Denkmalpflegepreis 2022. Bild: Anika Dollmeyer
Anika Dollmeyer

Glanzleistungen der Denkmalpflege

Anlässlich der europäischen Leitmesse "denkmal" auf der Leipziger Messe wurde zum 14. Mal der Denkmalpflegepreis der Handwerkskammer zu Leipzig verliehen. Der erste Preis ging an die Baufirma Gruner GmbH aus Leipzig für die Komplettsanierung des historischen Vierseithofes. Silber konnte die Restauratorin im Malerhandwerk und Malermeisterin Sandra Haselbach aus Krostitz für die Restaurierung einer Deckenbemalung. Bronze erhielt die Wolfgang Herzog GmbH für die Wiederherstellung von Dachkuppeln nach Vorlage historischer Zeichnungen. Darüber hinaus wurden Anerkennungspreise verliehen.

"Denkmalpflege setzt voraus, dass historische Techniken beherrscht werden, um Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten sachgerecht durchführen zu können. Hier sind das Know-how und die Erfahrungen des Handwerks nicht nur gefragt, sondern unverzichtbar", betonte der Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig, Matthias Forßbohm. Alle zwölf für den Denkmalpflegepreis nominierten Unternehmen belegten dies überzeugend. 

In seiner Festrede hob der Sächsische Staatsminister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, hervor: "Sachsen ist ein Land der Kulturdenkmale. Nirgendwo in Deutschland gibt es – bezogen auf die Fläche – mehr Denkmale als bei uns. Unsere Denkmale gehören zu unseren wichtigsten Schätzen. Dass viele von ihnen heute wieder in neuem Glanz erstrahlen, ist auch dem Geschick und dem Fleiß fachkundiger Handwerker zu verdanken. Der Erfolg ist überall sichtbar, hier in der Stadt Leipzig, aber auch in vielen kleinen Städten und Dörfern, an Schlössern, Kirchen und vielen anderen Kulturdenkmalen."
   

 

Holger Zürch hat die ausgezeichneten Unternehmen und deren Sanierungsobjekte im Porträt festgehalten:

 

 
 
Denkmalpflegepreis 2022 | 1. Preis | Denkmalschutzgerechte Sanierung eines einstigen Vierseithofs bei Leipzig

In letzter Minute: Handwerksmeister aus Leipzig rettet alten Bauernhof in Eula

Manchmal ist es besser, einfach zuhause zu bleiben. Und nicht absichtslos durch die Gegend zu fahren. Sonst kann es einem ergehen wie Frank Gruner – und man kauft plötzlich ein abbruchreifes Grundstück.

So geschehen in der Dorfmitte von Eula, heute ein Ortsteil von Borna: Der dortige ehemalige Vierseithof schräg gegenüber von der Kirche bestand ursprünglich aus einem Wohnstallhaus, zwei Nebengebäuden und einer Scheune. Die Gebäude wurden im frühen 19. Jahrhundert errichtet und bis 1958 bewohnt. Danach verfielen sie  mit jedem Jahr mehr. Ein Nebengebäude musste abgetragen werden, auch gab es Schäden durch Vandalismus.
 

Patient in schlechtem Zustand

"Der Zustand aller Gebäude war sehr schlecht", so Frank Gruner. Viele hätten ihn damals für verrückt erklärt, als er kurzerhand jenes Grundstück erwarb. "Doch ich wusste ganz genau, was ich tue. Ich habe gespürt: 'Das ist es!' Und es war klar, dass mich nichts und niemand davon abbringen kann."

Der 57-Jährige ist Handwerksmeister und Chef seiner Baufirma in Leipzig. Mit derzeit zehn Mitarbeitern ist Gruner seit vielen Jahren erfolgreich im Geschäft und vielseitig berufserfahren. Auf zur kleinen Bau-Zeitreise mit dem Bauherrn – am besten vielleicht am Beispiel des Hauses, das in amtlichen Dokumenten "Seitengebäude II" heißt: "Erbaut 1820, wurde das Seitengebäude 1995 unter Denkmalschutz gestellt", erinnert sich Frank Gruner. "Das Erdgeschoss war ein Stall, oben gab es ein Gesindezimmer, einen Taubenschlag und einen Heuboden. Über dem massiven Erdgeschoss aus Bruchstein das klar gegliederte, verputzte Fachwerk-Obergeschoss mit Satteldach in Biberschwanzdeckung. Alles stark ramponiert."
 

