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Robert Iwanetz

Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 02/2021Glücksfall für die Lehrlinge

Ein Porträt von Robert Iwanetz.

Im Friseursalon „Reimann & Reimann“ profitieren die Azubis ungeahnt vom Corona-Lockdown Anfang 2021.

Jeanne Marie Tutein streift durch die Zimmer der großzügigen Villa im Leipziger Norden, in dem der Salon „Reimann & Reimann“ seit ein paar Jahren residiert, um schnell für Farbnachschub zu sorgen. „Endlich wird das Blau mal alle“, sagt die Ausbildungsbeauftragte des Unternehmens lakonisch. Im Damenbereich nebenan werden gerade Trainingspuppenköpfe mit Echthaar bearbeitet. Einer strahlt schon in wildem Violett, ein anderer in Neonrosa. Es sei schön, dass das Zeug mal wegkomme, findet die 23-Jährige. Die Stammkundschaft des Oberklasse-Salons würde die ausgefallenen Colorationen sowieso kaum nachfragen. Dafür seien sie ideal, um mit den drei Azubis des Unternehmens aufwendige Farbkonzepte auszuprobieren, um sie auf ihre Zwischen- und Abschlussprüfungen vorzubereiten.

Im Unternehmen, das von den beiden Schwestern Claudia und Sylvia Reimann in vierter Familiengeneration geführt wird, sind die Lehrlinge und ihre Trainerin momentan mehr oder weniger die Einzigen, die noch arbeiten. Eine Rezeptionistin kümmert sich noch um den Einkauf und eine Reinigungskraft erledigt den vorgezogenen Frühjahrsputz – ansonsten befindet sich ein Großteil der ingesamt 16 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Für die Azubis bedeutet das ungeahnte Möglichkeiten.
 

Zeitkapazitäten für Intensivseminar genutzt

„Für unsere Lehrlinge bietet der Lockdown eine einmalige Chance“, sagt Jeanne Marie Tutein. Sie meint damit die Zeitkapazitäten, die sich auf einmal für die Ausbildung auftun. Wo sie sich als Ausbildungsbeauftragte früher jeden Montag um einen Azubi kümmerte, betreut sie nun alle zusammen für drei Tage die Woche, fünf Stunden pro Tag. Seit Anfang des Jahres üben sie Schnitte, Dauerwellen und Farbakzente. „Wir führen hier praktisch ein wochenlanges Intensivseminar durch“, sagt Tutein.

Zwei Trainingspuppenköpfe verbrauchen sie im Durchschnitt pro Woche. Erst werden die Langhaar-Frisuren geschnitten, dann kommen die Herrenvarianten, bis irgendwann kaum noch Haare übrig sind. Am Material soll es jedoch nicht mangeln, findet Geschäftsführerin Sylvia Reimann. „Mir ist wichtig, dass unsere Lehrlinge weiterhin die bestmögliche Ausbildung erhalten“, sagt die Obermeisterin der Leipziger Friseurinnung.
 

Angehenden Stylisten fehlt der Kontakt zur Kundschaft

Im Zimmer nebenan schneidet gerade Anna Büchele, Auszubildende im dritten Lehrjahr, einen geometrischen Pony in das lila-gefärbte „Medium“, wie die Trainingsköpfe im Fachjargon genannt werden. Neben ihr steht Ausbildungsbeauftragte Jeanne Marie Tutein und gibt Tipps, wie sie noch akkurater vorgehen kann. Büchele bereitet sich gerade auf ihre Abschlussprüfungen im Sommer vor. Die aktuelle Situation sieht sie überwiegend positiv: „Was wir nun an einem einzigen Tag lernen, hat früher Wochen in Anspruch genommen“, sagt die 21-Jährige. Dass sie sich den Stoff aus der Berufsschule im digitalen Selbststudium aneignen muss, stört sie ebenfalls nicht. Bei komplizierten Themen wie der Lohnkostenberechnung könne man bei den Dozenten nachfragen. Nur der fehlende Kontakt zu den Kunden bereite ihr ein wenig Sorgen. „Die Souveränität im Umgang mit Kunden muss ich mir dann nach der Ausbildung schnellstmöglich aneignen“, sagt die Leipzigerin.

Momentan wird dafür viel improvisiert bei „Reimann & Reimann“. Die drei Lehrlinge und ihre Trainerin üben untereinander Frisurenberatungen und auch sonst alles, was ein Trainingspuppenkopf nicht hergibt. Am Ende soll schließlich das gesamte Salon-Team von dem intensiven Azubi-Training profitieren, weil die Lehrlinge viel weniger auf Hilfe angewiesen seien als vor dem Lockdown. Anders werde es auch nicht gehen, prophezeit Jeanne Marie Tutein. „Wenn wir wieder öffnen dürfen, ist hier erst mal Land unter.“
 

Unternehmen im Fokus

Das Handwerk der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen bildet das Fundament der regionalen Wirtschaft. Verantwortungsvolle und clevere Unternehmer stehen mit ihren Namen für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Bandbreite des Wirtschaftsbereichs zu zeigen, werden unter der Überschrift „Unternehmen im Fokus“ in unregelmäßiger Folge Unternehmen exemplarisch vorgestellt.

Dieser Artikel ist auch im Deutschen Handwerksblatt – Ausgabe der Handwerkskammer zu Leipzig 02/2021 erschienen.


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