Berufseinstieg mit BOF funktioniert!

 

Die Handwerkskammer zu Leipzig bietet in Kooperation mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung eine vertiefte Berufsorientierung für junge Geflüchtete und Zugewanderte an. Im Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)" werden sie in zwei Phasen schrittweise auf eine Ausbildung vorbereitet und kontinuierlich begleitet."

 Hier klicken für Detailinfos zum BOF-Projekt.Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF)

 

 
 

Interview mit BOF-Teilnehmer Abas Aljaseem (BOF-Teilnehmer 2022)

Was hast du beruflich gemacht, bevor du nach Deutschland kamst?
Ich bin 2015 aus Syrien über die Türkei nach Deutschland geflohen. In meiner Heimat hatte ich zuvor nach dem Abitur als Schneider gearbeitet. Zweieinhalb Jahre war ich zudem bei der Armee. In der Türkei habe ich mich als Lkw-Fahrer durchgeschlagen.
 

Wie bist du auf das BOF-Projekt aufmerksam geworden?
Ich wollte unbedingt eine Ausbildung machen. In welchem Bereich wusste ich aber noch nicht genau. Ich habe kurz überlegt, ob ich weiter als Schneider arbeiten kann, aber es gibt keine Textilindustrie mehr in Leipzig. Meine Sachbearbeiterin beim Jobcenter hat mich dann an die Handwerkskammer vermittelt. Dort habe ich Herrn Barhdadi kennengelernt, der mir von den Berufsmöglichkeiten erzählte.

Wie lief das BOF-Projekt für dich ab? Wie bist du zu einem Ausbildungsbetrieb gekommen?
In den ersten drei Monaten hatten wir Unterrichtseinheiten mit einer guten Kombination zwischen Theorie, Praxis und Deutsch. Damit konnte ich vieles lernen, Fehler machen, Ausbilder fragen und neue Freunde kennenlernen. Mein erstes Praktikum hat anderthalb Monate ein Praktikum bei der Elektrikerfirma NAT Neuberger Anlagen-Technik AG gedauert, die zu dieser Zeit viel im Leipziger BMW-Werk zu tun hatten. Danach bin ich zur Firma Preiß Elektroanlagen gekommen. Nach zwei Wochen Praktikum habe ich dort meinen Ausbildungsvertrag unterschrieben. Das war 2018.

Abas Aljaseem. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Hättest du das auch ohne das Projekt geschafft?
So einfach hätte das auf keinen Fall geklappt. Ich hatte es ja vorher schon einige Zeit alleine versucht. Da habe ich nie eine Antwort von den Firmen auf meine Bewerbungen erhalten. Die ganze Vorbereitung im Bildungs- und Technologiezentrum hat sich am Ende gelohnt.

Was hat dir besonders geholfen?
Richtig gut war der Vorbereitungskurs für die Berufsschule. Der hat mir wirklich sehr geholfen. Man muss bedenken: Bei mir lag die Schulzeit über zehn Jahre zurück. Außerdem hatte ich keine Mathe in meinem Abitur, deshalb war der Kurs wirklich wichtig. Aber auch später, während der Ausbildung, hat mir die Handwerkskammer immer geholfen, wenn ich Fragen hatte.

Wie gefällt es dir in deinem Ausbildungsbetrieb?
Ich kann mich überhaupt nicht beklagen. Klar, am Anfang gab es einen Kollegen, der ein bisschen ängstlich im Umgang mit mir war, weil er meine Kultur nicht kannte. Aber das legte sich schnell. Dafür war mein Chef von Anfang an sehr verständnisvoll. Er half mir bei ganz vielen Dingen. Das Problem war auch nicht der Betrieb, sondern die Berufsschule – vor allem im ersten Lehrjahr.

Was für Probleme hattest du?
Das große Problem war damals die Sprache. Sie war einfach nicht gut genug. Manchmal wusste ich am Ende einer Unterrichtsstunde nicht, was überhaupt das Thema war, das wir gerade besprochen hatten. Damals habe ich oft daran gedacht, zu kündigen. Nachts lag ich da und dachte: morgen gehe ich nicht mehr hin. Ich bin am falschen Ort, ich gehöre da nicht hin. Das lag aber alles an meinen fehlenden Sprachkenntnissen. Ich habe mir dann überlegt, wie ich es ändern kann.

Wie hast du das angestellt?
Ich habe angefangen mir alles aufzuschreiben, was ich im Unterricht nicht verstanden hatte. Jeden einzelnen Begriff. Das habe ich mir dann alles abends zu Hause übersetzt. Dazu habe ich sehr viel Youtube geguckt. Dort gibt es den Unterricht aus der Berufsschule auf Arabisch. Im dritten Lehrjahr ging das dann aber nicht mehr.

Was hatte sich geändert?
Damals wurde mein Sohn geboren und ich hatte weniger Zeit, abends zu Hause zu lernen. Einige Wochen vor meiner Abschlussprüfung bekam ich zudem leider Corona. Es war richtig schlimm. Ich war sogar im Krankenhaus. Als ich wieder zu Hause war, fiel mir das Lernen sehr schwer, weil ich so schwach war. Die Prüfung war eigentlich gar nicht so hart, aber ich bin trotzdem durchgefallen.

Abas Aljaseem. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Wie fühltest du dich damals?
Grauenvoll. Als das Ergebnis von der Prüfungskommission kam, war ich am Boden zerstört. Ich habe meinem Chef mitgeteilt, dass ich an dem Tag nicht weiterarbeiten kann und mir erstmal zwei Tage frei nehme, um zu überlegen, wie es weiter geht.

Hat der Betrieb dich auch nach der vergeigten Prüfung weiter unterstützt?
Zum Glück, ja. Eine Woche danach haben wir den Ausbildungsvertrag verlängert. Gut war, dass die Berufsschule einen Extra-Kurs für die Nachholprüfung angeboten hat. Dort waren wir nicht mit den anderen Lehrlingen zusammen. Stattdessen konnte jeder für sich die Bereiche üben, in denen er durchgefallen war. Zusätzlich habe ich noch meinen Urlaub vor der Prüfung genommen, um mehr lernen zu können. Es hat funktioniert: Ich habe insgesamt mit 85 Prozent bestanden. Jetzt kann ich mir auch vorstellen, in ein paar Jahren meinen Meister zu machen.

Würdest du die Möglichkeit der Berufsorientierung weiterempfehlen?
Auf alle Fälle. Immer wenn ich neue Freunde treffe, die noch nicht wissen, was sie machen wollen, erzähle ich ihnen von dem Projekt. Viele haben aber ein bisschen Angst vor dem Anfang in den Betrieben, dass sie auf der fremden Sprache etwas nicht richtig verstehen. Aber ich sage dann: In einem Industrieland wie Deutschland braucht man einen Abschluss, ohne Ausbildung hat man hier keine Chance auf eine gute Karriere.
 

 

 
 

Interview mit Steffen Preiß, Geschäftsführer der Preiß Elektroanlagen GmbH

Wie sind Sie auf das BOF-Projekt aufmerksam geworden?
Vor Abas hatten wir schon mal einen Lehrling aus Bulgarien. Um einige behördliche Fragen abzuklären, kam ich damals über die Handwerkskammer in Kontakt mit Herrn Barhdadi. Viele Monate später fragte er mich, ob ich bereit wäre, einen weiteren Kandidaten auszubilden.

Fiel Ihnen die Entscheidung leicht, jemanden mit Migrationshintergrund auszubilden?
Ich habe da keine Berührungsängste. Wir hatten schon Neuseeländer in der Firma, Russen, Bulgaren. Einmal hat sich sogar ein Peruaner beworben, auch wenn das dann nichts wurde. Für uns geht es darum, überhaupt willige Lehrlinge zu finden. Das ist wichtig, wir als Firma haben immer ausgebildet.

Abas Aljaseem und Steffen Preiß. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Ist Abas der erste Mitarbeiter mit arabischem Migrationshintergrund?
Nein. Bis vor einem Jahr hatten wir teilweise bis zu fünf arabisch-stämmige Arbeiter. Zwei Marokkaner, zwei Syrer und ein Libyer. Die deutschen Mitarbeiter haben dann aber klar gesagt, dass das Verhältnis nicht zu sehr kippen darf.

Wie meinen Sie das?
Zu unseren Dienstleistungen gehören auch automatische Parkanlagen. Wenn es bei solchen Aufträgen zu Missverständnissen oder Kommunikationsproblemen kommt, kann das ganz übel ausgehen. Außerdem haben wir einfach schlechte Erfahrungen mit der Arbeitseinstellung gemacht. Einer hatte auf der Baustelle getrunken, ein anderer hat sich ständig mit den Kollegen gestritten und wollte manche Arbeiten nicht ausführen. Zum Glück ist Abas da völlig anders.