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Baufirma Gruner GmbH (alter Zustand)
privat

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Baufirma Gruner GmbH (Zustand nach der Sanierung)
Holger Zürch

So viel wie möglich wiederverwenden oder aufarbeiten

Im November 2000 stellte er den Antrag auf Baugenehmigung zum Umbau und zur Sanierung, die denkmalschutzrechtliche Zustimmung zum Bauantrag im Januar 2001. Dem Haus hätten damals nur wenige eine Überlebens-Chance eingeräumt. "Wegen jahrelanger Dachschäden waren beispielsweise viele Balkenköpfe verrottet. Mein Anspruch war, bei der Sanierung so viel wie möglich wiederzuverwenden oder aufzuarbeiten. Am besten mit altem Holz, das wir aus anderen Objekten für die Dachinstandsetzung geborgen haben. Und wir haben – abgestimmt mit der Denkmalbehörde – für das Dach die ursprüngliche Biberschwanz-Deckung ohne Vermörtelung an Ortgang und First aufgearbeitet."

Der Zementputz aus den 1980er Jahren im Erdgeschoss wurde abgeschlagen, der Bruchstein wie wieder offengelegt – ganz so wie beim benachbarten Rittergut Gestewitz. Die Sandsteingewände und das Bruchstein-Mauerwerk wurden ebenso instandgesetzt wie das sichtbare Fachwerk im Obergeschoss – historisch mit Holznägeln und Zapfen ausgeführt – und wie die Geschossdecken mit Starken und Lehmausfüllungen. Die Farbigkeit des Holzes und der Gefache erfolgte in Absprache mit dem Denkmalschutz. Die neuen Fenster im Obergeschoss entstanden historisch korrekt aus Holz, in Sechserteilung und zweiflügelig mit Sprossen. Sie lassen sich nach historischem Vorbild nach außen öffnen. Die Innenwände wurden mit Lehmputz und Naturfarben denkmalgerecht ausgeführt, das Mauerwerk denkmalgerecht saniert.

Denkmalpflegepreis 2022: Frank Gruner / Baufirma Gruner GmbH
Holger Zürch

Fazit: "Bei Sanierung und Umbau haben wir so viel wie möglich vom Altbestand erhalten – und unumgängliche Neugestaltung nach dem historischen Bestand gefertigt. So wurde auch das historische, schmiedeeiserne Hofeinfahrts-Tor neu genietet und auf dem Hof wieder das Kopfsteinpflaster verlegt." Einmal in Erzählen gekommen, schildert Frank Gruner eine Geschichte aus der Bauzeit an die andere. Schildert anschaulich das Werden und Wachsen des Vorhabens, die Erfolge – und die Rückschläge. Spätestens jetzt wird klar, dass er in Eula mit viel Herzblut bei der Sache ist. 
 

Nicht entmutigen lassen!

"Es geht wie gesagt darum, dass hier nur instandgesetzt und so viel wie möglich original erhalten werden sollte. Etwa wenn Balken mit Altholz angeschuht wurden – oder bei der Neudeckung Ziegel, welche schon drauf waren, geborgen und aufgearbeitet wurden. Als diese nicht ausreichten, habe ich im damaligen Bergelager Trebsen alte Biberschwänze nachgekauft." Unüblich für die damalige Zeit, waren die Gewände dieser Häuser aus Sandstein gefertigt. Was sich als weitere Herausforderung erwies: "Dieser Zeitzer Sandstein hat leider die Eigenschaft, sich im Laufe der Zeit schichtweise aufzulösen." Doch auch davon ließ Gruner sich nicht entmutigen – wenn es durchaus einige solcher schwachen Momente gab.

