Meisterjahrgang 2022/2023Vivien Brödel
Tischlermeisterin aus Halle (Saale)

Ursprünglich hatte Vivien Brödel schon nach dem Schulabschluss am Gymnasium mit einer Lehre zur Tischlerin geliebäugelt. „Ich hab mich dann aber nicht getraut, weil ich dachte, ich schaffe das körperlich nicht“, sagt die heute 36-Jährige. Ihre Wahl fiel stattdessen auf eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau in einer Modeboutique in Halle. Doch ihr Traumjob war das nicht. Die Gespräche mit den Kunden wiederholten sich ständig, dazu gefielen ihr die langen Arbeitszeiten im Geschäft nicht. „Ich dachte, wenn ich einmal Kinder haben möchte, muss ich mir was anderes überlegen.“ Und auf einmal war da wieder der Wunsch nach der Arbeit in einer Tischlerei. Die Vorstellung davon, etwas Langlebiges mit den eigenen Händen zu erschaffen Als Vorbild diente ihr Vater, der in Halle seine eigene Werkstatt hat. „Wenn er früher von der Arbeit nach Hause kam, roch er immer nach Holz. Das habe ich geliebt“, sagt Vivien Brödel.
Der fantastische Geruch von Holz
Schon im Kindergartenalter bemalte er für sie den Hammer und die Nägel mit bunten Punkten, um ihr beizubringen, wie man einen Nagel gerade einschlägt. Später konstruierten sie zusammen einen Hasenstall für die Haustiere und bauten Möbel auf. Also fing sie 2012 dann ihre neue Berufsausbildung bei der Tischlerwerkstatt Dag Hermann GmbH in ihrer Heimatstadt an, die sich auf individuellen Möbelbau spezialisiert hat. Nur zwei Jahre später hatte erschafsie bereits ihren Gesellentitel in der Tasche und wird das erste Mal schwanger. Für Brödel bedeutet das: Berufsverbot, wegen der giftigen Dämpfe in der Lackiererei. Nur zu Hause rumsitzen, kommt für sieaber nicht in Frage. Stattdessen nutzt sie die unverhoffte Gelegenheit, um mit dem betriebswirtschaftlichen Teil ihrer Meisterausbildung zu beginnen.
Sechs turbulente Jahre
Nun, über sechs Jahre später, ist auch der Rest geschafft. „Das war eine harte Zeit, sehr turbulent“, erinnert sich die Hallenserin. Sie absolvierte die verbliebenen Teile in Vollzeit, zwischen 2021 und 2022, während sie privat eine sehr schwierige Zeit hatte und zusätzlich auch noch Zeit mit ihren mittlerweile zwei Kindern verbringen wollte. „Das hat nur funktioniert, weil mir meine Eltern, Freunde und die Kita den Großteil des Betreuungsaufwands abgenommen haben“, sagt Brödel, die stolz ist, nun Meisterin ihres Fachs zu sein.
Perspektive im Unternehmen
Schon jetzt übernimmt sie in ihrem Betrieb viele administrative Aufgaben: schreibt Angebote, Rechnungen und erstellt vor allem die CAD-Zeichnungen für die jeweiligen Möbel-Projekte. „Ein bisschen mehr Zeit in der Werkstatt wäre aber auch schön“, sagt die Jungmeisterin. Dann könnten ihre Kinder nach Feierabend öfter den fantastischen Geruch von frisch geschnittenem Holz genießen. In der Firma sind sie jedoch nur zu dritt – alle drei mit Meistertitel – und die Aufgaben klar verteilt.
Wenn sich ihr Chef aber in ein paar Jahren zur Ruhe setzt, könnte sie sich vorstellen, das Unternehmen einmal selbst zu übernehmen. Dann ist der Nachwuchs „aus dem Gröbsten raus“ und der Kopf frei für neue Herausforderungen. Aber derlei Pläne sind im Augenblick Zukunftsmusik. Zunächst einmal gilt es, das Wissen aus der Meisterfortbildung in der Praxis umzusetzen und viele Kundinnen und Kunden mit hochwertigen Einzelanfertigungen aus Meisterinnenhand zu begeistern.