Wie würden Sie ihn beschreiben?
Er ist von seinem Wesen eher ruhig. Aber wenn er etwas möchte, kann er sehr bestimmend sein. Bei seiner ersten Eingruppierung in unsere Lohnstruktur hat er wie auf dem arabischen Basar gefeilscht, das traut sich kaum ein deutscher Mitarbeiter. Aber das finde ich völlig okay, solange er seine Arbeit macht.

Gibt es Probleme durch die kulturellen Unterschiede?
Wir hatten mal eine Veranstaltung in der Handwerkskammer, wo Herr Barhdadi uns erklärte, auf welche kulturellen Unterschiede wir uns einstellen müssen. So sagen viele Araber immer "ja, ja, ja", auch wenn sie nichts von der Anweisung verstanden haben, die sie ihnen gerade gegeben haben, weil sie nicht unhöflich wirken möchten. Dann rennen sie los und machen irgendetwas. Das geht natürlich schief.

Wie klappt die Verständigung mit Abas?
Meistens klappt es ganz gut. Auch wenn er immer noch mehr nachfragen könnte. Abas ist aufgrund sprachlicher Probleme beim ersten Versuch durch seine Gesellenprüfung gefallen.

Wie beurteilen Sie den Schwierigkeitsgrad der Berufsschule für Nicht-Muttersprachler?
Das Problem liegt für mich bei der Berufsschule. Ich frage mich: Wollen wir Fachkräfte haben, oder nicht? Abas hat seine Prüfung nicht bestanden, weil er sich erst alles übersetzen musste, in einem schwierigen Fachdeutsch, wo einem kein Sprachkurs etwas hilft – und hat dadurch zu viel Zeit verloren und ist am Ende nicht fertig geworden. Teilweise waren auch manche Antworten falsch, weil er die Fragen nicht richtig verstanden hat.

Was würden Sie anders machen?
Die Schule sagt, wir sind in Deutschland, also gibt es keine Übersetzungen. Ich sehe das pragmatischer. Ich wäre dafür, dass ausländische Azubis die Fragen als Übersetzungen erhalten und dann auf Deutsch antworten müssen. Sonst hat niemand etwas davon.

Haben Sie trotzdem weiter an ihn geglaubt? Wie lief das Jahr danach ab?
Irgendwann gab es den Termin für die Nachprüfung. Da hat die Berufsschule angeboten, dass Abas jeden Freitag in den Unterricht kommt und das nacharbeitet, wo es vorher gefehlt hat. Er hat dann sogar vor der Prüfung seinen kompletten Jahresurlaub genommen, um zu lernen – und dadurch hat er es geschafft. Er war sogar einer der besten Gesellen in seinem Jahrgang. Für uns war aber sowieso die ganze Zeit klar, dass wir ihn übernehmen wollen.

Wie reagieren die Kunden auf ihn?
Bislang hat Abas noch nicht allzu viele Kundendienste übernommen. Bei anderen arabischen Kollegen hatten wir aber schon den Fall, dass die Kunden sie nicht reingelassen haben, weil sie dachten, das wären Einbrecher.
 

Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer?
Es wurde ein paar Mal bei uns nachgefragt, wie es läuft. Außerdem konnten wir uns immer melden, wenn wir Fragen hatten, beispielsweise zu einem Visum oder einer Arbeitserlaubnis.

Würden Sie das BOF-Projekt an andere Betriebe weiterempfehlen?
Auf alle Fälle. Ich erinnere mich noch ganz genau an die erste Veranstaltung bei der Handwerkskammer, auf der uns das Projekt vorgestellt wurde. Da waren auch einige Syrer dabei, die bereits in deutschen Handwerksbetrieben arbeiteten. Da hat man richtig gemerkt, wie die Luft knistert. Die hatten Bock, etwas anzupacken. Solche Leidenschaft findet man unter deutschen Jugendlichen fast nirgendwo mehr. Das Projekt ist deshalb eine große Chance für unsere Handwerksbetriebe.
 

Abas Aljaseem und Steffen Preiß. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz
 

 

 
 

Interview mit BOF-Teilnehmer Mohammed Obed und Georg Brückner, Geschäftsführer der Innenbau und Design GmbH

Was hat Sie motiviert, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund einzustellen?
Brückner: Ich bin christlich geprägt, offen und engagiere mich unter anderem im Verein "Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen". Das Tischlerhandwerk ist attraktiv. Eigentlich habe ich keine Probleme, Mitarbeiter und Auszubildende zu finden. Es ist mir einfach ein Bedürfnis, Menschen, egal welcher Herkunft, eine Chance zu geben. Schon 2007 beschäftigte ich einen Mitarbeiter aus der Sowjetunion. Später kam ich über die Handwerkskammer und das Netzwerk "Integration durch Qualifikation" an einen Meisterschüler aus Kasachstan. Seither arbeiteten hier Praktikanten, Auszubildende, Meisterschüler und Gesellen aus Griechenland, Ghana, dem Iran und Syrien. Diese Vielfalt und das Miteinander sind für mich und meine Mitarbeiter bereichernd.

Welche Vorteile sehen Sie für Handwerksbetriebe im BOF-Projekt der Handwerkskammer?
Brückner: Durch das BOF-Projekt und dessen Orientierungsangebot im Bildungs- und Technologiezentrum bekommt man Auszubildende, die schon eine gewisse Vorbildung im Tischlerhandwerk genossen haben: Menschen, die wissen, was sie wollen und ausschließen konnten, was sie nicht wollen. Oft sind Menschen mit einer Fluchtvergangenheit von vorn herein ganz anders motiviert, da sie sich hier in Deutschland eine Zukunft aufbauen wollen. Viele haben in ihrer Heimat auch schon als Tischler gearbeitet. Ich kann Unternehmen nur ermutigen, Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu beschäftigen.

Haben Sie auch schlechte Erfahrungen gemacht?
Brückner: Für mich gab es in all den Jahren keine Probleme, die ich mit einem deutschen Facharbeiter nicht auch gehabt hätte. Meine ausländischen Mitarbeiter kann ich überall einsetzen. Sollten Kunden ein Problem mit meinen Mitarbeitern haben, habe ich ein Problem mit meinen Kunden. Alltag und Arbeit gepaart mit Anerkennung und Entlohnung ist, meiner Meinung nach, der beste Weg für eine gelungene Integration.

Mohammed Obed und Georg Brückner. Bild: Anika Dollmeyer
Anika Dollmeyer

Wie bist du zu deinem Traumberuf Tischler gekommen?
Obed: Ich wusste immer, dass ich handwerklich arbeiten möchte, am liebsten mit Holz. Das BOF-Projekt in Borsdorf gab mir die Chance, meinen Berufswunsch zu festigen und mich auszuprobieren. Ich habe mich in den Fliesenleger-, Trockenbau-, Maurer- und Elektronikwerkstätten ausprobiert. Für das Praktikum hat mich die Handwerkskammer an den Betrieb "Innenbau und Design GmbH" vermittelt. Hier habe ich ein vierwöchiges Praktikum absolviert. Danach habe ich bei einem Tischlermeister im selben Betrieb eine Einstiegsqualifizierung und die dreijährige Berufsausbildung zum Tischler gemacht. Nun bin ich Geselle und habe eine Festanstellung.

Wie war das mit der Sprache?
Obed: Ich konnte kein Deutsch, als ich 2017 aus Syrien nach Deutschland gekommen bin. Dann bin ich am Vormittag zur Berufsschule, und abends zur Sprachschule gegangen. Nachts habe ich gelernt. Das war hart, aber ich hatte ein Ziel. Die Lehrer haben sich bemüht, mir die Dinge in einfacher Sprache zu erklären. Wörter, die ich nicht verstanden habe, habe ich zu Hause gegoogelt. Für Fachbegriffe, die ich nicht verstanden habe, habe ich mir im Internet Bilder zur Erklärung gesucht. Ich habe auch von meinem Meister gelernt: "Wenn man etwas verstehen möchte, muss man zwischen den Zeilen lesen und nicht die Zeilen selbst."

Wie hat sich Deine Persönlichkeit entwickelt?
Obed: Durch die Ausbildung bin ich selbstbewusst geworden und stolz auf das, was ich erreicht habe. Mit meinem Gesellenstück, einer Betttruhe aus massivem Holz, habe ich sogar den dritten Platz des sächsischen Gestaltungswettbewerbs der Tischlergesellen "Die Gute Form" belegt. Mein nächstes Ziel soll die Meisterausbildung sein.

Was sagt deine Familie?
Obed: Meine Eltern sind sehr stolz auf mich und freuen sich, dass ich so weit gekommen bin. Aber die Ausbildung habe ich nur für mich und meine Zukunft gemacht. Ich komme mit dem Rad zur Arbeit. Wenn ich nach Feierabend nach Hause komme, freue ich mich auf ein Bier und eine Kippe. Freunde und Familie sagen, dass ich sehr "deutsch geworden" ("alman desi") bin.

