
Fachkräftemangel trifft Migration
Ein sehr stark vom Fachkräftemangel betroffener Berufszweig ist die Kältetechnik. Die Auftragsbücher sind mehr als randvoll - auf Monate im Voraus prall gefüllte Tagespläne, doch zu wenig Betriebe, die wiederum zu wenig Personal (und Azubis) haben, die für diese Aufträge zur Verfügung stehen. Die Gründe sind vielfältig. Auf diese soll hier auch nicht eingegangen werden, es soll vielmehr gezeigt und Mut gemacht werden, neue Wege zu gehen - wie eben "auch" die Chancen der Migration zu nutzen. Warum nicht schauen, ob es Fachkräfte gibt, die aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind oder Fachkräfte, die man aus dem Ausland holen kann. Viele Betriebe lehnen bei Anfragen oft noch ab, mag es vielleicht die Unsicherheit vor anderen Kulturen oder ausländischen Abschlüssen sein. Die Erfahrung zeigt, dass die Betriebe, die es versuchen, sehr gute Chancen haben, auch ausländische Fachkräfte zu finden.
Fachkräfte aus dem Ausland
Der Weg aus dem Ausland Fachkräfte nach Deutschland zu holen, ist trotz kürzlich beschlossenem Fachkräfteeinwanderungsgesetz immer noch kein einfacher Weg: Fachkraft im Ausland finden, ausländischen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen, Visumverfahren bei den deutschen Botschaften im Ausland und lange Wartezeiten. Warum nicht auf Migranten, die bereits in Deutschland sind, schauen. Nur wie findet man diese? Ein Weg: Sich beim Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit melden und Interesse an Fachkräften aus dem Ausland signalisieren. Jobcenter und Bundesagentur haben in den letzten Jahren und Monaten sehr stark ihre Teams schulen lassen und umstrukturiert - haben spezielle Teams, die sich ausschließlich auf die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt fokussieren.
Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt
Es gibt zwischenzeitlich auch viele andere Akteure, die sich um die Integration in Arbeit kümmern. So ist es sehr wahrscheinlich, dass Arbeitsmarktmentoren (in Leipzig bei Arbeit und Leben verankert, im Landkreis Leipzig bei der Caritas und im Landkreis Nordsachsen beim Landratsamt) in Betrieben anrufen und nach Bedarf an Fachkräften - oder denen, die es in Deutschland werden wollen - fragen. Hinter jeder Anfrage stehen Migranten, die Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt suchen.
Begleitung bis zur vollen Anerkennung
Oder es ruft - so wie im Fall der irbis Kälte- und Klimatechnik GmbH & Co. KG - Daniela Bensch, Mitarbeiterin des Zentrums für Aus- und Weiterbildung (ZAW) in Leipzig, an und fragt, ob ein Kältetechniker gesucht wird. Solche Angebote kennt Geschäftsführer Michael Tarrach kaum. Er ist es gewohnt, mühsam auf dem Arbeitsmarkt nach Fachkräften zu suchen oder selbst auszubilden. Aber dass jemand anruft und einen Kältetechniker "zu vermitteln" hat, kommt eigentlich nie vor. Daniela Bensch betreut seit über drei Jahren das Projekt "Anpassungsqualifizierung", welches über das IQ-Netzwerk Sachsen gefördert wird. Ziel ist es, Personen, deren Berufsabschluss in Deutschland nur teilweise anerkannt ist, über Anpassungsmaßnahmen zur vollen Anerkennung zu begleiten. Sie arbeitet dabei sehr eng mit Silke Lorenz von der Handwerkskammer zu Leipzig zusammen, die seit über sieben Jahren das Thema Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Handwerk betreut. Die Handwerkskammern sind zuständige Stellen für die sogenannten Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahren von handwerklichen Abschlüssen - jedes Jahr werden allein in der Handwerkskammer zu Leipzig rund 40 Bescheide ausgestellt.
