
Archivbeitrag | Newsletter 2023Risikofaktoren für vorzeitige Ausbildungsabbrüche
Gerade hat das Ausbildungsjahr begonnen. Viele Betriebe hoffen, dass die neuen Lehrlinge bald zu vollwertigen Fachkräften reifen und sich die Personalsorgen damit mittelfristig entspannen. Manchmal wird diese Hoffnung bitter enttäuscht. Wenn der Nachwuchs plötzlich hinschmeißt und den Ausbildungsvertrag vorzeitig löst, stellt das einen Rückschlag dar, der Unternehmer vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels doppelt schmerzt.
Leider werden seit 2010 in Deutschland jährlich im Durchschnitt rund ein Viertel aller neu abgeschlossenen Berufsausbildungverträge vorzeitig gelöst. Besonders hohe Vertragslösungsquoten weisen im Handwerk die Berufe Gebäudereiniger/in, Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk, Kosmetiker/in sowie Friseur/in auf.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat deshalb analysiert, welche Risikofaktoren und Ursachen seitens der Auszubildenden zum vorzeitigen Ende einer Ausbildung führen.
Frühes Ausbildungsende durch unerfüllte Berufswünsche
Die BIBB-Experten kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die eine Berufsausbildung in einem Berufsfeld beginnen, das stark von ihren ursprünglichen Berufswünschen abweicht, ihr Ausbildungsverhältnis höherer Wahrscheinlichkeit wieder auflösen. 13 Prozent der Personen, die starke Kompromisse bei der Berufswahl eingegangen sind, beenden ihre Ausbildung bereits nach dem ersten Ausbildungsjahr vorzeitig. Bei denjenigen, die hingegen eine Lehrstelle im Wunschberuf bekommen haben, liegt der Abbrecheranteil nur bei 6 Prozent. Im weiteren Verlauf der Ausbildung bleibt dieses Größenverhältnis bestehen (nach dem zweiten Ausbildungsjahr: 18 gegenüber 8 Prozent Abbrecheranteil).
Einflussfaktoren: wenig Spaß, körperliche Belastung, Herkunft und erreichter Schulabschluss
Einen weiteren Einflussfaktor stellt die subjektive Bewertung der Ausbildung durch die Lehrlinge dar. Vor allem die Wahrnehmung der Ausbildungssituation und Faktoren wie Freude an der Ausbildung oder konkrete, zum Beispiel körperliche, Belastung fließen in eine Abbruchentscheidung ein.
Weiterhin zeigt sich anhand der durch das BIBB untersuchten Daten, dass Personen ohne Migrationshintergrund seltener von vorzeitigen Beendigungen betroffen sind als solche mit Migrationshintergrund. Zudem scheint ein höherer Schulabschluss die Abbruchwahrscheinlichkeit zu reduzieren. Das geringste Risiko besteht bei Auszubildenden mit (Fach-)Abitur. Bei Personen mit Realschulabschluss ist das Risiko etwas höher und bei Auszubildenden mit Hauptschulabschluss bzw. ohne Abschluss ist das Abbruchrisiko am größten.
Für Ausbildungen, die in Ostdeutschland begonnen wurden, ist das Risiko übrigens ungefähr 1,2-mal so groß wie für jene in Westdeutschland.
Keine nennenwerten Effekte auf den Abbruch der Berufsausbildung konnte das BIBB beim Geschlecht der Azubis finden. Es scheint auch keine Rolle zu spielen, ob Auszubildende erwarten, nach der Lehre eine gut bezahlte, interessante und/oder sichere Arbeitsstelle zu finden.
Fazit: Mehr Berufsorientierung
Das Bundesinstitut sieht diese Ergebnisse vor dem Hintergrund zum Teil massiver Fachkräfteengpässe mit Sorge und sieht den Schlüssel zu einer bestmöglichen Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen in einer besseren Berufsorientierung während der Schulzeit. Dabei sollten Formate gewählt werden, die die Jugendlichen ansprechen und die ihnen auch mögliche Karrierepfade in der beruflichen Bildung aufzeigen. Dies könnte zum Beispiel durch den verstärkten Einsatz von Ausbildungsbotschaftern und -botschafterinnen sowie digitaler Formate erfolgen.
Nicht zuletzt zeigten die Analyseergebnisse aber auch, dass Praktika nach wie vor das beste Instrument sind, um junge Menschen auf einen Beruf vorzubereiten.