BOF-Projekt: Mohammed Obed, Tischlergeselle. Bild: Anika Dollmeyer
Anika Dollmeyer

 

 

 
 

Interview mit BOF-Teilnehmer Alaa Kaloush (BOF-Teilnehmer 2022)

Seit wann lebst du in Deutschland?
Ich bin 2017 nach Deutschland gekommen. Meine Heimat ist der Libanon. Dort habe ich als Verkäufer gearbeitet, in einem Fachgeschäft für Kleidung und Schuhe.

Wie bist du auf das BOF-Projekt aufmerksam geworden?
Nach meiner Ankunft habe ich als erstes einen Sprachkurs absolviert. Danach wollte ich arbeiten gehen, dafür fehlte mir aber die Erlaubnis. Also versuchte ich, eine Ausbildung zu finden. Ich hatte mich auch in einigen Salons beworben, aber ohne Erfolg. Dann erzählte mir jemand bei der Arbeitsagentur vom BOF-Projekt bei der Handwerkskammer. Das klang vielversprechend für mich.

Wie hat es dir dort gefallen?
Ich mochte, dass man dort in verschiedene Berufe hineinschnuppern kann. Ich habe mich als Kfz-Mechatroniker versucht, als Elektriker und Maler und Lackierer. Für mich war aber schnell klar: Friseur passt am besten zu mir.

Was hat dir an dem Projekt besonders geholfen?
Am Projekt hat mir fast alles geholfen. Ich konnte jeden Tag für acht Stunden, fünf Mal pro Woche praktische Übungen machen, Grundlagen in der Theorie lernen und üben. Besonders war für mich das Bewerbungstraining! Ich wusste nicht, wie man eine gute Bewerbung in Deutschland schreibt. Dafür gab es sogar einen extra Lehrer, der uns alles haarklein erklärt und gezeigt hat. Wo die Fotos hinkommen und was in ein Anschreiben gehört, solche Details. Außerdem hat sich durch das Projekt auch mein Deutsch wesentlich verbessert.

Wärst du ohne das Projekt heute da, wo du bist?
Auf keinen Fall. Man muss sich nur meine Situation damals ansehen. Ich durfte mit meinem Aufenthaltsstatus keine eigene Wohnung suchen. Also musste ich im Heim in Zchortau bleiben. Teilweise war ich zwei Stunden unterwegs, bis ich in Borsdorf bei der Handwerkskammer ankam. Ich durfte auch keinen Führerschein machen, was sicherlich bei der Jobsuche geholfen hätte. Ich konnte nicht mal einen Handyvertrag abschließen. Es fühlte sich an, als würde ich nicht zur Gesellschaft gehören. Vielen, die in die Illegalität abrutschen, geht es genauso. Sie haben auch kaum eine andere Chance, wenn sie kein Ziel vor Augen haben, auf das sie hinarbeiten.

Alaa Kaloush. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Dein Ziel war eine Ausbildung zu finden. Wie hat das geklappt?
Nach dem Bewerbungstraining hatten wir die Aufgabe bekommen, eigene Bewerbungsmappe zu nehmen, sich selber zu dem Friseursalon zu gehen und sich für ein Praktikum zu bewerben. Bei mod's Hair hatte ich dann zuerst eine Zusage. Nach meinem zweiten Praktikum wurde ich gefragt, ob ich mir Ausbildung bei ihnen vorstellen könne. Es war dann aber erstmal ein Riesenakt überhaupt die Ausbildungserlaubnis zu bekommen. Bis ich alle Papiere zusammen hatte, vergingen Wochen.

Wie gehen die Kollegen mit dir um?
Das Team ist sehr nett. Wir machen auch außerhalb der Arbeit viel zusammen. Es herrscht ein richtiger Zusammenhalt untereinander. So kannte ich es aus dem Libanon von meinem alten Job auch. Alle sind wirklich hilfsbereit, wenn ich etwas nicht weiß, egal ob es um Techniken oder die Sprache geht.

Wie fandest du die Berufsschule? Fiel es dir schwer alles zu verstehen?
Das erste Jahr war wirklich schwierig. Abends musste ich mich regelmäßig nochmal hinsetzen und den Stoff wiederholen, weil ich tagsüber nicht alles verstanden hatte. Ab dem zweiten Jahr wurde es besser. Dazu kam aber, dass der Friseurberuf für mich komplettes Neuland war, vom dem ich null Ahnung hatte.

Wie hast du das Handwerk gelernt?
Grundsätzlich ist es nicht einfach, mit Mitte 30 noch einmal Lehrling zu sein – und ständig nachfragen zu müssen. Ich habe lange überlegt, ob dass das richtige Schicksal für mich ist. Anfangs habe ich einfach Freunde gefragt, ob sie Modell für mich sein wollen. Nach der Zwischenprüfung durfte ich dann langsam meine ersten eigenen Kunden bedienen. Als die ersten zu mir wiederkommen wollten, war das ein Riesenkompliment für mich.

Wie waren sonst die Reaktionen der Kunden auf dich?
Anfangs waren schon einige ängstlich, das merkte man. Ich hatte das Gefühl, sie mögen keine Ausländer und wissen nicht, was ich hier überhaupt im Salon mache – schließlich sehe ich mehr nach Barber-Shop aus. Dazu kam die Sprache. In den ersten Wochen haben viele Kunden mit mir geredet und ich habe überhaupt nicht verstanden, was sie gesagt haben. Ich wusste auch nicht, über welche Themen ich mit ihnen plaudern sollte, wie man überhaupt ein Gespräch richtig beginnt. Das hat viel Mut gekostet, mich dabei zu überwinden.
 

Was planst du für die Zukunft?
Zum ersten Mal kann ich jetzt einfach meiner eigentlichen Arbeit nachgehen, ohne Sprachschul-Termine oder Berufsschul-Verpflichtungen. Trotzdem möchte ich weiterkommen – und meinen Meister irgendwann machen. Aber erstmal brauche ich noch ein paar Jahre Berufserfahrung.

Würdest du die Möglichkeit der Berufsorientierung weiterempfehlen?
Auf alle Fälle! Obwohl wir während durch das Projekt auf die Berufsschule und den Arbeitsalltag gut vorbereitet wurden, empfand ich die sechs Monate ein bisschen zu lang. Alleine die Fahrten nach Borsdorf waren schon eine Herausforderung.
 

Alaa Kaloush. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

 

 

 
 

Interview mit Anke Fischer Geschäftsführerin Anke Fischer/ mod's hair

Wie sind Sie auf das BOF-Projekt aufmerksam geworden?
Ich kannte das Projekt zunächst überhaupt nicht. Alaa Kaloush stand eines Tages in unserem Salon, in der Hand seine Bewerbungsunterlagen. Er suchte damals nach einem Praktikumsplatz. Er sprach kaum, trotzdem haben wir uns dann in der Woche drauf zum Kennenlernen verabredet. Bei diesem Termin war auch jemand von der Handwerkskammer dabei, der mir das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" vorstellte.

Warum wollten Sie Alaa diese Chance geben?
Wir konnten uns damals kaum verständigen, weil sein Deutsch (B1 Niveau) so schlecht war. Aber er war mir von Anfang an sympathisch. Es hat einfach menschlich gepasst. Nach seinem zweiten Praktikum haben wir gemeinschaftlich als Team entschieden: Alaa soll bei uns seine Ausbildung machen.

Alaa Kaloush und Anke Fischer. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Wie lief der Übergang?
Eigentlich sollte er damals im August bei uns anfangen, aber das ging nicht, weil er keine Ausbildungserlaubnis hatte bzw. eine Duldung hatte und in einem anderen Landkreis angemeldet war. Das war ein echter Kampf. 

Wie haben Sie als Betrieb reagiert?
Wir mussten uns sehr hinter die Sache klemmen, haben viel mit der Ausländerbehörde gesprochen. Das Problem war: Alaa lebte damals noch nicht in Leipzig, sondern wollte erst herziehen, was bürokratisch eine Katastrophe war. Nach einigen endlosen Wochen hat es dann aber doch funktioniert.

Fiel Ihnen die Entscheidung leicht, einen Azubi mit Migrationshintergrund auszubilden?
Wir hatten in den vergangenen Jahren überhaupt keine Bewerbungen mehr. Außer dieses Jahr, wo wir mal Glück hatten. Deshalb waren wir sofort offen, als Alaa sich bei uns vorstellte. Für uns war es eine Premiere. Wir haben immer viel ausgebildet, aber bislang nur deutsche Lehrlinge. Entscheidend für mich war zu sehen, wie die Kunden reagieren.