Für das Grundstück und seine historischen Bauwerke war Frank Gruner ganz ohne Zweifel der Retter in letzter Minute: "Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ohne die erfolgten Maßnahmen der Hof verfallen und somit zerstört wäre. Die Arbeiten wurden grundsätzlich denkmalgerecht ausgeführt", so die Einschätzung des Denkmalschutzes im Landratsamt in Borna. Anders gesagt, ist Frank Gruner der Retter dieses besonderen Hofes mitten in Eula. Auch wenn er das selbst nie so sagen würde. Der rastlose Handwerksmeister hat das historische Wohnhaus und die beiden Nebengebäude nach und nach saniert und Wohnungen geschaffen. Dabei wurden die Bauteile unter Wahrung der Denkmalqualitäten grundhaft gesichert und instandgesetzt – unter Anwendung historischer Handwerkstechniken.

Denkmalpflegepreis 2022: Frank Gruner von der Baufirma Gruner GmbH vor dem pramierten Sanierungsobjekt.
Holger Zürch

Insgesamt, so der Denkmalschutz, "ist die denkmalgerechte Sanierung sowohl der Einzelbauten als auch des bewahrten Bestandes der Hofanlage gelungen, die den historischen Ortskern von Eula als wesentlicher Baustein ergänzt." Und weiter: "Das Sanierungsergebnis ist nicht nur für eine geregelte Ortsentwicklung bei Wahrung des baukulturellen Erbes wesentlich, sondern trägt maßgeblich zur Identität des ländlichen Raumes im Leipziger Umland bei." "Der einstige Vierseithof prägt zusammen mit Schulgebäude, Pfarrhof und Dorfkirche das Ortsbild von Eula in besonderem Maße.
 

"Fertig wird das hier nie …"

An der Erhaltung des Hofes besteht aus architektonischen, wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Er ist ein repräsentativer Zeuge der ländlichen Bauweise aus der Zeit um 1800 und ein wichtiges, die Identität des Dorfes mitprägendes Element", so der Denkmalschutz weiter. Und dann folgt noch dieser Satz: "Die Maßnahmen sind noch nicht in allen Gebäuden abgeschlossen." Als Gruner das hört, meint er ernsthaft und zugleich mit großer Gelassenheit: "Fertig wird das hier nie …"

Wie gesagt: Manchmal ist es besser, einfach zuhause zu bleiben. Sonst kauft man unversehens ein abbruchreifes Grundstück. Und halst sich Arbeit ohne Ende auf. Manchmal jedoch erweist sich für einige wenige Menschen genau das als großer Glücksfall. Nämlich dann, wenn sich das zur selbstgewählten Lebensaufgabe entwickelt. – Frank Gruner lächelt und nickt zustimmend.

 

 
 
Denkmalpflegepreis 2022 | 2. Preis | Seltene Deckenausmalung in historischer Villa

"Wertvolles Stück gründerzeitlicher Wohnkultur"

Die Villa in Leipzigs Waldstraßenviertel, an einer Straßenkreuzung gelegen, wirkt seriös und gediegen. Im Hochparterre residiert – gleichermaßen seriös und gediegen – das Notariat. Dessen größter und beeindruckendster Raum ist das Urkundenzimmer. Dort werden ernste, gewichtige und weitreichende Angelegenheiten geregelt. Wer ein waches Auge für das Ambiente hat, entdeckt an just jener Zimmerdecke etwas Einzigartiges. Etwas, das auch in Leipzigs altehrwürdigen Bauten Seltenheitswert hat: eine historische Deckenausmalung.

Sandra Haselbach hat berufsbedingt einen besonders prüfenden Blick. Als sie jetzt das repräsentative Zimmer betritt, wird ihr Blick noch eine Spur schärfer als sonst. Anders als viele, die hier hereinkommen, schaut sie sofort an die Zimmerdecke, die sie aus nächster Nähe kennt. Und mustert sie mit kritischer Gründlichkeit. Der 44-jährigen Krostitzerin und ihrem Können ist es zu verdanken, dass dieses deckenfüllende Schmuckwerk heute in nahezu ursprünglicher Schönheit wieder erstrahlt.

