
"Führen heißt auch vertrauen"
Die Bauservice Großenhain GmbH baut in Leipzig eine Kindertagesstätte. Zu den Arbeitern auf der Baustelle gehören auch Husein Bakr, Yunus Hacibekiroglu und Walid Ahmed. Alle drei sind Auszubildende und erlernen den Beruf des Maurers beziehungsweise des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers. Sie waren Teilnehmer des Projekts des Bundesministeriums für Bildung und Forschung "Berufsorientierung für Flüchtlinge" - kurz BOF. Im zurückliegenden Jahr haben insgesamt 52 Flüchtlinge an dem 13 Wochen dauernden Projektlehrgang im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer zu Leipzig teilgenommen. Mehr als die Hälfte von ihnen hat im Anschluss von Handwerksbetrieben der Region ein Angebot für eine Ausbildung, eine Einstiegsqualifizierung oder eine Arbeit bekommen. Seit 2018 ist die Projektdauer auf 26 Wochen verlängert. Die Teilnehmer bekommen so mehr Zeit, sich berufsbezogene Fachkenntnisse zur Vorbereitung auf die Berufsschule anzueignen.
Berufsorientierung für Flüchtlinge
Der 27-jährige Kurde Yunus weiß bereits jetzt, dass er im Anschluss an die Ausbildung auch noch ein Meisterstudium aufsetzen will. Er lebt gemeinsam mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in Leipzig und sieht hier auch seine Zukunft. "Die Ausbildung ist anspruchsvoll, macht uns aber viel Spaß. Wir sind gemeinsam mit unseren deutschen Kollegen eine gute Truppe", erklärt er im Namen aller drei Azubis in fast einwandfreiem Deutsch. Er hatte im Internet nach einem Ausbildungsplatz recherchiert, entdeckte das "Lehrstellenradar" und damit das Angebot der Bauservice Großenhain GmbH. Daraufhin wendete Yunus sich an die Handwerkskammer, die dem jungen Kurden ein vierwöchiges Praktikum im Wunschbetrieb vermittelte. Frank Moritz, Inhaber des Unternehmens, war offen für das Anliegen. "In der Zeit des Praktikums kann man sich kennenlernen. Wir brauchen Leute. Mitarbeiter mit Migrationshintergrund werden bei uns nicht anders behandelt als deutsche Kollegen", erläutert Moritz. "Der kulturelle Hintergrund bereitet keine Probleme. Wir beschäftigen in der Firma 60 Mitarbeiter, da ist es wichtig, dass es zusammenpasst. Mit unseren drei Neuen, hat es gepasst, sonst wären sie nicht mehr bei uns", fügt er hinzu. Oft wird von Betrieben die mangelnde Sprachkompetenz der Migranten als Hindernis für eine Integration in das Unternehmen genannt. Frank Moritz hat eine pragmatische Lösung: "Auf der Baustelle wird deutsch gesprochen auch untereinander." Und er betont "Führen heißt auch vertrauen. Integration findet immer in zwei Richtungen statt. Man muss offen sein für neue Erfahrungen."
Handwerkskammer bietet Unterstützung
"Die Integration von Migranten ist eine notwendige Aufgabe und eine große Herausforderung", unterstreicht auch Ahmed Barhdadi, der Projektleiter bei der Handwerkskammer zu Leipzig ist. Neben dem BOF-Projekt leitet er das Projekt "Fachkräfteallianz", welches für deutsche Jugendliche und jugendliche Geflüchtete konzipiert wurde und im vergangenen Jahr 48 überwiegend deutsche Teilnehmer hatte. Die Handwerkskammer bietet ihren Mitgliedsbetrieben Unterstützung bei der Beschäftigung von ausländischen Mitarbeitern an. So wurden im Jahr 2017 über 40 berufserfahrene Migranten mittels eines einwöchigen Praxis-Checks auf ihr handwerkliches Können getestet. Die Teilnehmer erhalten im Ergebnis Empfehlungen zur beruflichen Weiterentwicklung. Die Handwerkskammer zu Leipzig hat im zurückliegenden Jahr den FiBaH-Schein entwickelt, um Migranten Basiswissen zum den Themen Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie betriebliche Abläufe in Handwerksbetrieben zu geben. Für das Jahr 2018 hat die Handwerkskammer erneut mehrere Maßnahmen für rund 100 Personen in den Projekten "Fachkräfteallianz" und "Berufsorientierung für Flüchtlinge" geplant.
Zugang zu Arbeit und Ausbildung stehen im Vordergrund
Die Anfragen von Flüchtlingen zum Thema "Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse" sind im Jahr 2017 deutlich gestiegen. Nachdem in den vergangenen Jahren der Fokus auf dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse lag, stand jetzt zumeist der Zugang zu Arbeit und Ausbildung im Vordergrund. Ebenso haben sich zunehmend Handwerksbetriebe in Schulungen zum Thema Ausbildung und Beschäftigung von Migranten über die Handwerkskammer informiert und sind mit konkreten Anfragen zur Unterstützung an die Handwerkskammer herangetreten. Gabriele Hochmuth arbeitet als Willkommenslotse in der Kammer. Sie hilft Unternehmen, Fachkräftenachwuchs aus dem Kreis der Flüchtlinge und Asylbewerbern zu gewinnen und berät zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und allen Fragen der Beschäftigung, Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten, Sprachförderung und Qualifizierung sowie bei der Bearbeitung von Formalitäten. Dabei kann sie auf ein starkes Netzwerk, zu dem beispielsweise Arbeitsagenturen, Jobcenter Sprachschulen und Flüchtlingshilfen gehören, zurückgreifen.
Quelle: Deutschen Handwerksblatt 01/2018
Wöchentliche Sprechstunde
Jeden Donnerstag von 9 bis 16 Uhr findet zum Thema Integration eine Sprechstunde im Haus des Handwerks, Dresdner Straße 11/13, 04103 Leipzig, statt. Ein zusätzlicher Termin ist einmal im Monat in Torgau geplant. Ansprechpartner sind Ahmed Barhdadi (Telefon 034291/30-162), Silke Lorenz, (Telefon 0341/2188-363) und die Willkommenslotsin Gabriele Hochmuth (Tel.efon 034291/30-123).