Wie waren die Reaktionen?
Fast ausnahmslos positiv. Klar: Am Anfang hat man gemerkt, es ist für manche ein ungewohntes Bild. Ein Mann mit Bart, der fremdländisch aussieht. Aber durch seine Art hat Alaa diese Vorurteile schnell zerstreut.

Wie würden Sie Alaa beschreiben?
Er ist sehr höflich und zurückhaltend. Außerdem strahlt er viel Ruhe aus, was uns auch die Kunden von Anfang an gespiegelt haben. Das passt hervorragend zu unserem Salon-Konzept. Wir wollen, dass sich die Kunden bei uns entspannen können. Alaa passt deshalb perfekt zu uns.

Welche Probleme gab es durch die Sprachbarriere?
Meistens hat unsere Kommunikation eigentlich ganz gut funktioniert. Alaa hat am Anfang schon viel verstanden, war aber gehemmt im Sprechen. Das hat sich mittlerweile gegeben. Er hat seine Scheu verloren, die auch ein bisschen kulturell bedingt war. Er musste erst lernen, sich mit Menschen zu unterhalten, die ihm fremd sind. Und er musste seine Hemmungen ablegen, Fehler in der deutschen Sprache zu machen. Alaa ist da sehr perfektionistisch. Deshalb hat er anfangs auch wenig gesprochen.
 

Anke Fischer und Alaa Kaloush. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Hatte er Probleme mit der Berufsschule als Nicht-Muttersprachler?
Inhaltlich hatte er keine Probleme. Er hat ja auch alle Prüfungen beim ersten Mal bestanden. Aber die Sprache hat ihm trotzdem viel Kopfzerbrechen bereitet. Da müsste generell etwas in den Berufsschulen passieren. Es werden schließlich immer mehr Auszubildende werden, die keine Muttersprachler sind. Da muss vor allem am Tempo des Unterrichts geschraubt werden. Alaa erzählte mir, dass er gerade im ersten Lehrjahr nur damit beschäftigt war, die Fachbegriffe zu übersetzen und sich gar nicht auf den Inhalt konzentrieren konnte.

Stand für Sie fest, dass Sie Alaa im Anschluss übernehmen? 
Ja, das war für uns schon lange klar. Im dritten Lehrjahr hatte er bereits begonnen, sich seinen eigenen Kundenstamm aufzubauen. Wir bilden als Betrieb grundsätzlich immer aus, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, die wir dadurch ein Stück weit formen können.

Wie empfanden Sie die Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer beim BOF-Projekt?
Ehrlich gesagt gab es wenig Zusammenarbeit. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Mal zwischendurch einfach die Frage: Wie läufts bei euch? Wir hatten zwar einmal ein Seminar bei der Handwerkskammer, wo wir uns mit Herrn Barhdadi austauschen konnten, aber hätten wir uns nicht proaktiv um diese Veranstaltung bemüht, hätten wir nichts gehört. Positiv hingegen war der Sprachkurs, der während der Ausbildung angeboten wurde.

Sehen Sie eine Chance darin, den Fachkräftemangel im Handwerk mit Lehrlingen mit Migrationshintergrund abzufangen?
Ich glaube, wenn es mehr solcher Projekte geben und diese noch besser kommuniziert würden, müsste niemand mehr Auszubildende suchen. Viele Jugendliche, die nach Deutschland kommen, wissen ja gar nicht, dass sie eine Ausbildung machen können. Dabei ist das eine Riesenchance für sie, um bleiben zu dürfen. Für Alaa beispielsweise war es die einzige Möglichkeit, dass er überhaupt arbeiten durfte. Allerdings war er auch schon Mitte 30 als er zu uns kam und wusste, was er wollte. Jemand, der hier als Jugendlicher, vielleicht sogar ohne Familie ankommt, braucht viel mehr Betreuung.

Kann das ein Betrieb leisten?
Wir können nicht rund um die Uhr betreuen, das kann auch nicht unsere Aufgabe sein als Arbeitgeber. Wir müssen ja schließlich den Betrieb am Laufen halten. Dafür braucht es eine weitere Anlaufstelle, die vermittelt bei Hürden und Problemen. Das könnte beispielsweise die Handwerkskammer sein.
 

 

 
 

Interview mit BOF-Teilnehmer Mohammad Kher Safy (BOF-Teilnehmer 2022)

Wie bist Du auf das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) aufmerksam geworden?
Meine Familie und ich sind Geflüchtete aus Syrien. In Passau war es schwierig für mich, vor allem zur Zeit der Corona-Pandemie, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ein Freund meines Vaters hat mir dann die Handwerkskammer zu Leipzig als Kontakt empfohlen. Nach einem Beratungsgespräch in Leipzig bin ich dann zu dem Projekt BOF gekommen.

Hast du mehrere Fachrichtungen im BOF-Projekt ausprobiert?
Ich konnte mich während des BOF Projektes in den Berufsfeldern Metallbau, Elektroniker und Kfz-Mechatroniker betätigen und diese kennenlernen. Dieser Teil des Praktikums hat mir besonders gefallen.

Mohammed Kher Safy. Bild: lookbook.photo
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Was hast du während des Projekts gelernt? 
Da mein Vater schon als Kfz-Mechatroniker arbeitet, hatte ich im Vorfeld schon Einblick in dieses Berufsfeld und konnte mich schnell hierfür begeistern. Vor allem das Wissen zu den verschiedenen Reifenmodelle und -breiten war neu für mich. Ebenso die diversen Anforderungen an das jeweilige Pkw-Modell und Felgengröße. Im theoretischen Teil konnte ich bereits das mit meinem Hauptschulabschluss erworbenes Wissen im Bereich Mathematik erweitern.  

Hat dir das Praktikum geholfen, einen Einblick in den Berufsalltag zu bekommen?
Ich fand die verschiedenen Praktika ideal, um sich selbst zu testen und sich für seine eigenen Fertigkeiten und Wünsche an das zukünftige Berufsleben zu sensibilisieren. Neben fachlichem Input wurden auch die eigenen "Softskills", wie Ordnung, Sauberkeit und Pünktlichkeit, vermittelt und gefestigt. Dies hilft mir nun sehr beim Integrieren in das Kollegenteam während meiner Ausbildung in Deutschland.

Für welche Fachrichtung hast du dich während des Projektes entschieden?
Schnell war klar, dass die Arbeit mit Holz oder im Elektrobereich nicht so meines ist und die Arbeit an Autos meine Zukunft werden soll. Ich bin auch etwas stolz im gleichen Beruf wie mein Vater zu arbeiten. Auch wenn die Idee und Anstoß für die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker von Papa kommt – so ist es doch mein eigener Traum dieses Ziel zu erreichen. Es macht Spaß daheim mit Papa am Essenstisch über das Thema Auto zu unterhalten und verschieden Anregungen und Tipps für Problemlösungen zu bekommen.

Wie war deine Praktikumszeit?  
Die erste Zeit war etwas schwierig für mich, da alles neu war. Aber das Team von Auto Saxe NL hat mich schnell aufgefangen und unterstützt und ich konnte vieles Neues lernen. Ich habe mich angestrengt und habe am Ende meines Praktikums und Einstiegsqualifizierung eine Zusage für einen Ausbildungsplatz bekommen. Das war eine große Freude für mich.

Welche Herausforderungen siehst du für dich während deiner Ausbildung?
Die verschiedenen Bereiche der theoretischen Ausbildung und praktischen Ausbildung zeitlich unter einem Hut zu bekommen ist etwas stressig. Tagsüber in der Werkstatt zu arbeiten und am Abend oder Wochenende zu Hause dann noch für die Berufsschule zu lernen ist sehr zeitintensiv. Da bleibt für Hobbys und Freizeit weniger Zeit. Auch die Sprache in der Berufsschule ist noch etwas schwierig für mich zu verstehen. Hier benötige ich noch Unterstützung.

Würdest Du das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) weiterempfehlen?
Ich würde jedem empfehlen, der in der gleichen Situation ist wie ich es war, direkt zu der Handwerkskammer zu gehen. Dieser Schritt war für mich sehr hilfreich und ist einer der Grundbausteine für mein Ziel, den Meistertitel zu erreichen und in der eigenen Werkstatt Autowerkstatt zu arbeiten.


Mohammed Kher Safy. Bild: lookbook.photo
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Interview mit BOF-Teilnehmer Luis Wulfrido (BOF-Teilnehmer 2022)

Wie bist Du auf das BOF-Projektaufmerksam geworden?
Mein Ansprechpartner bei der Agentur für Arbeit zeigte mir verschieden Optionen für den Einstieg und Orientierung auf dem deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Ich hatte die Wahl zwischen einer Einstiegsqualifizierung bei einem großen deutschen Telekommunikationsanbieter oder der Teilnahme am Projekt BOF. Ich habe mich für das Projekt BOF entschieden, da ich vom Konzept schnell überzeugt war.