Denkmalpflegepreis 2022: Restauratorin im Malerhandwerk und Malermeisterin Sandra Haselbach in sanierten Objekt.
Holger Zürch

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Restauratorin im Malerhandwerk und Malermeisterin Sandra Haselbach (sanierter Zustand)
privat

Denkmalpflegepreis 2022: Restauratorin im Malerhandwerk und Malermeisterin Sandra Haselbach mit der Trophäe des Denkmalpflegepreises.
Anika Dollmeyer

 
Zu sehen sind darauf frische Früchte und forsche Fabelwesen, schlemmerische Speisen und genussreiche Getränke, kunstvolle Kränze und organische Ornamente. Alle farblich wie auch symmetrisch aufeinander abgestimmt und detailreich miteinander verflochten. Ursprünglich diente jenes Zimmer mit der hochwertigen Deckenmalerei als feierlich-festliches Speisezimmer. Leipzigs Rats-Maurermeister Heinrich Purfürst baute diese Villa zwischen 1864 und 1865. Doch wer mit künstlerischer Pinselführung das Deckengemälde schuf, ist nicht überliefert.

1995 begann die Sanierung der Villa, dabei stießen Fachleute auf die hochwertige Deckenausmalung. Deren Restaurierung wurde zurückgestellt, sie wurde übergangsweise fachlich korrekt mit Makulatur-Papier und Zell-Leim gesichert und einfarbig überstrichen. Mehr als zwei Jahrzehnte später kam die Fachfrau ins Spiel: Der Eigentümer hatte sich entschlossen, die Deckenausmalung restaurieren zu lassen. "Zunächst ging es darum, die Übermalung von damals abzunehmen", erinnert sich Sandra Haselbach. "Dann folgten die Sicherung, Reinigung und Festigung des Deckengemäldes, das Schließen von Fehlstellen sowie das farbliche Angleichen der nachgebesserten Bereiche – und schließlich die Retusche von Fehlstellen und Bemalung."
 

Ausdauer, Detailverliebtheit und Geduld

Hört sich sachlich-knapp an. Doch war es für sie aufwändige, täglich herausfordernde Arbeit – in luftiger Zimmerhöhe auf der Arbeitsbühne, mit erhobenen Händen und dem Kopf im Nacken. Eben etwas für Leute mit der gewissen Extra-Portion an Ausdauer, Detailverliebtheit und Geduld. Monatelang war Sandra Haselbach hier zugange – zusammen mit dem Maler und Künstler Bernd Döninghaus.

"Angestrebt haben wir einen dem Alter entsprechenden, authentischen Gesamteindruck der Decke", so Haselbach. "Zusammen mit den grundhaft überarbeiteten Wandflächen ging es um ein stimmiges Raumkonzept. [...] Nach Abnahme des Makulatur-Papiers ohne Schädigung der Originalbemalung fanden wir die bauzeitliche Deckenausmalung zwar verschmutzt und mit Schäden vor, doch in einem guten Zustand. Wesentliche Bereiche mit Bemalung waren gut erhalten, sodass Fehlstellen mittels Retuschen geschlossen werden konnten. An einigen Bereichen war die figürliche Bemalung so geschädigt, dass wir Muster und Proben zur Art und Weise der Rekonstruktion der Bemalung angelegt haben."

Es folgten Schritt für Schritt zahlreiche Arbeiten, gefolgt von der Spachtelung aller Risse, Löcher und weiterer Schädigungen mit Verschleifen und Grundieren, schaut Sandra Haselbach zurück. Hinzu kam Stuckateurmeister Jens Barthelmes mit seinem Fachwissen, sodass mit der Stuckierung der gebührende Rahmen für die historische Deckbemalung professionell in Szene gesetzt werden konnte. "Alle Farbigkeiten wurden in Handausmischung auf der Palette angemischt, verprobt und bei Übereinstimmung verwendet. Insgesamt zeigt sich die gereinigte und retuschierte Deckenbemalung von 1865 in einem leicht belebten, aber geschlossenen Bild, dem – wie beabsichtigt – das Alter anzusehen ist."
 

