Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 05/2025Raus aus der Nische
Jennifer Gruhne hat den ersten rein mobilen Optiker-Service in der Region rund um Leipzig gegründet. Mit dem neuen Konzept will sie vor allem die Augenvorsorge von pflegebedürftigen Menschen verbessern.

Ein Porträt von Robert Iwanetz.
Jennifer Gruhne hat den ersten rein mobilen Optiker-Service in der Region rund um Leipzig gegründet. Mit dem neuen Konzept will sie vor allem die Augenvorsorge von pflegebedürftigen Menschen verbessern.
Jennifer Gruhne braucht nicht mehr als ein paar Minuten, um die Wohnung ihres Kunden in ein modernes Optikergeschäft umzufunktionieren. Zunächst führt sie einen Sehtest mit einer speziellen Messbrille durch. Anschließend misst sie den Augeninnendruck per Handgerät und zum Abschluss folgt ein professionelles Netzhaut-Screening. Dafür muss der Kunde zweimal in eine spezielle Netzhautkamera schauen, die nur etwas größer als ein handelsüblicher Drucker ist. Anschließend sucht eine KI-gestützte Software nach Auffälligkeiten. Jennifer Gruhne zeigt die Aufnahmen der Augen und die Auswertung erfolgt dann auf ihrem Tablet. Die Ergebnisse gehen zudem automatisch an einen Augenarzt, der bei Bedarf innerhalb von zwei Tagen einen Befund mit konkreter Handlungsanweisung erstellt. »Meine Arbeit als Optikerin lässt sich hervorragend mobil erledigen«, sagt die 37-jährige Augenoptikermeisterin. Handwerkliche Dienstleistungen, wie Gläser schleifen oder verbogene Brillenbügel wieder richten, erledigt sie im Anschluss an die Termine in ihrer Werkstatt zu Hause. Ihre Ausrüstung für die Kundentermine passt in einen normalen Kofferraum. »Das größte, was ich mit mir rumschleppe, sind die beiden Koffer mit insgesamt über 300 Brillenmodellen. Und dadurch, dass meine Kosten gering sind und ich keine Ladenmiete begleichen muss, sind die Brillen oft sogar preiswerter als beim ortsansässigen Optiker«, sagt die gebürtige Leipzigerin.
Lebensqualität nachhaltig verbessern
Ihre Firma »Sehvia« hat sie im Februar 2025 gegründet – als ersten reinen mobilen Optiker-Service in der Region rund um Leipzig. Ihre umfassende Versorgung richtet sich vor allem an Senioren und pflegebedürftige Menschen. Ihre Zielgruppe sind Altenheime, Krankenhäuser und Tagespflegeeinrichtungen. »Ich habe eine Nische darin gesehen, einfühlsam Menschen helfen zu können, die auf meine Dienstleistungen angewiesen sind, aber selbst kaum noch Termine wahrnehmen können«, sagt die Augenoptikermeisterin. In zwei Leipziger Pflegeheimen kümmert sie sich bereits um die Augen-Probleme der Bewohner und Bewohnerinnen. »Viele kennen bislang nur mobile Friseure oder mobile Kosmetik- und Fußpflege-Leistungen – aber das geht auch genauso mit der Augenvorsorge«, sagt Jennifer Gruhne. Ihr Ansporn sei es, die Lebensqualität ihrer Kunden durch individuelle Brillenanpassungen nachhaltig zu verbessern.
Fast zwei Jahrzehnte Berufserfahrung
Sie berichtet, welche gravierenden Konsequenzen schlechtes Sehen im Alter haben kann. Wer das Essen nicht mehr erkenne, das vor ihm auf dem Teller liegt, bekomme keinen Appetit. Wer die Tageszeitung nicht mehr lesen könne, verliere das Interesse an lokalen Ereignissen. »Oft kommt es allein durch schlechtes Sehen zum sozialen Rückzug. Und auch Stürze sind oft die Folge einer Sehschwäche«, erklärt Jennifer Gruhne, die auf fast zwei Jahrzehnte Berufserfahrung zurückblickt. »Ich habe eigentlich schon fast alles in der Branche mal gemacht«, sagt die Augenoptikermeisterin, die 2013 ihre Meisterprüfung bestand. Nach ihrer Ausbildung bei einem klassischen Handwerksbetrieb war sie viele Jahre in großen Optiker-Ketten angestellt, teilweise als Filialleitung. Sie war zudem einige Jahre für die Qualitätssicherung bei einem Online-Brillenhändler zuständig, arbeitete in einer Augenarzt-Praxis als Expertin für das Trockene-Auge-Syndrom und hatte auch schon mal ein eigenes Ladengeschäft im Leipziger Süden. »Als meine erste Tochter geboren wurde, habe ich aber schnell gemerkt, dass die langen Öffnungszeiten sich überhaupt nicht mit einem Familienleben vertragen«, berichtet die zweifache Mutter über ihre erste Selbstständigkeit.
Mehr bedarfsorientiert arbeiten
Grundsätzlich findet sie das Konzept von stationären Optikern etwas in die Jahre gekommen: »70 Prozent der Zeit wartet man auf Kunden und hat nichts zu tun. Das kam mir schrecklich ineffizient vor, deshalb wollte ich auch nicht nochmal ein Geschäft eröffnen, sondern mehr bedarfsorientiert arbeiten – und wo lässt sich das besser angehen als für Senioren oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität, für die es oft total schwierig ist, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen.«