Hast du mehrere Fachrichtungen im BOF-Projekt ausprobiert? 
Ja, die Möglichkeit des Ausprobierens mehrerer Fachrichtungen hat mir besonders gefallen während meiner Zeit im Bildungs- und Technologiezentrum in Borsdorf. Ich konnte die Fachgebiete Metallbau und Elektronik kennenlernen. Für elektronische Geräte konnte ich mich schon immer begeistern. Schnell war klar, dass ich mein Praktikum in diesem Bereich durchführen wollte. Die Handwerkskammer zu Leipzig hat mir dann die Kriebel electrics GmbH als Praktikumsbetrieb vermittelt. Die Vorbereitung und Organisation hierfür haben problemlos geklappt

Luis Wulfrido. Bild: lookbook.photo
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Wie wurdest du im Praktikumsbetrieb aufgenommen?
Die Angst etwas falsch zu machen, wurde mir schon frühzeitig von meinem persönlichen Betreuer im BOF Projekt genommen. Trotzdem war ich aufgeregt an meinem ersten Praktikumstag. Auch, weil mein Deutsch noch nicht perfekt ist. Die Aufregung hatte sich aber schnell gelegt. Die Kollegen waren von Anfang an sehr nett zu mir. Mir wurde alles gezeigt und ich konnte mich schnell einarbeiten und erste eigene Arbeiten ausführen. Das war super, um noch mehr Erfahrung zu sammeln. Mir hat die Arbeit im Betrieb so gut gefallen, dass ich am Ende meiner Praktikumszeit dort auch meine Ausbildung zum Elektroniker machen wollte.

Welche Herausforderungen siehst du für dich während deiner Ausbildung?
Die Ausbildungen in der Berufsschule und praktischen Ausbildung nehmen viel Zeit in Anspruch und sind etwas stressig. Dazu habe ich auch noch eine Tochter, um die ich mich viel und gern kümmere. Meine ebenso aus Venezuela stammende Frau und ich sind aber ein eingespieltes Team. Nur so können wir die höhere zeitliche Belastung stemmen. Die Wochenenden sind aber reserviert für die Zeit mit meiner Familie – soweit keine wichtigen Prüfungen für mich anstehen.
 

Entspricht die Ausbildung deinen Vorstellungen? 
Über eine Einstiegsqualifizierung bin ich jetzt im 2. Lehrjahr. Fachliche Kenntnisse in der Berufsschule vermittelt zu bekommen, hilft mir bei der späteren Umsetzung von Arbeiten und Projekten. Im Betrieb wurde mir schnell das Praxiswissen für Kabelverlegung, Unterverteilung-Verdrahtung sowie das Arbeiten nach Plan vermittelt. Das Anzeichen macht mir besonders Spaß. Ebenso wie die komplette Verkabelung neu gebauter oder sanierter Wohnungen. Ich habe mich von Anfang an gut aufgehoben gefühlt in meinem Ausbildungsbetrieb und bin stolz darauf, ein Teil des Teams zu sein.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich möchte meine Ausbildung zum Elektroniker gut beenden. Vielleicht mache ich später auch noch einmal meinen Meistertitel. Aber vor allem möchte ich als Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik arbeiten und meine Familie unterstützen. Der Bereich "Erneuerbare Energien" interessiert mich sehr. Hierin möchte ich mich unbedingt fortbilden und mich eventuell darauf spezialisieren
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Luis Wulfrido. Bild: lookbook.photo
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Interview mit BOF-Teilnehmer Eduardo Enrique Coello Dominguez (BOF-Teilnehmer 2020)

Wie bist Du auf das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) aufmerksam geworden?
Während meines Sprachkurses erzählte mir eine Lehrerin, dass an der Handwerkskammer zu Leipzig dieses Projekt angeboten wird, um Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Ausbildung im Handwerk zu vermitteln. Das hat mich sofort interessiert.

Für welche Fachrichtung hast Du Dich während des BOF-Projektes entschieden? / Hast du mehrere Fachrichtungen ausprobiert?
Ich konnte im September 2020 in verschiedene Gewerke in den Werkstätten in Borsdorf reinschnuppern. Ich habe mich in der Tischlerei, Mettalbearbeitung und Farbe ausprobiert und danach bei den Kfz-Mechatronikern reingeschaut. Den Beruf "Raumausstatter" kannte ich nur von der Beschreibung der alle in Leipzig angesiedelten Ausbildungsberufe. Da ich aber viel mit Holz, Metall und Stuck gearbeitet habe, war das für mich dann kein Problem. Trotzdem war ich froh, dass ich dann gleich bei der Firma Häring Raumausstattung ein Praktikum machen durfte.

Welche Aufgaben hast Du in deinem Praktikum übernommen?
Ich bin mittlerweile ein halbes Jahr im Betrieb, im Rahmen des Einstiegsqualifizierung-Programms der Agentur für Arbeit, und habe dort hauptsächlich in der Polsterei gearbeitet. Manchmal holen wir Möbel bei Kunden ab, aber hauptsächlich sind wir in der Werkstatt. Dort arbeiten wir alte Stühle und Sofas auf. Wir ersetzen Federn, bringen neue Holzleisten an, wir schneiden Stoffe, nähen und beziehen. Ich durfte aber auch schon Fußbodenbelag verkleben oder Markisen anbringen. Als Raumausstatter hat man sehr viel Abwechslung in seinem Berufsalltag.

Wie schwierig ist es für Dich mit der deutschen Sprache?
Am Anfang war es extrem schwierig. Wenn mir ein Kollege sagte, ich solle dieses oder jenes Spezialwerkzeug aus dem Koffer holen, hatte ich keine Ahnung, was er meinte. Aber dann habe ich nachgefragt. Und wenn es immer noch nicht klar war, musste ich noch mal nachfragen. Anders geht es nicht. In der Schule hatte ich Spanisch, Englisch, Portugiesisch und ein bisschen Italienisch, deswegen hatte ich gehofft, dass ich die Sprache schneller lerne, aber Deutsch ist wirklich nicht leicht.

Würdest Du das Projekt weiterempfehlen?
Ich habe es sogar schon einem Freund empfohlen, der auch nicht wusste, wohin mit sich. Für mich kann ich sagen, dass ich ohne die Unterstützung der Handwerkskammer zu Leipzig jetzt wohl keine Ausbildung in Deutschland anfangen würde. Dafür bin ich sehr dankbar.

Berufliche Integration. Stefan Werner, Geschäftsführer der Häring Raumgestaltung hat Eduardo Enrique Coello Dominguez im Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) kennengelernt. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz


"Wenn Eduardo möchte, kann er in zehn Jahren sogar die Polsterei leiten, dann geht sein Ausbilder in Rente. Wir bieten ihm hier eine echte Perspektive. Denn unser Handwerk wird in den letzten Jahren immer stärker nachgefragt, aber es gibt so gut wie keine Fachkräfte mehr." (Stefan Werner)

 

 

 
 

Interview mit Stefan Werner, Geschäftsführer Häring Raumgestaltung (BOF-Betrieb 2020)

Wie bist Du auf das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) aufmerksam geworden?
Ich spiele mit einem Mitarbeiter der Handwerkskammer seit Jahren in einer Halle gemeinsam Fußball. Der erzählte mir, wenn ich keinen Lehrlinge finde, solle ich es einmal über das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugwanderte" (BOF) versuchen. Dort seien die Leute motiviert, eine Ausbildung im Handwerk anzufangen. Wir hatten vorher fast ein Jahr lang versucht, einen Polsterer zu finden, aber haben nicht eine einzige Bewerbung bekommen. Es gab weder Fachkräfte noch Interessenten für eine Ausbildung. Also dachte ich, dass wir es über das Projekt versuchen müssen.

Fiel Ihnen die Entscheidung leicht, Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Chance über ein Praktikum und jetzt eine Ausbildung zu geben?
Nein. Wir hatten vor einigen Jahren schon mal einen syrischen Praktikanten, der uns von einem Bildungsträger vermittelt wurde. Da hieß es vorher, er hätte Vorkenntnisse und dann konnte er am Ende kein Wort Deutsch und nichts funktionierte. Eines Tages ist er dann in der Mittagspause einfach über das Klofenster abgehauen und nie wiedergekommen. Dadurch hatten wir, was die Thematik betrifft, schon ein bisschen den Mut verloren. Deswegen hatten wir nun auch gemischte Gefühle, als wir uns entschieden, es noch einmal mit einem Geflüchteten zu versuchen.