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Restauratorin im Malerhandwerk und Malermeisterin Sandra Haselbach (alter Zustand)
privat

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Restauratorin im Malerhandwerk und Malermeisterin Sandra Haselbach (sanierter Zustand)
privat
 

"Nach hinten ist es etwas ausgeufert"

Das Familienunternehmen Haselbach gibt es in dritter Generation: 1949 von Malermeister Alois Haselbach in Krostitz gegründet, übernahm Reinhard Haselbach 1979 die Verantwortung. Seit 2010 führt Sandra Haselbach die Geschicke. 1997 bestand sie die Gesellenprüfung zur Maler- und Lackiererin – und wurde bester Lehrling im Kammerbezirk Leipzig. Ihr Meisterabschluss folgte im Jahr 2000, der Abschluss als Restauratorin im Handwerk im Jahr 2003. Sie ist Mitglied in der Fachgruppe Denkmalpflege Kirchenmaler.

Wie sieht die Krostitzerin rückblickend diesen Auftrag? "Für mich war das jeden Tag Anspornung und Herausforderung." Der Festmahl-Deckenteppich, etwa sechs Meter mal sieben Meter groß, beanspruchte bis zur Vollendung der Restaurierung vier Monate: "Nach hinten ist es etwas ausgeufert", flachst die rotblonde Frau.

Und was meint der Denkmalschutz zu der von ihr restaurierten Deckenausmalung? "Die Auflagen der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung wurden von der Firma Haselbach vollständig und in hoher handwerklicher Qualität umgesetzt", so die zuständige Denkmalschutzbehörde. "Die Restaurierung der Decke erfolgte ohne Substanzverlust – aber dennoch so, dass Alterungsspuren sichtbar geblieben sind. [...] Notwendige Ergänzungen von stark geschädigten Bereichen, die zur Lesbarkeit der Malerei unabdingbar sind, wurden in hoher künstlerischer Qualität ausgeführt", schreibt Leipzigs Amt für Bauordnung und Denkmalpflege weiter: "Ein wertvolles Stück gründerzeitlicher Wohnkultur ist nun wieder erlebbar und dauerhaft gesichert."

 www.malermeister-haselbach.de

 

 
 
Denkmalpflegepreis 2022 | 3. Preis | Dach-Rekonstruktion auf historischer Villa

Villendach in Leipzig-Leutzsch wieder elegant – mit den ursprünglichen Schiefer-Kuppeln

Er war ein erfolgreicher Unternehmer: Hermann Schlag, Chef und Eigentümer einer Buchdruckerei in Leipzig, träumte vom eleganten Wohnhaus als Altersruhesitz. 1895 war es in Leutzsch soweit – seine Villa Schlag im neobarocken Stil wurde vollendet. Die Krönung damals im wörtlichen Sinn: Das stattliche Schieferdach mit kleinerer und mit größerer Kuppel.

Die Jahrzehnte vergingen, Menschen zogen ein, Menschen zogen aus. Irgendwann hatte das inzwischen bejahrte Dach des repräsentativen Hauses umfangreichen Reparaturbedarf. Es wurde schließlich auch repariert – doch dabei verschwanden die beiden Kuppeln. War es Mangel an Schiefer, Mangel an Dachdecker-Fertigkeiten, Mangel an Geld? Oder Mangel an allen drei Dingen? Die Dokumente verschweigen die Antwort auf diese Fragen.

Was ist überhaupt ein Dach? Ein Dach ist im Bauwesen die handwerkliche Konstruktion, die die darunter liegenden Räume und Flächen nach oben abschließt. Es schützt vor Hitze und Kälte, vor Regen und Frost, vor allen Arten von Witterung. Das Dach trennt mit den Außenwänden den Außenraum von Wohn- und Lebensraum im Inneren. Seine Gestaltung ist prägend für das gesamte Bauwerk und verleiht ihm sein unverwechselbares Aussehen.

