Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 02/2025Ohne geht’s nicht: Brot und Demokratie
Pascal Rubertus hat mit seiner Bäckerei »Backstein« einen regelrechten Hype ausgelöst. Nun will er etwas vom Erfolg zurückgeben.

Ein Porträt von Robert Iwanetz.
Pascal Rubertus hat mit seiner Bäckerei »Backstein« einen regelrechten Hype ausgelöst. Nun will er etwas vom Erfolg zurückgeben.
Mit der Entscheidung, nochmal ein zweites Berufsleben als Bäcker zu beginnen, hat Pascal Rubertus echte Spuren in Leipzig hinterlassen. Quer einmal über die Wiese im Innenhof der Galerie für zeitgenössische Kunst führt ein Fußweg zu seiner »Backstein«-Bäckerei, den es vorher nicht gab. Ein Trampelpfad, der nach und nach erst durch die langen Schlangen entstand, die sich seit Jahren jeden Tag vor der Bäckerei bilden. Rubertus ließ ihn nun auf eigene Kosten professionell von einem Gartenbauunternehmen verfestigen. »Ich hätte mir nie so einen Erfolg träumen lassen«, sagt der 50-Jährige, der nun ins achte Jahr mit seiner »Bäckerei für zeitgenössisches Brot« geht. Aus den ursprünglich drei sind mittlerweile 24 Mitarbeiter geworden, darunter zwei Azubis. Woche für Woche verarbeiten sie 60 Säcke Mehl zu zwölf verschiedenen Brotsorten, Focaccia, Zimtschnecken und Kuchen.
Eine Pause vom Trubel genießen
Die insgesamt 13 Mehlsorten sind alle handverlesen. Der Großteil der Zutaten ist bio-zertifiziert. Bis auf das Baguette und die Focaccia werden alle Teige mit Sauerteig geführt und gehen über Nacht. »Wir arbeiten auf das bestmögliche Produkt hin, nicht auf das, was am schnellsten Geld bringt«, sagt Rubertus. Der Gedanke dahinter hat viel mit seiner Prägung zu tun. Vor seinem Leben als Bäcker war Pascal Rubertus erst Graffiti-Künstler, danach beim Film als Kamerabühnen-Techniker beschäftigt und anschließend viele Jahre in verschiedenen Agenturen als Grafikdesigner tätig. »Dabei ging es oft darum, eher mittelmäßige Produkte möglichst herausragend zu präsentieren. In der Bäckerei wollte ich, dass die Brote für sich sprechen sollen, möglichst ohne Werbung.«
Mit 40 Jahren entscheidet er sich nochmal, eine Ausbildung als Bäcker zu beginnen – als erster Abschluss überhaupt in seinem Leben. Begleitet von Sprüchen in der Berufsschule wie »Haha, du bist ja älter als meine Mutter!«. Der gebürtige Siegener startet seine Ausbildung bei der Bäckerei Böhm und beendet sie bei Macis, beides Bio-Bäckereien im Leipziger Zentrum. Eines seiner heute beliebtesten Produkte, das über zwei Stufen geführte Weizensauerteigbrot, bringt er bereits zum Ende seiner Lehre zur Serienreife. »Manchmal wurden davon 20 Leibe innerhalb einer Stunde verkauft, da musste nicht nur ich, sondern auch mein damaliger Chef staunen«, erinnert sich Rubertus. Nach dem Abschluss und einem ersten, eher suboptimal verlaufenen Versuch der Selbstständigkeit mit einer mobilen Lastenrad-Pizzeria, erhält er die Anfrage, ob er einen ehemaligen Kiosk auf dem Gelände der Galerie für zeitgenössische Kunst mit neuem Leben füllte möchte. »Der Standort war ideal, weil es hier nicht zu hektisch ist. Dadurch konnte ich einen Ort erschaffen, an dem die Menschen gern eine Pause von ihrem Trubel genießen«, sagt Rubertus, der damals gerade die Meisterschule besuchte.
Idee wurde zur Dauerlösung
In dem kleinen Backsteingebäude, von dem sich auch der Name der Bäckerei ableitet, entstehen alle Produkte. Verkauft wird über ein Fenster. Eine Idee, die ursprünglich nur durch die Corona-Auflagen eingeführt wurde, doch jetzt zur Dauerlösung mutiert. »Dadurch konnten wir ein bisschen mehr Platz schaffen«, sagt Rubertus. Denn Platz ist ein großes Thema in der Bäckerei Backstein. Nur 50 Quadratmeter stehen zur Verfügung, in denen geknetet, ausgerollt, geruht, gebacken und garniert wird. Drinnen arbeiten sie insgesamt zu siebt – vier in der Backstube und drei im Verkauf. Gearbeitet wird in zwei Schichten. Rubertus stellt seinen Angestellten frei, ob sie in der Frühschicht ab 4 Uhr oder später am Tag arbeiten wollen. »Wenn du noch früher anfangen musst, wie das bei vielen Bäckereien Realität ist, bist du einfach sozial isoliert«, sagt der Bäckermeister, der künftig sogar erst 6 Uhr mit der ersten Schicht starten will.
Leidenschaft für herausragendes Brot
Diese Denkweise zahlt sich für ihn als Arbeitgeber aus: Wo andere Bäckereien jahrelang vergebens Personal suchen, erhielt Rubertus, als er letztens eine Stelle ausschrieb, weit über 20 Bewerbungen. »Unser Team ist hervorragend. Wir haben hier unterschiedlichste Nationalitäten und unterschiedlichste Backgrounds. Auch Leute, die ihr Jurastudium geschmissen haben, weil sie lieber backen wollten.« Ihm sei nicht wichtig, was die Leute zuvor gemacht haben, sondern nur, ob sie genügend Leidenschaft für herausragendes Brot mitbringen würden, sagt der Bäckermeister. Als Unternehmer möchte er zudem auch etwas von seinem Erfolg zurückgeben. So sammelt er beispielsweise über das EC-Gerät Spenden für den Verein »Land in Sicht«, der sich für ländliche und kleinstädtische Initiativen in Sachsen einsetzt, die kulturelle Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit fördern. »Bei so viel Hass und Hetze, die uns mittlerweile umgeben, hatte ich das Bedürfnis, etwas dagegen tun zu müssen«, sagt Rubertus. Der Instagram-Aufruf dazu lautete passenderweise: »Ohne geht’s nicht: Brot und Demokratie«.