Rat vom Senior

 
Für die Zukunft hofft sie nun, mit viel Elan durchzustarten und den Kundenstamm der Brandiser Fleischerei Simon immer wieder mit Genüssen aus handwerklicher Herstellung zu begeistern. Deren Inhaberin ist sie seit Juli 2017. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der sie sich darauf verlassen kann, dass ihr ehemaliger Ausbilder und Chef der neuen Geschäftsführerin jederzeit mit Rat zur Seite steht.

Als Ausgleich zum Job, der manchmal besonders anstrengend sein kann, reitet Patrizia Thomas für ihr Leben gern und verbringt Zeit auf dem Rücken ihres eigenen Pferdes. "Wenn ich früh anfange, erlaube ich mir manchmal, früh Feierabend zu machen, um mich meiner Leidenschaft zu widmen. Das kann ich hoffentlich auch als Unternehmerin beibehalten".

Einen Widerspruch zwischen Hobby und Beruf sieht die Pferdenärrin dabei nicht. "Das klingt vielleicht komisch, aber ein guter Fleischer hat ein Herz für die Tiere und weiß, wie wichtig es ist, sie zu respektieren und gut zu behandeln. Fleisch darf schon deshalb nicht zur x-beliebigen Billigware werden. Es ist ein wertvolles Lebensmittel, das man verantwortungsbewusst herstellen und konsumieren sollte", erklärt sie. Nicht artgerechte Haltung oder lange Transportwege lehnt sie nicht nur aus ethischen Gründen ab. Auch die Fleischqualität sinkt, wenn ein Tier Stress hat. Und Qualität sollte im Meisterhandwerk stets Priorität haben.

 

Meisterjahrgang 2017: Patrizia Thomas / Fleischermeisterin. Bild: lookbook.photo
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