Unternehmen suchen am falschen Ort nach Azubis

Das Ausbildungsjahr ist einige Wochen alt. Wieder sind etliche Lehrstellen im Handwerk unbesetzt geblieben. Dass junge Menschen und Betriebe häufig nicht zueinander finden, hat auch damit zu tun, dass beide Seiten aneinander vorbei kommunizieren. Eine Studie hat das Thema näher beleuchtet.

Ausbilder mit Lehrling. Bild: www.fotografiemh.de - Hannes Harnack
www.fotografiemh.de - Hannes Harnack

Unternehmen und junge Menschen kommunizieren oft aneinander vorbei

Die Ausbildungslücke in Deutschland bleibt groß. Bundesweit konnten 44 Prozent der Unternehmen ihre Ausbildungsplätze im Ausbildungsjahr 2023/24 nur anteilig oder gar nicht besetzen. Trotzdem meint jeder vierte junge Mensch in Deutschland, es gebe zu wenig Ausbildungsplätze.

Diese Diskrepanz entsteht dadurch, dass die Ausbildungsangebote von Betrieben und die Berufswünsche von jungen Menschen hinsichtlich Region, Beruf oder Qualifikation häufig nicht zusammenpassen. Aber es liegt auch an der Kommunikation, dass Bewerber und Unternehmen nicht zueinanderfinden. Dies hat eine gemeinsame Jugend- und Unternehmensbefragung der Bertelsmann Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) offengelegt.
 

Kanäle wie Instagram und TikTok zu selten für Nachwuchssuche genutzt

Bei der Bedeutung der Informationswege sind sich Unternehmen und junge Menschen zwar weitgehend einig: Für beide Seiten spielen Online-Stellenausschreibungen die wichtigste Rolle, gefolgt von der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit und Social Media.

Bei der Nutzung von sozialen Netzwerken gibt es aber auffällige Abweichungen: Instagram ist jeweils am beliebtesten, doch während 71 Prozent der Unternehmen auf Facebook über ihre Ausbildungsplätze informieren, sucht hier nur ein Viertel der jungen Menschen nach Ausbildungsangeboten. Umgekehrt nutzen junge Menschen häufig YouTube (47 Prozent), WhatsApp (38 Prozent) und TikTok (30 Prozent) – diese Kanäle werden von Unternehmen aber deutlich seltener bespielt, bei YouTube beispielsweise nur von 18 Prozent.

Unternehmen sollten ihre Kommunikation stärker an das Medienverhalten der jungen Menschen anpassen, um mehr potenzielle Bewerber und Bewerberinnen zu erreichen, empfehlen die Studienautoren. Auch bei der analogen Kommunikation lohnt ein genauerer Blick: So nutzen vor allem Jugendliche mit niedriger Schulbildung Stellenanzeigen in Zeitungen oder den Aushang an »schwarzen Brettern« in Schulen häufiger, als Unternehmen es tun.
 

 

Bedeutung von Schulabschlüssen wird unterschiedlich bewertet

Aus den Befragungsdaten geht eine weitere interessante Abweichung hervor: Während knapp drei Viertel der Unternehmen angeben, dass für die Besetzung einer Ausbildungsstelle persönliche Kompetenzen gegenüber formalen Abschlüssen immer bedeutender werden, glaubt das nur etwas mehr als die Hälfte der jungen Menschen. Hierin liegt eine Chance: Junge Menschen sollten selbst bei schwächeren Noten nicht auf eine Bewerbung verzichten, sondern auf ihre Stärken vertrauen. Unternehmen können junge Leute gezielt zur Bewerbung motivieren, indem sie den Stellenwert persönlicher Kompetenzen in Ausschreibungen herausstellen.

Auch bei den Formaten zur Berufsorientierung könnten Unternehmen und junge Menschen besser zueinanderfinden. Die Bedeutung von Praktika stufen beide Seiten zwar am höchsten ein. Doch während 88 Prozent der jungen Menschen Betriebsbesichtigungen wichtig sind, bietet sie nur knapp jedes zweite befragte Unternehmen an. Auch bei Ausbildungsbotschaftern im Unterricht, Schulkooperationen oder Ausbildungsmessen liegen die Wünsche der jungen Generation und das tatsächliche Angebot der Unternehmen weit auseinander.
 

Engagement im Bereich Berufsorientierung lohnt sich

Zwar könnten vor allem kleine und mittlere Unternehmen nicht alle Formate anbieten, doch der Einsatz von nur ein oder zwei zusätzlichen Maßnahmen könne bereits zu mehr Bewerbungen führen. Gemessen am Aufwand lohne sich zudem eine kontinuierliche Partnerschaft mit Schulen.

Als positives Signal ist zu werten, dass jeweils mehr als 80 Prozent der jungen Menschen und der Unternehmen in einer Berufsausbildung eine gute Karrieregrundlage sehen.

Einig sind sie sich auch über die Faktoren, die einen Ausbildungsplatz attraktiv machen: ein gutes Betriebsklima, spannende Aufgaben, sichere Zukunftsaussichten und die Möglichkeit, sich im Berufsleben weiterentwickeln zu können.

Die Verdienstaussichten mit einer Ausbildung schätzen sechs von zehn befragten jungen Menschen als ausreichend für ein »gutes Leben« ein. Dennoch fehlt vielen die Anerkennung: Ungefähr die Hälfte der Unternehmen und jungen Menschen ist der Meinung, dass die duale Ausbildung zu wenig gesellschaftliche Wertschätzung erfährt. Hier sollten Politik, Wirtschaft und Schulen gemeinsam ansetzen.
 


 Download der Studie

Vom Mismatch zum Match: Wie sich Jugendliche und Unternehmen auf dem Ausbildungsmarkt suchen und finden (können).

Eine kombinierte Jugend- und Unternehmensbefragung. (www.bertelsmann-stiftung.de)www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/vom-mismatch-zum-match-wie-sich-jugendliche-und-unternehmen-auf-dem-ausbildungsmarkt-suchen-und-finden-koennen

Titel der Studie »Vom Mismatch zum Match: Wie sich Jugendliche und Unternehmen auf dem Ausbildungsmarkt suchen und finden (können)«


 Zusatzinformationen

In die Studie sind Daten aus zwei Quellen eingeflossen. Zum einen wurde vom 23. Februar und 24. März 2024 eine repräsentative Stichprobe von 1.729 jungen Menschen in Deutschland im Alter zwischen 14 und 25 Jahren befragt. Zum anderen wurden Personalverantwortliche in 895 Unternehmen aller Branchen mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ.