Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 04/2025Bugholzmöbel aus Großbothen

Tischlermeister Matthias Wenzel weckt alte Maschinen aus dem Dornröschenschlaf und produziert Einzigartiges im Leipziger Land.

Dampfsägewerk Großbothen

Ein Porträt von Anett Fritzsche.

Tischlermeister Matthias Wenzel weckt alte Maschinen aus dem Dornröschenschlaf und produziert Einzigartiges im Leipziger Land.

Matthias Wenzel ist ein Tischlermeister, dem man die Leidenschaft für sein Handwerk sofort anmerkt. Die spiegelt sich auch in seiner Arbeit wider. So hat er nicht nur das alte Dampfsägewerk bei Grimma wiederbelebt sondern gleich noch zum Industriedenkmal umgebaut. Dort kreiert er nun weltweit einzigartige Möbel. Die sogenannten Bugholzmöbel – vorrangig sind es derzeit Betten - bestehen aus massivem Holz und werden in einem aufwendigem Dampfverfahren aus einem Stück gebogen.
 

Wasserdampf zum Biegen

Das Ergebnis ist das sogenannte Bugholz, das dann zur Weiterverarbeitung zur Verfügung steht. 1830 entwickelte der Deutsche Michael Thonet nach jahrelangen Versuchen das Verfahren, Vollholz mithilfe von Wasserdampf zu biegen. Der Nachname dürfte Designliebhaber aufhorchen lassen, denn Thonet steht auch heute noch für die vom Gründer erfundenen typischen Wiener Kaffeehaus-Stühle sowie einige andere moderne Designklassiker. Zurück zum Verfahren: Geeignetes Vollholz wird über einen längeren Zeitraum in einer Kammer mit heißem Wasser bedampft, um es dann in eine Form zu spannen, in der es über mehrere Tage wieder trocknen muss. Doch dieses Verfahren birgt auch viele Probleme: hat das Holz nur leichte Strukturfehler oder wird der Vorgang nicht minutiös geplant und durchgeführt, kann es zu Holzrissen, Abrissen und sogar Brechungen kommen. Doch selbst wenn das gelingt, ist das nicht die Garantie dafür, dass man eine perfekt gebogene Form erhält, um die gängigen Qualitätsstandards zu erfül-len. Daher wurde auch im Dampfsägewerk Großbothen kontinuierlich an der Technik gefeilt und perfektioniert - so wie einst bei Michael Thonet.
 

Weltweit einziger Hersteller

Wenzel begann vor vielen Jahren sich mit dem Verfahren auseinanderzusetzen. Eine große Rolle spielte damals die Kartoffeldämpfe seines Opas. Er begann damit im Kleinen zu experimentieren, übertrug das Verfahren auf Möbel und stellt nun wunderschön geschwungene Einzelstücke als Betten und Nachttische her. »Das ist unsere Spezialität. Das gibt es auch tatsächlich weltweit nur einmal. Wir sind der einzige Hersteller von Bugholz-Betten«, so Wenzel. Bugholz hat den Vorteil, dass es ebenso stabil wie flexibel ist und somit nicht nur ein einzigartiges Design bietet, sondern äußerst langlebig ist. Wenzel ist dieser Nachhaltigkeitsgedanke wichtig – bei der umsichtigen Verarbeitung des lokalen Holzes ebenso wie beim fertigen Produkt. »Wenn man sich ein Bugholzbett kauft, hat man das für das ganze Leben«, so der Tischler.
 

Großer Erfahrungsschatz aus Österreich und Norwegen

Seine Erfahrung für die nun serienmäßige Produktion von Bugholzbetten in hoher Qualität hat er in verschiedenen Stationen, darunter fünf Jahre im Ausland, aufgebaut. Alles begann 2001 mit einer Tischlerlehre bei der Tischlerei Pfaff in Bad Lausick. Danach folgten diverse Stationen im Bereich Innenausbau, Kirchenbau, Bootsbau in Österreich und Möbelbau in Norwegen. 2009 kehrte Wenzel nach Leipzig zurück und absolvierte nur ein Jahr später erfolgreich seinen Abschluss der Meisterschule bei der Handwerkskammer zu Leipzig. Noch im gleichen Jahr gründete er eine Möbelfaktur in Göttwitz. 2016 bot sich ihm schließlich die Chance, das Dampfsägewerk von der Familie Spreer zu erwerben und seine Tischlerei zu vergrößern. Nach ersten Umbauten erfolgte dann 2018 der komplette Umzug der Möbeltischlerei nach Großbothen.
 