Wie würden Sie Eduardo, Ihren Auszubildenden, beschreiben?
Er versucht alles umzusetzen, was wir von ihm fordern. Er stellt sich handwerklich gut an, gibt sich Mühe und hat großes Interesse am Beruf des Raumgestalters. Er muss nur noch lernen, die Arbeit auch selbst zu sehen und sich eigenständig Aufgaben zu suchen. Dafür ist er immer pünktlich. Wir hatten so noch nie Probleme bei einem Kundentermin, zum Beispiel wenn wir gemeinsam ein Sofa abholen.

Wie ist es mit der Sprachbarriere?
Natürlich gab es einige Probleme am Anfang, aber es wird jeden Tag besser. Mittlerweile beherrscht Eduardo alle Fachbegriffe für Werkzeuge und Materialen, die wichtig sind. Dadurch klappt der Arbeitsalltag mittlerweile richtig gut.

Würden Sie ihn später übernehmen?
Wir wollen bewusst die Zeit und das Geld investieren, um eine eigene Fachkraft für unsere Polsterei auszubilden. Wenn er möchte, kann er in zehn Jahren sogar die Polsterei leiten, dann geht sein Ausbilder René Steiner in Rente. Wir bieten ihm hier eine echte Perspektive. Denn unser Handwerk wird in den letzten Jahren immer stärker nachgefragt, aber es gibt so gut wie keine Fachkräfte mehr.

Würden Sie es anderen Betrieben empfehlen, Jugendliche mit Migrationshintergrund auszubilden?
Ich selbst habe es auch nur gemacht, weil ich von einem befreundeten Betrieb aus Markkleeberg nur positive Dinge gehört habe. Der Geschäftsführer sagte mir: Das sind top-motivierte Leute, die wirklich Lust auf eine Karriere im Handwerk haben. Und wenn ich nun sehe, wie wissbegierig Eduardo ist, kann ich ihm nur beipflichten. Für uns war das definitiv eine gute Entscheidung.

Berufliche Integration. Stefan Werner, Geschäftsführer der Häring Raumgestaltung hat Eduardo Enrique Coello Dominguez im Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) kennengelernt. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz


"Eduardo kam zusammen mit seinem Vater zu einem ersten Beratungsgespräch zu unserer Sprechstunde ins Bildungszentrum nach nach Borsdorf. Nach intensiver Beratung und einer Besichtigung unserer Werkstätten, waren Vater und Sohn von der Qualität des Projektes und dem Nutzen des Projektes überzeugt. Nachdem überprüft worden war, dass Eduardo die Zugangsvoraussetzung für die Teilnahme erfüllt, stand einem Start nichts mehr im Wege. Die Kommunikation mit dem Vater und seine Unterstützung haben dazu geführt, dass Eduardo schnell verstanden hat, worum es im Projekt geht: eine gute Vorbereitung für ein Praktikum und ein Ausbildungsplatz im Handwerk zu bekommen." (Anmerkung des BOF-Projektteams bei der Handwerkskammer)

 

 

 
 

Interview mit BOF-Teilnehmer Abdullah Halami (BOF-Teilnehmer 2019)

Warum hast du dich für die BOF entschieden? Wie bist du darauf aufmerksam geworden?
Das Jobcenter hat mich an das Projekt vermittelt. Ich hatte dort erzählt, dass ich gern den Handwerksberuf Kfz-Mechatroniker erlernen will – und so bin ich zu BOF gekommen.

Hat das Projekt BOF deinen Berufswunsch bestätigt?
Ich hatte schon als Kind Interesse an Autos. Meine Eltern hatten in Syrien einen Autoteilehandel. Mein Onkel hatte eine Werkstatt. Seit ich neun Jahre alt bin, habe ich dort mitgeholfen und es war immer mein Traum Kfz-Mechatroniker zu werden – daran hat sich nichts geändert.

Hat dir das Praktikum geholfen einen Einblick in den Berufsalltag zu bekommen?
Eigentlich war mein Plan immer mit Pkw zu arbeiten. Deshalb habe ich hier erst gedacht: Was soll ich denn am Lkw? Aber dann habe ich es ausprobiert, und es hat mir sehr gefallen. Und jetzt habe ich mich entschieden, eine Lkw-Ausbildung machen zu wollen.

Wie wurdest du im Praktikumsbetrieb aufgenommen?
In den ersten Tagen hatte ich ein bisschen Angst und war sehr nervös, weil ich ja keinen der Kollegen kannte. Aber alle Mitarbeiter waren extrem nett zu mir und haben mir immer Dinge erklärt. Wenn ich Fragen hatte, waren sie für mich da – das war das Wichtigste. Ich wurde auch gefragt, ob ich während der Arbeit beten will und mir wurde ein sauberer Raum dafür gezeigt. Dabei bete ich gar nicht, während der Arbeitszeit.

Was konntest du aus dem Projekt BOF in dein Praktikum einbringen?
Es hat sehr geholfen, dass ich sämtliche Begriffe für spezielle Bauteile und Werkzeuge schon aus dem Praktikumsvorbereitung kannte. Ich wusste beispielsweise, wie man einen Diagnosetester einsetzt oder eine Bremse ausbaut. Es war auch gut, vorher zu wissen, welche Aufgaben ein Geselle hat und welche ein Meister. Insgesamt kann man sagen, dass ich mich ohne die Handwerkskammer zu Leipzig längst nicht so gut hätte einbringen können.

Welche Aufgaben hast du in deinem Praktikum gehabt?
Nachdem ich mich am ersten Tag umgezogen hatte, habe ich den Meister gefragt: Was kann ich machen? Dann durfte ich sofort dabei helfen, eine Luftleitung eines Lkw zu tauschen. Er zeigte mir, wo ich sie finde und wie man richtig angeht. Noch am gleichen Tag habe ich außerdem eine Trommelbremse ausgebaut. Später war dann jeden Tag etwas Anderes. Wir haben auch Scheibenbremsen gewechselt. Zylinder getauscht. Eine Woche habe ich im Ersatzteillager gearbeitet und mithilfe einer EDV-Software die benötigten Teile für die Gesellen herausgesucht. Zum Abschluss war ich auch noch einige Tage auf dem Bremsprüfstand.

Wurden deine Erwartungen erfüllt? Was war anders als erwartet?
Es war toll, dass ich vom ersten Tag an, am Fahrzeug arbeiten durfte und nicht nur die Halle fegen musste, was ich aber natürlich auch gemacht hätte.

Was war schwer für dich?
Die Pausenzeiten. Die Arbeit hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich am liebsten den ganzen Tag bei den Fahrzeugen geblieben wäre.

Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF). Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz


"Ich hatte schon als Kind Interesse an Autos. Meine Eltern hatten in Syrien einen Autoteilehandel. Mein Onkel hatte eine Werkstatt." (Abdullah Halami)

 

 

 
 

Interview mit Klaus Frank – Geschäftsführender Gesellschafter der Frank Fahrzeugbau GmbH (BOF-Betrieb 2019)

Wie haben Sie das Praktikum empfunden?
Wir waren angenehm überrascht. Alle Mitarbeiter, die mit Abdullah zu tun hatten, fanden ihn gut. Er ist unglaublich willig, wissbegierig und fragt ganz viel nach. Er steht auch nicht rum, sondern sucht die Arbeit. Wir hatten schon einige Praktikanten, denen man beim Laufen, die Schuhe besohlen konnte, aber zu dieser Sorte gehörte er definitiv nicht.

Konnte sich Abdullah gut einbringen?
Wir haben ihn in ganz verschiedenen Abteilungen eingesetzt. Er lief dann immer den ganzen Tag mit einem Lehrgesellen mit. Mal hat er auf dem Bremsprüfstand mitgearbeitet, mal in der Elektrik-Abteilung, mal auch direkt im Fahrzeugservice. Natürlich muss er sich fachlich erst entwickeln, um eine richtige Hilfe zu werden. Aber er hat einen guten Eindruck für den Beruf bekommen.

Was war positiv, was negativ?
Er spricht gut Deutsch, das hatte ich so nicht erwartet. Insgesamt gab es fast gar keine Verständigungsprobleme. Auch die Fachbegriffe kannte er. Letztlich hatten wir in den vier Wochen Praktikum überhaupt keine negativen Erfahrungen mit ihm.

Würden Sie das Praktikum mit einem BOF-Teilnehmer an andere Betriebe weiterempfehlen? Wenn ja, warum?
Für uns war es die erste Erfahrung mit einem muslimischen Praktikanten. Wir hatten zwar teilweise schon ausländische Fachkräfte hier, aber noch nicht in dieser Konstellation. Insgesamt kommt es natürlich immer auf den Einzelfall an. Letztlich kann ich aber sagen: Wenn man eine solch positive Erfahrung macht, wie wir, kann ich das Projekt "Berufsorientierung für Flüchtlinge" guten Gewissens weiterempfehlen. Im Handwerk fehlen viele gute Leute, weil alle studieren wollen. Wir haben oft zu kämpfen, mit Lehrlingen die schnell wieder abbrechen. Auch die Qualität der Bewerber hat stark nachgelassen in den vergangenen Jahren. Hier könnte das BOF-Projekt hilfreich für viele Betriebe sein.