Kein Neuling auf dem Gebiet der Kältetechnik
Im März 2017 erhielt Firas Brro von Silke Lorenz einen solchen Bescheid über die teilweise Gleichwertigkeit mit dem Beruf "Mechatroniker für Kältetechnik". Gemeinsam wurde ein Qualifizierungsplan aufgestellt. Brro lernte weiter intensiv die deutsche Sprache, wurde in ersten Fachkursen an der Sächsischen Kältefachschule in Reichenbach fit gemacht und besuchte einen Kupfer-Lötkurs. Ende 2017 war es dann soweit, dass Firas Brro einen Kältefachbetrieb „brauchte“, um endlich sein Können unter Beweis zu stellen. Dabei war er kein Neuling auf dem Gebiet der Kältetechnik. Er ist in Latakia, einer Küstenstadt in Syrien, geboren, hat dort ein technisches Abitur mit der Fachrichtung Kühl- und Klimatechnik und danach eine zweijährige Ausbildung an einem technischen Institut abgelegt. Über zehn Jahre hat er in seiner Heimatstadt als Berufsschullehrer gearbeitet und viele junge Menschen in der Kälte- und Kühltechnik unterrichtet. Doch dann kam der Bürgerkrieg, und die Flucht war die einzige Alternative. Seit drei Jahren wohnt Brro gemeinsam mit seiner Frau und drei Kindern in Grimma. Dort haben sie Freunde gefunden und erfahren viel Unterstützung. Seit Februar 2018 arbeitet der Familienvater bei der irbis Kälte- und Klimatechnik GmbH & Co. KG. Nach einer mehrwöchigen Probearbeit im Betrieb stand fest, dass eine Kombination von Arbeit im Betrieb und begleitender Anpassungsqualifizierung mit mehreren über das Jahr verteilten Fachkursen für den Betrieb und den Syrier ein erfolgversprechender Weg sein konnte.
Angekommen in Deutschland
Im Dezember 2018, ein Jahr nach Beginn der Maßnahmen, erhielt Firas Brro den Bescheid über die volle Gleichwertigkeit mit dem deutschen Berufsabschluss. Aber noch wichtiger war aus dem Gespräch zu hören: Brro ist angekommen in Deutschland, glücklich in seinem Beruf arbeiten zu können, dankbar ein so engagiertes Team im Unternehmen irbis gefunden zu haben. "Das sind die schönsten Termine, die ich habe, sagt Silke Lorenz, "zufriedene Betriebe und zufriedene Mitarbeiter. Solche positiven Geschichten motivieren nicht nur mich. Von Betrieben, die erfolgreich einen Migranten als Fachkraft in den Betrieb integriert haben, höre ich oft: Wenn Sie wieder so einen gut ausgebildeten Friseur, Kältetechniker, Kfz-Mechatroniker oder Elektroniker 'an der Angel' haben, dann denken Sie an uns."
Quelle: Deutsches Handwerksblatt 01/2019
Sprachkurse für ausländische Fachkräfte und Azubis
Azubis, die eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsgestattung (Syrien, Eritrea, Somalia, Iran und Irak) haben, haben die Möglichkeit kostenfrei einen berufs-/ausbildungsbegleitenden B2-Sprachkurs zu besuchen. Für bereits Beschäftigte ist die Teilnahme mit einer geringen Kostenbeteiligung verbunden. Derzeit gibt es noch freie Plätze für den Sprachkurs ab März 2019. Interessenten sollten sich zeitnah melden, da vorab noch die Beantragung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorgeschaltet ist. Anmeldungen nimmt die durchführende Sprachschule language coach institute entgegen. Ansprechpartnerin ist Kerstin Krause, Telefon 0341/3085506.
Fragen rund um die Unterstützung bei der Ausbildung und Beschäftigung von Migranten beantwortet Silke Lorenz in der Handwerkskammer zu Leipzig unter Telefon 0341/2188-363.