Medieninformation vom 29. April 2025Alarmsignal: Attraktivität des Wirtschaftsstandortes sinkt
Die Zufriedenheit der Unternehmen mit den regionalen Standortfaktoren in den größeren Städten Mitteldeutschlands hat in den letzten Jahren nachgelassen. Das zeigt die gemeinsame Standortumfrage der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern aus Leipzig und Halle (Saale).

Gemeinsame Pressemitteilung der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern Halle (Saale) und zu Leipzig
Gewerbliche Kammern aus Leipzig und Halle (Saale) stellen Umfrage vor
29. April 2025 | Die Zufriedenheit der Unternehmen mit den regionalen Standortfaktoren in den größeren Städten Mitteldeutschlands hat in den letzten Jahren nachgelassen. Das zeigt die gemeinsame Standortumfrage der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern aus Leipzig und Halle (Saale), die für insgesamt 147.000 Unternehmen in der Region stehen. Die vorgestellten Umfrageergebnisse zeigen: Gegenüber der Vorumfrage im Jahr 2019 sind viele Betriebe weniger zufrieden. Insbesondere die Zufriedenheitswerte für die Strom- und Gaspreise, für Gebühren und Steuern, für Genehmigungsverfahren und für die Verfügbarkeit von Fachkräften insgesamt sind zurückgegangen. Die durchschnittliche Gesamtbewertung der 26 hinsichtlich ihrer Qualität als Wirtschaftsstandort betrachteten Städte im Raum Leipzig-Halle sank nach Schulnoten ebenfalls von 2,7 auf 2,9.
»Die Krisen der letzten Jahre haben bei der Bewertung der Standortfaktoren vor Ort ihre Spuren hinterlassen«, ordnet der Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig Matthias Forßbohm die Ergebnisse ein. Unabhängig von regionalen Einflüssen seien die Rahmenbedingungen schlechter geworden und damit die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen in Gefahr. Bei der Bewertung der Bedeutung der einzelnen Faktoren gibt es nur wenige Änderungen. »Weiterhin hohe Relevanz haben Breitbandanbindung und Mobilfunkverfügbarkeit, Strompreise und Versorgungssicherheit, Gewerbesteuer, Verkehrsanbindung sowie allgemeine Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit«, so Forßbohm. Diese Standortfaktoren seien für mehr als zwei Drittel der Unternehmen wichtig. Die vorliegende Analyse stellt auch die gemessene Relevanz und die Zufriedenheit gegenüber – aus dieser Diskrepanz ergeben sich Hinweise auf Stärken und Schwächen der Standorte.
»Ein entscheidender Grund für das Sinken der Zufriedenheit dürfte in der Verschlechterung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der vergangenen fünf Jahre liegen, die mit einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und einer großen Verunsicherung in der Unternehmerschaft einherging«, bewertet Sascha Gläßer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, die Ergebnisse. Die neue Bundesregierung müsse hier schnell tätig werden. Auch unter dem Eindruck der internationalen Zollkonflikte gäbe es hier keine Schonfrist. »Die Herausforderungen bei Energiepreisen, Steuerbelastung, Arbeitskosten und Bürokratie sind bekannt«, so Gläßer. Aktuell sei festzuhalten, dass die mitteldeutschen Unternehmen im Durchschnitt mit dem Großteil der Standortfaktoren (29) »eher unzufrieden« sind und nur noch mit 17 Faktoren »eher zufrieden«. Vor fünf Jahren sei das Verhältnis mit 16 zu 31 Faktoren noch umgekehrt gewesen.
Zwei Themen sind den Kammerverantwortlichen dabei wichtig – auch weil es hier auffällige Verschlechterungen gab. So werden die Standortfaktoren »Verfügbarkeit von Facharbeitern/Meistern« und »Verfügbarkeit von Arbeitskräften ohne Ausbildung« merklich schlechter als 2019 bewertet. Im Durchschnitt sind die Unternehmen damit »eher unzufrieden«. Das liege zum einen an der demografischen Entwicklung, führt Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle (Saale) aus – aber auch an einer Unwucht im deutschen Steuer- und Sozialsystem, welches Arbeitsanreize verringere. Arbeit müsse deutlich attraktiver als Nichtarbeit sein, und eine gute Ausbildung müsse sich finanziell lohnen. Wenn es zudem endlich gelänge, die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Sektor durch Bürokratieabbau zu verringern, könnten diese freiwerdenden Arbeitskräfte den Personalmangel in der wertschöpfenden Wirtschaft abmildern. Gleichzeitig werde durch Bürokratieabbau die Arbeitszeit produktiver genutzt.
Das andere Thema, welches die mitteldeutschen Unternehmen und Kammern umtreibt, sind die gestiegenen Standortkosten. »Ob Grundsteuer, Energiepreise oder Gebühren – überall gibt es deutliche Steigerungen in den letzten Jahren«, erläutert Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig. Zwar gab es in den vergangenen Jahren auch externe Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg, die zu Belastungen führten, dennoch liegen die maßgeblichen Gründe der Kostensteigerungen in strukturpolitischen Versäumnissen der Politik. Die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Unternehmen habe darunter stark gelitten. »Grundsätzlich sprechen die Ergebnisse unserer Langzeiterhebung zur Standortzufriedenheit eine deutliche Sprache: Der wirtschaftliche Puls schwächt sich weiterhin ab – auch wenn dies in der öffentlichen Wahrnehmung nicht überall angekommen ist. Wirtschaft muss endlich wieder Priorität haben, auf allen politischen Ebenen. Sonst zahlen wir bald den Preis für politisches Zögern – gesellschaftlich wie wirtschaftlich.« Darin waren sich abschließend alle Kammer-Präsidenten einig.