Wie empfanden Sie die Vorbereitung auf das Praktikum (durch das Projekt "Berufsorientierung für Zugewanderte") bezogen auf Wissen, Fertigkeiten, etc.?
Man hat gleich gemerkt, dass er schon mal einen Hammer in der Hand hatte. So konnten wir ihn sofort an den Fahrzeugen einsetzten, was sonst absolut nicht üblich ist, wenn wir Praktikanten beschäftigen. Auch seine Bewerbung, die er uns jetzt für einen Lehrvertrag vorgelegt hat, macht einen professionelleren Eindruck, als bei vielen deutschen Bewerbern.

Wollen Sie den Praktikanten einen Ausbildungsplatz geben?
Ich muss zunächst mit der Handwerkskammer zu Leipzig abstimmen, ob seine Aufenthaltsgenehmigung auch für die komplette Lehrzeit gelten würde. Wenn ja, stehe einer Ausbildung überhaupt nichts im Wege. Bis dahin könnte er erstmal noch weitere vier Wochen Praktikum im Betrieb machen und anschließend eine Einstiegsqualifizierung anhängen. Die Lehre würde dann im August 2020 beginnen. Schließt er sie erfolgreich ab, würden wir uns auch freuen, ihn dauerhaft einzustellen. Wir hätten aber auch Verständnis, wenn er irgendwann in seine Heimat zurückkehren will.


"Wenn man eine solch positive Erfahrung macht, wie wir, kann ich das Projekt "Berufsorientierung für& Flüchtlinge" guten Gewissens weiterempfehlen. Im Handwerk fehlen viele gute Leute." (Klaus Frank)

 

 

 
 

Interview mit BOF-Teilnehmer Wisam Alkurdi (BOF-Teilnehmer 2019)

Wisam Alkurdi, Teilnehmer im Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF). Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Warum hast du dich für das Projekt "Berufsorientierung für Flüchtlinge" entschieden und wie bist du darauf aufmerksam geworden?
Ich bin über Freunde auf das Projekt aufmerksam geworden.

Hat das BOF-Projekt deinen Berufswunsch bestätigt?
Ich habe schon in Syrien drei Jahre in einem "Barber Shop" gearbeitet. Ich wusste also auch, wie man die Schere und die Maschine bedient. Mein Berufswunsch wurde durch das Praktikum aber noch weiter bekräftigt. Wenn es irgendwann möglich sein sollte, würde ich sogar gern meinen Meister machen.

Hat dir das Praktikum geholfen, einen Einblick in den Berufsalltag zu bekommen?
Bislang war ich nur Friseur für Männer. Über weibliche Kunden wusste ich vorher so gut wie nichts. Im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer zu Leipzig konnte ich über Frauenfrisuren vieles lernen. Das Praktikum war deshalb toll, weil ich einen Einblick in einen deutschen Salon bekommen konnte. Mein Ziel ist es jetzt noch ein zweites Praktikum zu machen, um noch weitere Erfahrungen zu sammeln und mein Deutsch zu verbessern.

Wie wurdest du im Praktikumsbetrieb aufgenommen?
Zunächst dachte ich, dass es schwer werden würde. Aber der Umgang in Deutschland ist sehr unkompliziert. Die Kollegen waren von Anfang an sehr nett zu mir. Am Ende ist es beinahe freundschaftlich geworden. Und auch mit den Kunden hat es gut funktioniert. Natürlich gibt es immer Menschen, die Fremden gegenüber ein bisschen misstrauisch sind, aber insgesamt war es klasse.

Was konntest du aus dem Projekt "Berufsorientierung für Flüchtlinge" in dein Praktikum einbringen?
Die Vorbereitung bei der Handwerkskammer hat mir sehr geholfen. Themen wie das richtige Föhnen oder eine Dauerwelle wickeln, waren für mich Neuland. Es war auch gut, dass wir die Fachbegriffe alle geübt haben, um im Alltag die Wünsche der Kunden genau zu verstehen und umzusetzen.

Welche Aufgaben hast du in deinem Praktikum gehabt?
Es war sehr vielseitig. Ich musste den Salon fegen und die Spiegel putzen. Ich durfte Haare waschen, Dauerwellen wickeln, Föhnen und manchmal auch Farbe bei einigen Kunden auftragen. Mit Anleitung der Kollegen habe ich auch fleißig an der Puppe geübt. Das war super, um noch mehr Erfahrung zu sammeln.

Wurden deine Erwartungen erfüllt? Was war anders als erwartet?
Die Arbeit im Salon hat mich nicht grundsätzlich überrascht. Aber natürlich war es ungewohnt zu erfahren, dass Friseur in Deutschland hauptsächlich ein Frauenberuf ist. In Syrien ist es genau umgedreht.

Was war schwer für dich?
Die Kommunikation mit den Kollegen und Kunden war am schwierigsten für mich. Wenn man sich auf die Arbeit konzentrieren muss, und dann noch mit einem Kunden plaudern soll – das ist eine große Herausforderung. Dazu musste ich auch erst ein Gefühl dafür entwickeln, welches Verhalten in einem deutschen Salon gewünscht ist.


"Die Kollegen waren von Anfang an sehr nett zu mir. Am Ende ist es beinahe freundschaftlich geworden. Und auch mit den Kunden hat es gut funktioniert." (Wisam Alkurdi)

 

 

 
 

Interview mit Manuela Brumme – Niederlassungsleiterin bei "Friseur Charmant" (BOF-Betrieb 2019)

Wie haben Sie das Praktikum empfunden?
Es gab bei uns vorher eine gewisse Skepsis, wie es klappt im Salon. Aber wir waren insgesamt sehr angenehm überrascht von ihm. Das wichtigste: Er hat selber gesehen, wo die Arbeit war.

Konnte sich der Praktikant gut einbringen?
Wenn er morgens reinkam, hat er sich als Erstes den Besen geschnappt und den Salon gefegt. Er hat auch die Spiegel und die Waschbecken geputzt. Im Laufe der Zeit hat er auch die Haare von Kunden gewaschen. Dann hat er Farbe aufgetragen, Wickel rausgedreht und eine Dauerwelle fixiert. Am Ende hat er uns auch gezeigt, wie man Augenbrauen mit einem Faden zupft. Das kannten wir noch nicht und es war sehr interessant. Haare schneiden durfte er erstmal noch nicht.

Was war positiv, was negativ?
Er war sehr pünktlich und hat sich viel Mühe gegeben, mit uns Deutsch zu reden. Manches hat er nicht verstanden, dann haben wir es nochmal erklärt. Auch die Kunden waren angetan von ihm. Zwei Kunden haben sich sogar vom ihm mit einem Faden die Augenbrauen zupfen lassen, die wollten das auch mal erleben. Natürlich ist seine Verständigung noch ausbaufähig, aber daran würde es nicht scheitern.

Würden Sie das Praktikum mit einem BOF-Teilnehmer an andere Betriebe weiterempfehlen? Wenn ja, warum?
Wenn alle Kandidaten wie Wisam sind, würden wir das Projekt sofort weiterempfehlen. Das könnte auch ein Weg sein, für viele Betriebe offene Lehrstellen zu besetzen. Auch für uns ist die Suche nach Lehrlingen sehr schwer, trotz Stellenausschreibungen und Social-Media-Posts. In diesem Jahr hatten wir hier im Salon beispielsweise noch gar keine Bewerbungen.

Wie empfanden Sie die Vorbereitung auf das Praktikum (durch das Projekt "Berufsorientierung für Flüchtlinge") bezogen auf Wissen, Fertigkeiten, etc.?
Die Vorbereitung bei der Handwerkskammer zu Leipzig hat man sofort gemerkt. Vor allem, wenn man ihn mit Schülerpraktikanten vergleicht, die wir hier manchmal haben. Die stehen oft da, wie bestellt und nicht abgeholt – was bei ihm völlig anders war. Er hatte viele Vorkenntnisse und man merkte sofort: Er will. Als wir an der Puppe gearbeitet haben, hat man gleichgesehen, dass er auch die handwerklichen Fähigkeiten besitzt. Er wusste, wie man die Haube bedient und wie man sie positioniert. In der Türkei hat er ja auch schon in einem "Barber Shop" gearbeitet.

Wollen Sie den Praktikanten einen Ausbildungsplatz geben?
Ich hätte das Praktikum gern verlängert. Aber Wisam will noch Erfahrungen in einem anderen Salon sammeln. Nur schweren Herzens lassen wir ihn gehen, aber er kann jederzeit wiederkommen. Wenn er will, könnte er sofort eine Ausbildung bei uns anfangen. Ab Januar wäre das möglich.

