Ausbildungssituation. Bild: www.fotografiemh.de - Merle Busch
www.fotografiemh.de - Merle Busch

Studie "Bildung auf einen Blick"

Noch vor einigen Jahren schnitt Deutschland bei Bildungsrankings der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht besonders gut ab. Grund war die Fokussierung der OECD auf die akademische Ausbildung als Hauptindikator für fähigen Berufsnachwuchs und damit für eine starke Wirtschaft.
 

OECD forderte jahrelang mehr Studenten

Die OECD hat dabei jahrelang einfach ignoriert, dass in Deutschland neben dem Studium, das zu einem Beruf führt, das System der dualen Berufsausbildung als Rückgrat der Fachkräftesicherung fungiert. Regelmäßig wurde deshalb gefordert, Deutschland müsse die Abiturienten- und Studierendenzahlen erhöhen, wenn es wettbewerbsfähig bleiben wolle. Ein Trugschluss.

Deutsche Bildungsexperten - und dazu darf man dank ihrer pädagogischen Expertise sicher auch die Meister in den Betrieben hierzulande zählen - machten lange vergeblich darauf aufmerksam, dass man in der Bundesrepublik nicht nur auf die Akademikerquote schauen darf. Das etablierte deutsche System der Berufsausbildung, das Berufsschule und Lehre im Betrieb kombiniert, müsse besonders berücksichtigt werden. Deutsche Nichtakademiker - also Gesellen, Facharbeiter, Meister etc. - zählen zu den kompetentesten der Welt und seien mindestens so gut qualifiziert, wie Akademiker in vielen anderen Ländern.
 

Run auf die Hochschulen. Sinkende Azubi-Quote.

Weil dieses Argument nur wenig Gehör fand, stieg der Prozentsatz der Studienanfänger in Deutschland sukzessive. Es gab einen politisch gewollten Run auf die Hochschulen - verbunden mit hohen Abbrecherquoten. Der Anteil der Auszubildenden sank. Mittlerweile liegt die Gesamtzahl der Studierenden bereits über der der Azubis. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die resultierende geringere Anzahl an Bewerber pro Lehrstelle erfüllt viele Unternehmer mit Sorgen um ihren Fachkräftenachwuchs. Viele Lehrstellen bleiben wegen des Mangels an geeigneten Bewerbern unbesetzt.

Auch wenn es die Fachkräftesorgen der Chefs und Personaler kaum mindern dürfte, so ist es doch als späte Anerkennung für die jahrzehntelange Ausbildungsleistung der Betriebe zu werten, dass die OECD jetzt ihre Meinung geändert hat. Die Organisation stellt die Hochschulausbildung nicht mehr über die Berufsausbildung und akzeptiert die Gleichwertigkeit beider Wege.
 

Endlich: OECD stellt Hochschulausbildung nicht mehr über Berufsausbildung

In Studie "Bildung auf einen Blick" wird Deutschlands Berufsbildungssystem ausdrücklich gelobt, weil es eine hohe Beschäftigungsfähigkeit für Personen sicherstelle, die kein Hochschulstudium oder einen Meisterbrief anstreben. Das sind vor allem die Facharbeiter und Gesellen. Diese Fachkräfte können auf exzellente Beschäftigungsperspektiven schauen. Gleiches gilt für Berufsanfänger nach der beruflichen Ausbildung. Wegen der guten Verzahnung des Berufsbildungssystems mit der Wirtschaft ist auch in dieser Gruppe der Beschäftigungsanteil sehr hoch. Andere Länder haben hingegen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen, weil der Bezug zur betrieblichen Praxis in der Berufsausbildung vernachlässigt wird.
 

Länder reformieren Bildungssystem nach deutschem Vorbild

Was die OECD erst jüngst festgestellt hat, wissen andere Länder allerdings schon seit geraumer Zeit. Sie schielen neidisch auf das deutsche Modell der beruflichen Bildung und wollen ihr eigenes Berufsbildungssystem in Zusammenarbeit mit Deutschland reformieren. Auch in den Köpfen vieler Politiker hat der Stellenwert der nichtakademischen Fachleute an Bedeutung gewonnen. In den meisten Wahlprogrammen wird heute nachdrücklich für die Berufsausbildung geworben. Wie lange es allerdings dauern wird, bis wieder ein gesundes Verhältnis zwischen Hochschulausbildung und Berufsausbildung herrscht, bleibt ungewiss.

Fakt ist: das Handwerk sollte selbstbewusst mit den Ergebnissen der Studie werben. Jugendlichen, vor allem Gymnasiasten, muss vermittelt werden, dass sie im Handwerk gebraucht werden und dass eine klassische Berufsausbildung nicht schlechter als ein Studium ist. Betriebe sollten die Kommunikation mit den jungen Menschen auf Augenhöhe suchen und mit Leidenschaft vermitteln, dass es in einem Handwerksberuf viel Praxisbezug gibt, sich nach dem Anschluss exzellente Zukunftsaussichten eröffnen. Und studieren kann man hinterher auch noch.

Mehr Informationen

 www.oecd.org
Die Studie "Bildung auf einen Blick" untersucht, wie es um die Bildung weltweit bestellt ist. Sie enthält Daten zum Aufbau, zur Finanzierung und zur Leistung der Bildungssysteme in den 35 OECD-Ländern.
 

Lob und Kritik für Bildung in Deutschland

Die Studie enthält nicht nur lange überfälliges Lob für das System der dualen Berufsausbildung. Sie attestiert - zum Leidwesen der Ausbildungsbetriebe - die ungebrochene Attraktivität der Hochschulausbildung. Diese variiere aber nach Studienrichtung. Die OECD kritisiert außerdem, dass Deutschland gemessen an seiner Wirtschaftsleistung weniger in Bildung investiere als andere Länder. Nur 4,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts geben Bund, Länder, Gemeinden und Private für Kitas, Schulen und Hochschulen aus. Im OECD-Schnitt sind es 5,3 Prozent.