Respekt und Vertrauen gegenüber beruflich Selbstständigen aus dem Handwerk einfordern!

Der Bauunternehmer Uwe Nostitz ist seit einigen Wochen Präsident des Sächsischen Handwerkstages. Im Interview äußert er sich zu den zu Vorhaben sowie zu den Erwartungen der Dachorganisation des Handwerks im Freistaat an die künftig Regierenden in Sachsen.

Flagge/Fahne des Freistaates Sachsen. Bild: Dr.Mmastersmol / stock.adobe.com
Dr.Mmastersmol / stock.adobe.com

Baukrise, Fachkräftemangel, Bürokratielasten, Unzufriedenheit mit der politischen Führung in Berlin: Die Übernahme Ihres neuen, anspruchsvollen Ehrenamts fiel in eine schwierige Zeit …

Uwe Nostritz. Bild: Sächsischer Handwerkstag / Michael Schmidt
Sächsischer Handwerkstag / Michael Schmidt

… und die Zeiten bleiben ganz sicher kompliziert. So gesehen bin ich froh, von Jörg Dittrich, der drei Jahre an der Spitze des Handwerkstages stand, ein gut bestelltes Feld übernommen zu haben. Mit drei Kammern, 25 auf Landesebene organisierten Innungs- und Fachverbänden und mehr als einem Dutzend Fördermitgliedern sind wir solide aufgestellt. Trotzdem hoffe ich, dass wir noch weitere Innungsverbände in unseren Reihen begrüßen können. Je höher der Zusammenhalt im Handwerk, umso stärker unsere politische Durchsetzungskraft!

 

Auch künftig eindeutig Position beziehen und bei politischen Verantwortungsträgern Gehör einfordern – so haben Sie Ihre Marschroute kurz nach der Wahl umrissen. Welche Schwerpunkte setzen Sie?

Zuallererst sollten wir von Politik und Gesellschaft wieder mehr Respekt und Vertrauen gegenüber beruflich Selbstständigen aus Handwerk und Mittelstand einfordern. Wir müssen wegkommen von einer Misstrauenskultur, die rechtschaffene Unternehmerinnen und Unternehmer, also wertschöpfende Leistungsträger der Gesellschaft, von vornherein unter Generalverdacht stellt. Regierungshandeln sollte sich stattdessen vielmehr darauf konzentrieren, Anreize für berufliche Selbstständigkeit zu schaffen und die duale Berufsausbildung zu stärken. Und auch der gesetzlich verbrieften Tarifautonomie in der Wirtschafts- und Arbeitswelt muss wieder deutlich mehr Geltung verschafft werden.

 

Stichwort duale Berufsbildung: Was schreiben Sie hierzu Politikern ins Hausaufgabenheft?

Mit dem Neuzuschnitt von Berufsschulstandorten im Freistaat Sachsen wurde zunächst einmal ein guter Interessenausgleich zwischen Stadt und Land erzielt. An Attraktivität gewonnen hat die duale Berufsausbildung für junge Leute in Sachsen damit aber noch nicht.

 

Warum?

Zwei Beispiele. Aufgrund des neuen Berufsschulnetzplans haben Azubis jetzt oft deutlich längere Wege zwischen Wohnort, Ausbildungsbetrieb und Berufsschulort in Kauf zu nehmen. Also muss es für Lehrlinge an den Berufsschulstandorten genügend bezahlbare Unterbringungsmöglichkeiten geben. Diese wurden uns von der Landespolitik auch zugesagt, nur eben: Eingelöst wurde das Versprechen bislang nicht. Unbedingt am Ball bleiben werden wir ebenso mit unserer Forderung an die Politik, Auszubildende und Studierende im öffentlichen Nahverkehr gleichwertig zu behandeln. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass Studierende Anspruch auf ein Deutschlandticket zum ermäßigten Monatspreis von 29,40 Euro haben sollen, Azubis aber nicht.

 

Seit Jahren macht sich der Handwerkstag für bessere Standortbedingungen stark.

Auch diese Forderung bleibt für uns signifikant. Als Wirtschaftsstandort muss Sachsen für große und kleine Unternehmen gleichermaßen attraktiv sein. Sämtliche Verkehrsachsen – gemeint sind Straße, Schiene und Luft – müssen strategisch so ausgebaut werden, dass Menschen nicht nur in Ballungsgebieten, sondern auch im ländlichen Raum bestmöglich mobil sind. Darüber hinaus legen wir großen Wert auf eine verlässliche Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe in Stadt und Land sowie – besonders in den bisherigen Kohleregionen – auf einen Strukturwandel, der wirtschaftspolitisch gezielt auf eine Wertschöpfungskompensation ausgerichtet ist.






 
Hintergrund

Uwe Nostitz, Präsident des Sächsischen Handwerkstages

Der Bauunternehmer Uwe Nostitz aus Großpostwitz bei Bautzen ist aktuell Präsident des Sächsischen Handwerkstages. Bei Neuwahlen ihrer Führungsgremien votierten die Mitglieder der höchsten politischen Interessenvertretung des Wirtschaftsbereichs Handwerk im Freistaat Mitte Mai mit deutlicher Mehrheit für den 62-Jährigen. Der diplomierte Bauingenieur hat die Nachfolge des Dresdner Dachdeckermeisters und Diplom-Ingenieurs (FH) für Hochbau Jörg Dittrich angetreten, der in den vergangenen drei Jahren an der Spitze der Landeshandwerksorganisation stand. Dittrich hatte wegen seiner zwischenzeitlichen Wahl zum Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks nicht wieder für das Spitzenamt auf Landesebene kandidiert – er wurde nunmehr zum Handwerkstag-Vizepräsidenten gewählt.

