Personalmangel in Sachsen führt zu Überstunden und abgelehnten Aufträgen

Das »Fachkräftemonitoring« der sächsischen IHKs und Handwerkskammern unterstreicht die Herausforderungen bei der Personalarbeit. Altersabgänge sind auf Rekordniveau. Die Stellenbesetzung dauert lange. Facharbeiter und Gesellen werden am häufigsten gesucht. Firmen setzen auf flexible Arbeitszeiten und ausländisches Personal.

Fachkräfte in einer Druckerei. Bild: stock.adobe.com / pressmaster
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Die sächsischen Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern im Freistaat haben ihre Mitgliedsunternehmen zur aktuellen Fachkräftesituation befragt. 1.010 Unternehmen mit rund 56.000 Beschäftigten beteiligten sich am  »Fachkräftemonitoring« 2024.

57 Prozent der Befragten weisen zusammen 3.226 offene Stellen aus. Das sind etwas weniger als bei der letzten Befragung 2022. Mit 58 offenen Stellen je 1.000 Beschäftigte wird der Höchstwert aus dem Jahr 2022 (64 offene Stellen) ebenfalls unterschritten. Am günstigsten fällt das Verhältnis in Handel und Industrie aus, am ungünstigsten in Baugewerbe, Handwerk und der Gastronomie.
 

Facharbeiter und Gesellen am häufigsten gesucht

Der leicht rückläufige Trend dürfte in der herrschenden Konjunktureintrübung begründet sein. Auf eine generelle Abnahme des Bedarfs an Fach- und Arbeitskräften kann vorerst aber nicht geschlossen werden. Facharbeiter und Gesellen werden nach wie vor am häufigsten gesucht. Branchenübergreifend entfällt auf sie nahezu jede zweite offene Stelle. Besonders hoch ist der Anteil in der Industrie. In den zurückliegenden Jahren war dieser eher das Handwerk. Dagegen ist angelerntes und ungelerntes Personal in allen Branchen weniger gefragt.

Fast die Hälfte der nicht besetzten Arbeitsplätze ist länger als sechs Monate vakant. Die Suche nach Technikern und Meistern sowie nach Hochschulabsolventen und Akademikern dauert am längsten, wobei im Betriebsgrößenvergleich deutlich wird, dass insbesondere Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern die größten Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben.
 

Fehlende Bewerbungen vor allem im Handwerk

Der Ersatz ausscheidender Mitarbeiter ist das Hauptmotiv für die Personalsuche. Altersabgänge liegen mit knapp 60 Prozent an erster Stelle und erreichen gegenüber den Vorjahren einen neuen Höchststand. Personalwechsel zu anderen Arbeitgebern bleibt auf hohem Niveau nahezu konstant. Zusätzlicher Mitarbeiterbedarf entsteht bei zwei Dritteln der Befragten aus Mehraufträgen und Neukunden. Fehlende Bewerbungen bleiben der häufigste Grund für das Scheitern von Neueinstellungen, wenn auch im Vergleich zu 2022 ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist. Das Handwerk (80 Prozent) ist davon besonders stark betroffen. Bei der Besetzung von Ausbildungsstellen bleiben vor allem in Industrie (34 Prozent) und Handwerk (35 Prozent) Bewerbungen aus. Unbesetzte Stellen führen in erster Linie zu einer Mehrbelastung des vorhandenen Personals durch Überstunden (73 Prozent). Zudem muss fast jeder zweite Betrieb neue Aufträge ablehnen. Dies betrifft insbesondere Baugewerbe und Handwerk.
 

Flexible Arbeitszeiten und ausländisches Personal

Quasi alle Unternehmen bieten direkte Leistungen zur Mitarbeiterbindung an. Gemeinsame Freizeitaktivitäten, regelmäßige Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie Prämien werden am häufigsten angeboten. Bei der Kostenübernahme für Weiterbildungen, bei Arbeitsmitteln und der finanziellen Unterstützung der Kinderbetreuung sind die Anstiege gegenüber den vorherigen Befragungen am höchsten. Drei Viertel der befragten Unternehmen offerieren darüber hinaus Leistungen, die die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf verbessern sollen, wie flexible Arbeitszeitlösungen und Teilzeitlösungen. Die Vier-Tage-Woche spielt dabei kaum eine Rolle.

