Arno Carius - Schuhmacher aus Leidenschaft
Handwerkskammer zu Leipzig

Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 10/2017Schuhmacher aus Leidenschaft

Ein Porträt von Norbert Töpfer.

Arno Carius lebt seinen Beruf. Der Schuhmacher-Meister testet bei Lehrstellenbewerbern mit einem Praktikum, ob sie handwerkliches Talent besitzen.

Bereits nach fünf Minuten Gespräch mit Handwerksmeister Arno Carius ist deutlich zu merken, dass der 52-Jährige den Beruf des Schuhmachers nicht nur ausübt, sondern lebt. Und zwar seit 1994, als er in der Holzweißigstraße 13 in Torgau sein Geschäft eröffnete. Unterstützt wird er tatkräftig von seiner Frau, die auch die Büroarbeit der Schuhmacherei erledigt. Am Tag des Gesprächs mit Carius arbeitet eine junge Frau in der Werkstatt. Der Schuhmachermeister erklärt ihr die Wirkungsweise der Nähmaschine. Es ist der zweite Arbeitstag von Svenja Zenke, die ihre dreijährige Lehre begonnen hat. Carius ist froh über den Lehrling. Aber nicht nur, weil derzeit kaum noch Jugendliche eine Lehre im Handwerk beginnen wollen. „Ich stelle junge Leute erst ein, wenn sie ein Praktikum absolviert haben. In dieser kurzen Zeit sehe ich, ob sie handwerklich begabt sind und ob sie Interesse an dieser Arbeit haben“, sagt der erfahrene Handwerksmeister und fügt an: „Bei Svenja habe ich schnell bemerkt, dass sie mit Herzblut dabei ist.“ Er berichtet, dass 30 Prozent der Schuhmacherlehrlinge inzwischen Frauen sind: „Sie sind meist sehr kreativ“, lobt er. Svenja wirkt verlegen, als sie das Lob hört. „Ich bin handwerklich veranlagt. Mir hat die Arbeit im Praktikum Freude gemacht und ich bin glücklich, die Ausbildung hier absolvieren zu dürfen"“, sagt die 17-jährige Torgauerin.
 

„Ich profitiere von meiner Vielseitigkeit“

Carius ist zufrieden mit seinem Betrieb. „Man wird nicht reich, kann aber davon leben. Das Geschäft läuft gut. Das ist allerdings nicht selbstverständlich. Am Anfang meiner Selbstständigkeit musste ich mir in den ersten zwei Jahren durch gute Arbeit erst einmal einen Kundenstamm erarbeiten, den ich so auch erhalten konnte. Ich profitiere zudem von meiner Vielseitigkeit. Meine Haupttätigkeiten sind die Schuhreparatur und die Anfertigung von Einlagen und orthopädischen Schuh-Zurichtungen auf Rezept. Dazu kommen Taschenreparaturen und die Reparatur von Motorrad- und Lederbekleidung. Natürlich fertige ich auch Maßschuhe an, dabei habe ich mich auf Clownschuhe spezialisiert. Für ein solches Paar brauche ich 40 Stunden.“
 

Bedürfnis nach Individualität und Wertigkeit

Dr. Andrea Wolter, Pressesprecherin der Handwerkskammer zu Leipzig, bestätigt: „In Zeiten der Wegwerfgesellschaft und der Massenware wächst das Bedürfnis der Menschen nach Individualität, Qualität, Nachhaltigkeit und Wertigkeit. Genau das zeichnet das Handwerk aus. Deshalb werden einzigartige Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen mit langer Lebensdauer von immer mehr Menschen nachgefragt. Gleichzeitig entwickeln sich die Handwerksberufe weiter. Moderne Technik kommt zum Einsatz, die fachliche Beratung der Kunden gewinnt an Bedeutung. Verbunden ist das mit einem wachsenden Bedarf an Fachkräften, die über Know-how und handwerkliche Fähigkeiten verfügen.“ Derzeit gibt es im Kammerbezirk Leipzig 17 Schumacher-Betriebe. 2006 waren es 28, im Jahr 2000 immerhin noch 40. Seit 1990 haben diese Betriebe insgesamt 35 Schuhmacher ausgebildet.
 

Der Markt funktioniert

Arno Carius indes schaut stets über den Tellerrand hinaus. Am 6. Dezember 2014 eröffnete er in seinem Haus das Schuhmuseum der Innung Leipzig-Halle-Brandenburg. Bereits seit 2006 ist er Obermeister dieser Innung. Es geht noch „höher“ bei seinen Funktionen, die er alle ehrenamtlich ausübt: Carius wurde 2013 zum Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Schumacher-Handwerks (ZDS) gewählt. Zuletzt wurde er als Sachverständiger für die Ausarbeitung eines Rahmenplans für die Ausbildung der Lehrlinge berufen. Auch mit aktuellen Zahlen kann der ZDS-Präsident aufwarten. „Zurzeit gibt es in Deutschland 3.300 Schuhmacherbetriebe und 2.500 Orthopädieschuhmacher. Geht man von einem normalen Betrieb mit Meister und ein bis zwei Gesellen aus, sind es rund 20.000 Handwerker, die sich mit Schuhen beschäftigen. Diese Zahlen sind seit zwei Jahren konstant, weil der Markt funktioniert. Allerdings könnte sich das bald ändern, weil zu viele Schuhmacher in Rente gehen und der Nachwuchs wie auch in anderen Handwerksbranchen fehlt.“
 

„Mein Beruf ist mein Hobby“

Carius wollte in DDR-Zeiten Tischler werden, bekam aber keine Lehrstelle. So absolvierte er die Ausbildung zum Schuhmacher. „Ich habe es nie bereut“, erklärt er lachend und fügt an: „Heute sage ich: Mein Beruf ist mein Hobby, an dem ich nach so vielen Jahren noch Freude habe. Sonst würde ich die Ehrenämter nebenbei auch nicht schaffen.“
 

Unternehmen im Fokus

Das Handwerk der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen bildet das Fundament der regionalen Wirtschaft. Verantwortungsvolle und clevere Unternehmer stehen mit ihren Namen für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Bandbreite des Wirtschaftsbereichs zu zeigen, werden unter der Überschrift „Unternehmen im Fokus“ in unregelmäßiger Folge Unternehmen exemplarisch vorgestellt.

Dieser Artikel ist auch im Deutschen Handwerksblatt – Ausgabe der Handwerkskammmer zu Leipzig 10/2017 erschienen.


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Dr. Andrea Wolter

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