Sue Fröhlich / Karosserie- und Fahrzeugbauermeisterin

Sue Fröhlich / Karosserie- und Fahrzeugbauermeisterin
Robert Iwanetz

 
von Robert Iwanetz

In die Zukunft gebeamt

Als Sue Fröhlich den Schritt wagte, ihre Meisterausbildung anzugehen, steckten dahinter keine riesigen Träume. Sie plante keine eigene Kfz-Werkstatt, wollte keinen Familienbetrieb übernehmen. Die gebürtige Chemnitzerin wollte einfach ihre Möglichkeiten bei der Jobauswahl erweitern. "Ich habe gemerkt, dass ich nicht jede Woche 40 Stunden für immer in der Werkstatt schrauben will, sondern mehr Abwechslung brauche", sagt die Jungmeisterin. "Ich wollte auch geistige Herausforderungen haben."

Der Plan ging schnell auf: Seit Mai 2020 arbeitet sie für einen Subunternehmer am VW-Werk in Zwickau, wo das erste rein als Elektrofahrzeug konzipierte Auto von Volkswagen – der ID.3 – vom Band läuft. Anfangs spielte sie Software-Updates auf, wechselte Batterien und justierte Heckklappen. Mittlerweile wurde sie zur Schichtleiterin befördert. "Der Job macht mir großen Spaß. Ich kommuniziere viel mit den anderen Abteilungen, muss mein Team organisieren und ständig neue Probleme lösen", erzählt die 22-Jährige.
 

 
"Mein Chef war so angetan, dass er mir direkt eine Lehre angeboten hat."
 

Das neue Arbeitsumfeld war anfangs ungewohnt. "Ich wurde praktisch von der Vergangenheit in die Zukunft gebeamt", scherzt sie. Denn die Jungmeisterin hatte ihre Ausbildung bei der Technische Restauration Werner Zinke GmbH in Zwönitz absolviert und dort ausschließlich mit der Wiederaufarbeitung von Oldtimern zu tun. Sue Fröhlich hatte dort nach einem Tipp eines Freundes in der neunten Klasse ein Praktikum absolviert. "Mein Chef war so angetan, dass er mir direkt im Anschluss eine Lehre angeboten hat." Fröhlich war damit die erste mit unterschriebenen Lehrvertrag in ihrer Stufe.



Ihre Leidenschaft für Technik entdeckte sie schon in Kindertagen. Statt mit Puppen spielte sie lieber mit Matchbox-Autos. Und als sie doch einmal eine Puppe geschenkt bekommt, zerlegt sie diese in ihre Einzelteile, um die Mechanik dahinter zu verstehen. Als sie sich dann für die Ausbildung zur Karosseriebauerin entscheidet, ist ihre Mutter trotzdem skeptisch. "Ich glaube, sie hätte sich einen weniger körperlich anspruchsvollen Beruf gewünscht, vielleicht eher etwas im Büro, wo auch andere Frauen arbeiten", meint Sue Fröhlich.

So ist die Jungmeisterin in ihrem Berufsleben fast nur von Männern umgeben. Schon während der Lehre – aber auch in der Meisterschule – war sie die einzige Frau in ihrem Gewerk. Ab und zu erinnert sie sich auch an Situationen, wo ihr Kollegen aufgrund ihres Geschlechts weniger zutrauten – doch das spornt sie zusätzlich an. "Das hat mich zu Bestleistungen getrieben, weil ich den anderen kein Futter für dumme Sprüche geben wollte."

Mit dieser Einstellung kommt sie schnell voran: Anderthalb Jahre bleibt sie nach ihrer Gesellenprüfung noch in der Firma für Oldtimer-Restaurationen, arbeitet danach ein halbes Jahr in einem Autohaus. Und entscheidet sich dann mit nur 20 Jahren für die Meisterausbildung in Vollzeit. In wenigen Monaten absolviert sie alle Teile der Prüfung. "Dafür musste ich an meine Grenzen und manchmal auch darüber hinaus gehen, aber es hat sich gelohnt. Ich habe unglaublich viel gelernt", erzählt Fröhlich.

Hausieren geht sie mit dem Titel trotzdem nicht gern. "Um meine persönliche Vorstellung von einer richtigen Meisterin zu erfüllen, habe ich nicht genügend Berufserfahrung." Diese will sie nun erst einmal sammeln und vollständig in ihrem neuen Job ankommen. In ihrer zweiten Leidenschaft – dem Karate-Sport – ist sie da schon einen Schritt weiter: Als Trägerin des schwarzen Gürtels trainiert sie gerade für die Prüfung des dritten Dan.