
Archivbeitrag | Newsletter 2020Sachsenhandwerk unter die Lupe genommen
Das Handwerk prägt kein anderes Bundesland so stark wie Sachsen. Der Freistaat hat die höchste Handwerksdichte bundesweit. Doch wie sieht es im Detail aus? Mit der größten Handwerksuntersuchung für ein Bundesland wurde der Wirtschaftsbereich im Freistaat Sachsen vermessen. Die resultierende Studie "Das Sächsische Handwerk 2019" liegt nun vor. Die Forscher des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen haben eine Reihe von Erkenntnissen zusammengetragen.
Insgesamt stellt das Gutachten den Status quo, Stärken und Schwächen sowie Entwicklungspotenziale des sächsischen Handwerks in einer einmaligen Untersuchungstiefe dar.
Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig, dessen Ministerium die Studie in Auftrag gegeben hat: "Sachsens Handwerkswirtschaft steht gut da; aber wir bewegen uns insgesamt auf hohem Niveau. Um dieses zu halten, werden in den kommenden Jahren beachtliche Anstrengungen nötig sein. [...] Nur mit einem starken Handwerk gibt es eine starke sächsische Wirtschaft!". Es gelte beispielsweise, die duale Berufsausbildung in den Köpfen der Bevölkerung als eine gleichwertige Alternative zum Studium zu etablieren. Auch die Zahlen zur Altersstruktur – das Durchschnittsalter sächsischer Unternehmern beträgt etwa 50 Jahre – belegen Handlungsbedarf.
Auf Basis der Studienergebnisse wollen die Handwerksorganisationen und die sächsische Staatsregierung die Weichen so stellen, dass das Handwerk zukunftssicher aufgestellt ist.
Ausgewählte Ergebnisse der Studie
Gewerbegruppen
Fast jedes zweite Handwerksunternehmen im Freistaat ist im Bau-und Ausbau tätig. Im Kfz-Bereich erwirtschaften ein Zehntel aller Handwerksunternehmen annähernd ein Drittel des Gesamtumsatzes im sächsischen Handwerk. Das Lebensmittelhandwerk wächst in der Größe, schrumpft aber in der Anzahl der Unternehmen – ohne dass es zu einem Beschäftigtenabbau kommt. Die demographischen Veränderungen führen zu Wachstum im Gesundheitsmarkt – und damit auch für die Betriebe des Gesundheitshandwerks, dessen Unternehmen im vergangenen Jahrzehnt bei Beschäftigten und Umsatz dauerhaft am stärksten (+3,5 Prozent bzw. +2,5 Prozent) gewachsen sind.
Neben der hohen Konjunkturabhängigkeit des Handwerks muss der Blick auch auf strategisch wichtige Themen wie etwa die Zukunft der Automobilwirtschaft gerichtet werden.
Starke lokal-regionale Verankerung
Etwa 90 Prozent aller in Sachsen hergestellten handwerklichen Produkte und Dienstleistungen werden nur in Sachsen abgesetzt. Nur jedes fünfte Unternehmen hat seine Kunden bzw. seinen Markt außerhalb eines Umkreises von 50 Kilometern. Die kreisfreien Städte wirken dabei als Konjunkturmotoren in der Region. Für die wirtschaftliche Lage des Handwerks ist ein Zugang zu diesen Zentren ebenso wichtig wie das Wohlstands- bzw. Kaufkraftniveau innerhalb der jeweiligen Region.
Vier Fünftel aller Handwerksunternehmen befinden sich in den Landkreisen des Freistaates. Chancen, Potenziale und Herausforderungen des ländlichen Raums sind deshalb auch unmittelbar mit dem Handwerk verbunden.
Weitere Ergebnisse
Das Durchschnittsalter der Inhaber von Handwerksunternehmen ist auf 50 Jahre gestiegen. Mehr als jeder vierte sächsische Auszubildende (rund 13.500) erlernt einen Handwerksberuf. Viele Stellen bleiben gar unbesetzt.
64 Prozent der sächsischen Betriebe sehen das Erfahrungswissen sowie die Kreativität und Freiräume der Mitarbeiter als zentralen Impulsgeber für Neuerungen. Jedes zweite Unternehmen erbringt kundenspezifische Lösungen oder Innovationen. Jährlich zeigen über 600 Jungmeister, wieviel Selbstverwirklichungspotenzial in der Aufgabenvielfalt des Handwerks liegt.
Meistergeführte Betriebe sind nach wie vor ein prägendes Kennzeichen des sächsischen Handwerks. Mehr als zwei Drittel der sächsischen Inhaber verfügten 2017 über einen Meisterbrief. Fast 80 Prozent aller Auszubildenden im Handwerk erlernen in den Meisterbetrieben einen Beruf.
Etwa 70 Prozent aller Unternehmen haben in den vergangenen Jahren in Maßnahmen zur Digitalisierung des Betriebs investiert – ein im Bundesvergleich verbesserungsfähiger Wert. Denn die noch zögerlichen Schritte in Richtung Digitalisierung werden nicht nur mit fehlenden Ressourcen, sondern oft auch mit einem unklaren Nutzen begründet. Dabei zeigt sich jedoch: Je größer die Unternehmen sind, desto eher kooperieren sie mit anderen Unternehmen etwa im Einkauf. Größere Unternehmen sind auch innovationsbereiter. Je kooperativer und innovativer die Unternehmen sind, desto höher fällt in der Regel das Beschäftigten- und Umsatzwachstum des Unternehmens aus.
Ein Rückgang des Gesamtbestandes an Handwerksunternehmen in Sachsen (seit 2008 um rund fünf Prozent) ist einerseits kritisch zu begleiten; bei gleichzeitigem Größenwachstum der Unternehmen (Beschäftigtenwachstum seit 2008 um rund zwei Prozent, Umsatz um über 17 Prozent) andererseits kann diese Entwicklung auch als Chance und Herausforderung gesehen werden.