Industriedenkmal mit bewegter Geschichte

Auch das Dampfsägewerk hat so einige »Erfahrungen« im Lauf der Geschichte gemacht. 1909 wurde es als »Dampfsägewerk und Kistenfabrik« durch die Winkler und Spreer OHG in der Nähe des damaligen Bahnhofs Großbothen errichtet. Damals konnten die fünf Vollgattersägen, eine Horizontalsäge sowie mehrere Kreis- und Pendelsägen nur mit Hilfe einer 250 PS starken Dampfmaschine betrieben werden. Zu den besten Zeiten produzierten 70 Mitarbeitende vor allem Kisten für die Porzellanfabrik in Colditz. Nach einem Brand wurde das Werk nochmals erweitert und natürlich weitere Sägen angeschafft. Das bis heute erhalten gebliebene, 100 Jahre alte Exemplar der Firma Linck hat Matthias Wenzel wieder zum Laufen gebracht. Trotz der weiterhin wechselvollen Geschichte mit der Umwandlung in einen VEB-Betrieb im Jahr 1961 und der Rückgabe an die Familie Spreer 1991 sowie der Stilllegung seit der Jahrtausendwende war wie durch ein Wunder die Anlage inklusive vieler Maschinen nahezu komplett erhalten, als Matthias Wenzel sie übernahm. »Die Maschinen lagen, ebenso wie das gesamte Werk, im Dornröschenschlaf, als wir es 2016 gekauft haben«, erinnert er sich. Das Dampfsägewerk ist damit eine einzigartige, komplett erhaltene Anlage.
 

Führungen durch Industriedenkmal

Deshalb war es Wenzel auch nicht nur wichtig, den Ort als Industriedenkmal behutsam zu restaurieren. Gleichzeitig will er auch die Öffentlichkeit an dem besonderen Ort teilhaben lassen. So bieten er und seine Frau seit zwei Jahren gegen einen Unkostenbeitrag von fünf Euro für Erwachsene sowie 3 Euro für Kinder Führungen durch das Gebäude und über das Gelände an. Hauptattraktion dabei ist die teilweise im Original erhaltene Unterkellerung des Sägewerks und die Vollgattersäge aus dem Jahr 1925. Sie steht nach der aufwendigen Restauration durch Matthias Wenzel nun sogar fürs Schausägen zur Verfügung und wird teilweise auch zur »normalen« Produktion eingesetzt. Für die Führungen gibt es keine festen Termine. In der Regel wird das Werk zu Anlässen wie den »Europäischen Tagen des Kunsthandwerks« oder dem »Tag des offenen Denkmals« (14. September) geöffnet. Interessierte können sich dennoch jederzeit mit ihrem Terminwunsch bei Tischlermeister Wenzel dafür anmelden. Am einfachsten funktioniert das per Mail über info@dampfsaegewerk.de. Aber auch eine Anmeldung über den Instagram-Account »dampfsaege-werk_grossbothen« ist möglich.



 Dampfsägewerk Großbothen

 

Unternehmen im Fokus

Das Handwerk der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen bildet das Fundament der regionalen Wirtschaft. Verantwortungsvolle und clevere Unternehmer stehen mit ihren Namen für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Bandbreite des Wirtschaftsbereichs zu zeigen, werden unter der Überschrift »Unternehmen im Fokus« in unregelmäßiger Folge Unternehmen exemplarisch vorgestellt.

Dieser Artikel ist auch im Deutschen Handwerksblatt – Ausgabe der Handwerkskammmer zu Leipzig 04/2025 erschienen.

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Marco Kitzing

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