Fast jeder zweite Befragte beschäftigt ausländisches Personal – ein neuer Höchstwert. Mehr als drei Viertel dieser Beschäftigten kommt aus der EU. Die Hälfte der ausländischen Auszubildenden kommt dagegen aus Drittstaaten. Knapp ein Viertel der Unternehmen will in den kommenden zwölf Monaten erstmals oder weiteres ausländisches Personal einstellen. Nach wie vor sind Sprachbarrieren das größte Hindernis bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte. Bürokratische Hürden sind im Vergleich zu den Vorbefragungen eher auf- als abgebaut worden und liegen weiterhin auf Platz zwei der Einstellungshemmnisse.
 

KI ohne Effekte auf den Personalbedarf

Erstmals wurde nach dem Einfluss künstlicher Intelligenz (KI) auf den Fachkräftebedarf gefragt. Demnach gehen zwei Drittel der Unternehmen nicht davon aus, dass die Nutzung von KI ihren Mitarbeiterbedarf verändern wird. Nur sechs Prozent rechnen mit einer Einsparung an Beschäftigten. Auffallend ist, dass viele Unternehmen die Auswirkungen von KI aufgrund der Komplexität der Technologie und der rasanten Entwicklung (noch) nicht einschätzen können.
 


Schlussfolgerungen der sächsischen IHKs und HWKs

Demografie meistern – inländische Potenziale ausschöpfen: Schlüsselthemen sind eine höhere Erwerbsbeteiligung Älterer, eine bessere Betreuung und Förderung von Arbeitssuchenden, die Senkung der Teilzeitquote durch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Optimierung innerbetrieblicher Weiterbildung.

Berufliche Bildung bekannter machen – Qualität steigern: Verpflichtende Berufsorientierung in allen Schultypen, mehr Praktikumszeiten, eine zentrale Koordinierung der Zusammenarbeit von Schulen und Wirtschaft, die Reduzierung der Schulabgänger ohne Abschluss, höhere Hürden für den Zugang zu Gymnasien und mehr Berufsschullehrer mittels angepasster Studiengänge sollen die Bekanntheit und die Attraktivität der Berufsausbildung steigern.

Internationalisierung von Belegschaften unterstützen – Arbeitsmarktzugang und Spracherwerb optimieren: Modernes Standortmarketing, wettbewerbsfähige Gehälter, Steuern und Abgaben, weniger administrative Vorgaben und eine gelebte Willkommenskultur bilden die Grundlage für eine stärkere Internationalisierung der Belegschaften. Unterstützung bei Unterbringung, Integration, Spracherwerb und effiziente Beratungsstrukturen runden die Voraussetzungen dafür ab.

Studiengänge wirtschaftsnah und bedarfsgerecht gestalten: Ein Fokus auf Kernstudiengänge, Fachhochschulen und duale Studiengänge mit hohem Praxisbezug sowie Unternehmenspatenschaften können die Verbindung zwischen Hochschulen und Wirtschaft stärken, zum Beispiel bei der Erstellung valider Prognosen künftiger Bedarfe am Arbeitsmarkt. Verpflichtende Deutschkurse für ausländische Studierende erleichtern deren spätere Integration in den sächsischen Arbeitsmarkt.


Hintergrund

Seit 2001 führen die sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) gemeinsam mit den Handwerkskammern (HWKs) das »Fachkräftemonitoring« regelmäßig durch. Der Befragungszeitraum der zehnten Erhebung lag im April/Mai 2024. Neben den Arbeits- und Fachkräftebedarfen der Unternehmen standen diesmal die Instrumente der aktiven Personalarbeit, die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer sowie die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf die Arbeitswelt im Mittelpunkt. Ziel ist es, durch eine repräsentative Umfrage in den Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen die aktuelle Fachkräftesituation in der sächsischen Wirtschaft zu erfassen. Daraus abgeleitete Hinweise und Empfehlungen sollen insbesondere Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, aber auch Unternehmen für die Herausforderungen am Arbeitsmarkt sensibilisieren.

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Marco Kitzing

Christian Likos

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