Nostitz ist seit 1990 Geschäftsführender Gesellschafter der Nostitz & Partner Bauunternehmung GmbH, Großpostwitz. Ehrenamtlich aktiv ist er seit rund 25 Jahren in unterschiedlichen Funktionen – seit diesem Jahr als Präsident des Sächsischen Baugewerbeverbandes sowie, bereits seit 2018, als Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Berlin.

Sächsischer Handwerkstag

Der Sächsische Handwerkstag ist die Spitzenorganisation des Handwerks im Freistaat, damit die höchste demokratische Vereinigung der Handwerker des Landes und zugleich maßgebendes Forum, das branchenübergreifend der Willensbildung zu allen das sächsische Handwerk betreffenden Fragen dient. Er vertritt – über alle Gewerbegruppen hinweg – aktuell rund 55.000 vorwiegend Kleinst- und Kleinbetriebe.

 www.handwerkstag-sachsen.de




 
Handwerk wirbt für stärkeren Wirtschaftsstandort Sachsen / Sächsischer Handwerkstag benennt drei Kernpunkte an die Politik

Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen hat der Sächsische Handwerkstag an alle im Handwerk Beschäftigten appelliert, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. "Unsere Stimme sollten wir jenen Akteuren aus dem demokratischen Spektrum geben, die sich ernsthaft und konsequent für die Interessen von Handwerk und Mittelstand einsetzen", wie der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Uwe Nostitz, bereits am 25. Mai vor Journalisten in Dresden erklärte.

Nach Nostitz´ Worten will sich die in Sachsen mit ihren 55.000 Betrieben, zirka 290.000 Beschäftigten und aktuell 15.000 Auszubildenden leistungsstarke Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppe Handwerk auch künftig für eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Sachsen einsetzen.

Hierzu bedürfe es allerdings auch seitens der Politik auf allen Ebenen aktiver Unterstützung, um entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen bzw. diese zu sichern, sagte der Präsident. Das sächsische Handwerk hat hierfür Forderungen und Erwartungen an die Politik in drei Kernpunkten zusammengefasst.
 

Eine Gruppe junger Unternehmensgründer. Bild: NDABCREATIVITY / stock.adobe.com
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Punkt I: Mehr Anreize und Impulse für berufliche Selbstständigkeit in Sachsen

Der Sächsische Handwerkstag begrüßt, dass die jetzige Regierungskoalition in Sachsen den 2016 eingeführten Meisterbonus inzwischen auf 2.000 Euro verdoppelt hat. Gegenüber anderen Bundesländern liegt Sachsen damit in einem „ordentlichen Mittelfeld“.

Für die neue Legislaturperiode im Freistaat erwartet das Handwerk eine weitere Aufstockung dieser staatlichen Prämie.

Mehr Anreize für potenzielle Existenzgründer erhofft sich der Handwerkstag zudem durch eine Begrenzung bzw. Reduzierung steuerrechtlicher Belastungen sowie durch eine konsequente Verteidigung der gesetzlich verbrieften Tarifautonomie.
 

Lkw-Bremslicht im Stau. Bild: stock.adobe.com / Kara
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Punkt II: Standortbedingungen für Sachsen nachhaltig verbessern

Besonderes Gewicht gilt aus Handwerkssicht dem Standortfaktor Innere Sicherheit: Menschen, die hier leben und arbeiten, die hier investieren, Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen oder auch die, die unser Land „nur“ als Touristen besuchen wollen, müssen sich wirklich sicherfühlen können.

Ein Standortfaktor von großer Bedeutung bleibt zudem, die Verkehrsachsen (Straße/Schiene/Luft) strategisch so auszubauen, dass für die Menschen ein Maximum an Mobilität nicht nur in Ballungsgebieten, sondern auch im ländlichen Raum möglich ist.

In den bisherigen sächsischen Kohleregionen muss politisch insbesondere dafür gesorgt werden, dass der Strukturwandel an die Bedingung von Wertschöpfungskompensation geknüpft ist. Als Wirtschaftsstandort muss Sachsen für große und kleine Unternehmen gleichermaßen attraktiv sein.
 

Lehrlinge, Auszubildende im Klassenzimmer. Ausbildungsberatung. Bild: Jacob Lung / stock.adobe.com
Jacob Lung / stock.adobe.com

Punkt III: Attraktivität der dualen Berufsausbildung in Sachsen erhöhen

Neben einer frühzeitigen Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Schulen legt der Handwerkstag politisch großen Wert darauf, analog zu den Oberschulen auch an Gymnasien zu einer verpflichtenden Berufsorientierung überzugehen sowie – an den Gymnasien – ein zweites Pflichtpraktikum einzuführen.

Wirksam Werbung für eine duale Berufsausbildung im Handwerk machen würde der Freistaat zudem, wenn er Schülerinnen und Schülern bei einem Ferienpraktikum in einem Handwerksbetrieb eine staatliche Prämie zahlt. „Auch wenn Sachsens Ministerpräsident sich für diese Idee offenbar nicht erwärmen kann: In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hat man mit einer Ferienpraktikums-Prämie schon recht vorzeigbare praktische Erfahrungen gemacht“, sagte Nostitz.

Für das Handwerk nicht zuletzt von Belang ist die Forderung, die im Zuge des sächsischen Berufsschulnetzplans zugesagten Unterbringungsmöglichkeiten für Azubis an den neu zugeschnittenen Berufsschulstandorten zu schaffen.

Darüber hinaus gilt, in punkto Mobilitätsförderung analog zu Studierenden auch Azubis in Handwerk und Mittelstand ein Deutschlandticket zum ermäßigten Monatspreis von 29,40 Euro zur Verfügung zu stellen.