Friseurmeisterin Manuela Brumme mit Wisam Alkurdi, Teilnehmer im Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF). Bild: Robert Iwanetz
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"Wenn alle BOF-Kandidaten wie Wisam sind, würden wir das Projekt sofort weiterempfehlen. Das könnte auch ein Weg sein, für viele Betriebe offene Lehrstellen zu besetzen." (Manuela Brumme)

 

 

 
 

Interview mit Sandra Ehrlich, Geschäftsführerin der Ehrlich Friseur GmbH (BOF-Betrieb 2020) und der Auszubildenden Manel Seridi (BOF-Teilnehmerin 2020)

Wie sind Sie auf das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" aufmerksam geworden?
Ehrlich: Eine Betreuerin von Manel im BOF-Projekt hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, einer Migrantin ein Praktikum anzubieten. Da wir sowieso Lehrlinge suchten, habe ich sofort zugesagt.
Seridi: Ein deutscher Freund meines Mannes kannte das Projekt. Ich wollte unbedingt Friseurin werden. Schon in Algerien habe ich während der Semesterferien immer in einem Salon ausgeholfen, der einer Freundin meiner Mutter gehörte - damals habe ich noch Verfahrenstechnik studiert. In Leipzig hatte ich bereits mehrere Bewerbungen an Friseursalons verschickt, aber nie eine Antwort erhalten. Über die Handwerkskammer klappte es dann im Mai 2020 mit dem Einstieg ins Projekt und ab September nun sogar mit einem Ausbildungsplatz.

Fiel Ihnen die Entscheidung leicht, Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Chance zu geben?
Ehrlich: Die Entscheidung fiel mir nicht so leicht. In der Vergangenheit hatten wir schon mehrere Anfragen, die ich immer abgeblockt habe. Manche Bewerber hatten sehr wenig Deutschkenntnisse, anderen fehlten die Umgangsformen. Zudem hatte mir mal jemand fälschlicherweise erzählt, dass man als Ausbilder von Geflüchteten verpflichtet ist, der Ausländerbehörde zu melden, wenn der Lehrling mal zu spät kommt zu spät kommt. Das hat mich alles abgeschreckt.

Trotzdem haben Sie ja gesagt. Haben Sie es bereut?
Ehrlich: Nein, Manel ist sehr zuverlässig, freundlich, aufmerksam und extrem wissbegierig. Sie will am liebsten alles gleich mitmachen. Manel empfängt auch die Kunden und kümmert sich um die Terminvergabe. Man merkt, dass sie schon Wissen und Expertise aus dem Training in der Handwerkskammer mitbringt. Sie konnte zum Beispiel bereits perfekt föhnen. Insgesamt merkt man einfach, dass sie will Wir sind froh, sie in unserem Team zu haben. Genau wie Ali, der aus Syrien kommt, und auch bei uns lernt.

Frau Seridi, wie gefällt es Ihnen in Ihrem Ausbildungsbetrieb?
Seridi: Das Praktikum war schon großartig. Ich durfte so viel lernen! Wie man richtig Haare wäscht, wie man Tönungen verwendet oder wie man Kunden empfängt. Die Atmosphäre im Team ist sehr angenehm. Ich fühle mich richtig gut aufgehoben. Auch die meisten Kunden akzeptieren mich. Allerdings hatte ich auch schon einmal einen Kunden, der nicht wollte, dass ich ihm die Haare wasche, weil ich Ausländerin bin. Aber ich versuche, mich davon nicht beeinflussen zu lassen. Schwieriger ist es oft für mich, die Ausbildung und mein anderthalbjähriges Baby zu Hause unter einen Hut zu bekommen. Aber die aufgeben, kommt nicht infrage.

Gibt es Probleme mit der Sprachbarriere?
Ehrlich: Im Gegenteil. Klar, manchmal schreibt Manel noch einen Namen falsch ins Terminbuch, weil sie die nicht richtig verstanden hat. Aber insgesamt spricht sie toll Deutsch und kann dazu noch fließend Englisch und Französisch. Das ist für uns ein großer Gewinn in Bezug auf internationale Kunden, die wir immer mehr in Leipzig haben.
Seridi: Viele Kunden sind von meinen Sprachfähigkeiten begeistert, wenn sie hören, dass ich erst seit zwei Jahren in Deutschland lebe. Vor dem Lockdown war es in der Berufsschule kein Problem mitzukommen. Die Ausbilder haben Verständnis dafür, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist. Nun müssen wir unsere Aufgaben über ein Online-Portal herunterladen und abgeben. Das fällt mir ein bisschen schwerer. Ich sehe manchmal nicht so richtig durch, was von mir gefordert wird. Auch, weil man nicht so schnell nachfragen kann.

Können Sie das Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" empfehlen?
Seridi: Absolut. Das Projekt "Berufliche Orientierung für Zuwanderer" hat mir insgesamt sehr geholfen. Durch das Training in der Handwerkskammer hatte ich keine Angst vor dem Praktikum, weil ich dort schon viel gelernt hatte. Ich kannte die Fachbegriffe, wusste wie man eine Lockenwelle wickelt. Und was wirklich gut war: Vorher wusste ich nicht, wie ich mich richtig in Deutschland bewerben soll, wie ich mich präsentiere, damit ich wahrgenommen werde. Das habe ich alles im Laufe des Projekts gelernt. Ich bin mir sicher: Ohne die Handwerkskammer hätte ich noch immer keinen Ausbildungsplatz.
Ehrlich: Das Projekt ist eine großartige Möglichkeit, um motivierte Azubis zu bekommen. In den Jahren zuvor hatten wir unter starkem Bewerbermangel zu kämpfen. Vor zwei Jahren beispielsweise hatte sich gar niemand beworben. Das ist jetzt zum Glück zwar anders, aber man weiß ja auch nicht, wie die Zukunft aussieht. Umso glücklicher sind wir, über das BOF-Projekt Manel gefunden zu haben..

Ehrlich Friseur GmbH.
Robert Iwanetz


"Durch das Training in der Handwerkskammer kannte ich die Fachbegriffe, wusste wie man eine Lockenwelle wickelt. Und was wirklich gut war: Vorher wusste ich nicht, wie ich mich richtig in Deutschland bewerben soll, wie ich mich präsentiere, damit ich wahrgenommen werde. Das habe ich alles im Laufe des Projekts gelernt. Ich bin mir sicher: Ohne die Handwerkskammer hätte ich noch immer keinen Ausbildungsplatz." (Manel Seridi)

 

 

 
 

Mehr Informationen und Downloads

Informationen zu Berufen +++ Projektflyer "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" +++ Mehr Informationen rund um "BOF" +++ Elternratgeber zur Ausbildung in verschiedenen Sprachen +++ Informationen zur Einstiegsqualifizierung +++

 

 

 
 

Schwierigkeiten während der Ausbildung?

Eine "Assistierte Ausbildung" kann helfen, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Mehr Infos dazu gibt es unter anderem unter www.arbeitsagentur.deBei Sprachschwierigkeiten bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Auszubildenden mit Migrationshintergrund kostenfreie Berufssprachkurse an, die je nach Bedarf in Präsenz oder digital abgehalten werden können. Azubis in Leipzig können sich unter anderem an den Naomi e.V. wenden. Ansprechpartnerin ist Sabine Soper (kik-soper@naomi-leipzig.de). Mehr Informationen zu den Sprachkursen gibt es außerdem unter www.integrationsbeauftragte.de.

 

 

Berufliche Orientierung für Zugewanderte (BOF) | Anmeldeformular für einen Beratungstermin

Mit diesem Formular kann ein individueller Beratungstermin zum Projekt "Berufliche Orientierung für Zugewanderte" (BOF) angefragt werden. Nach dem Absenden des Formulars melden wir uns telefonisch oder per E-Mail mit einem konkreten Terminvorschlag bei den Interessenten. Wir bitten um Verständnis, dass dies einige Tage in Anspruch nehmen kann.


Datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung


Die Handwerkskammer zu Leipzig verarbeitet die Formularangaben ausschließlich im Rahmen des Projekts "Berufliche Orientierung für Zugewanderte ". Mir ist bekannt, dass ich zur Abgabe der Einwilligungserklärung nicht verpflichtet bin und ich diese Einwilligungserklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Der Widerruf ist per E-Mail an bof@hwk-leipzig.de oder postalisch an Handwerkskammer zu Leipzig (Dresdner Straße 11/13, 04103 Leipzig) zu richten. Nach Erhalt des Widerrufs werden wir die betreffenden Daten nicht mehr nutzen und verarbeiten beziehungsweise löschen. Im Weiteren gelten die Datenschutzbestimmungen der Handwerkskammer zu Leipzig.

 

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Logoleiste: BMBF und BIBB 2021

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Ahmed Barhdadi

Berater Ausbildung

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