Das Dach ist also die Krone auf dem Haupt jedes Hauses, jeder Villa. Fragen Sie dazu mal einen Dachdecker – Sie werden höchstwahrscheinlich alles andere als eine wortkarge Antwort bekommen!

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Wolfgang Herzog GmbH (historische Bauzeichnung)
privat

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Wolfgang Herzog GmbH (sanierter Zustand)
Holger Zürch

Drei Jahre bis zum Okay für die Fördermittel

Der "Krone" der Villa in Leutzsch fehlten seit dem "Umbau" die bedeutsamen "Zacken" – die Krone hatte erheblich an Strahlkraft eingebüßt. Als Meilenstein für das Dach der Villa erwies sich schließlich der Eigentümerwechsel: Der neue Eigentümer erkannte das Fehlen der Kuppeln als Mangel und beschloss, sie wiederherstellen zu lassen. Der Zuschlag ging an das Dachdeckermeister-Unternehmen gleich in der Nähe, die Wolfgang Herzog GmbH. Hinzu kamen die für den Auftrag erforderlichen anderen Gewerke, um dieses besondere Vorhaben zu verwirklichen.

Und so gingen die Dachspezialisten um Unternehmens-Chef Alexander Herzog (46) ans Werk. "Viele unserer Kunden wollen einen regionalen Auftragnehmer, jemanden aus der Nähe. Unsere Visitenkarte sind dabei unsere anspruchsvoll ausgeführten Dach-Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten, die unser Unternehmen besteht." Gegründet, aufgebaut und viele Jahre geführt hat es Senior-Chef Wolfgang Herzog (68). Vier Gesellen gehören heute dazu, sie arbeiten in zwei Teams. Der Lehrling wechselt je nach Auftrag zwischen den Teams. Jede besondere Dach-Rekonstruktion hat ihren Preis, drei Jahre dauerte es zum Okay für die Fördermittel. Von Anfang an gab es bei diesem Vorhaben ein enges Miteinander mit Frau Baumecker von Leipzigs Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Alexander und Wolfgang Herzog schätzen sie aus jahrelanger Zusammenarbeit.
 



Alexander Herzog und Wolfgang Herzog vor der neu bekrönten Villa in Leipzig-Leutzsch
Holger Zürch
Alexander Herzog und Wolfgang Herzog vor der neu bekrönten Villa in Leipzig-Leutzsch


 
Erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Gewerken

Die denkmalpflegerische Abnahme verlief daher auch reibungslos. Die dabei angewandte Spitzwinkel-Schablonendeckung mit auslaufendem End- und Anfangsort – so die fachgerechte Bezeichnung – war "nichts Alltägliches", erinnert sich Alexander Herzog und stapelt dabei tief. Sie fand angemessene Anerkennung: "Die Kuppeln sind wohlproportioniert ausgebildet und handwerklich in hervorragender Art mit Naturschiefer gedeckt", so die Jury zum Denkmalpflegepreis 2022 der Handwerkskammer zu Leipzig. "Die Flächeneindeckung der Kuppeln und Gauben erfolgte in Schuppendeckung und die Ortausbildung in einer Spitzortdeckung."

Und weiter: "Der Dachdeckermeisterbetrieb Wolfgang Herzog GmbH hat in Zusammenarbeit mit den Zimmermännern, Stuckateuren und dem Metalldrücker eine vorbildhafte Leistung vollbracht. Sämtliche Anschlüsse wurden detailgenau mit den am Bau noch vorhandenen und als Vorbild dienenden Profilen ausgeführt. Die Zinkblechspitzen sind gemäß der historischen Zeichnung gefertigt worden. Mit einem gewissen Witz sind die ehemals schmiedeeisernen Zierelemente auf den historischen Gauben in Lasertechnik ausgeführt, wodurch mit der modernen Technik ein Hinweis auf die Rekonstruktion zum Ausdruck kommt."

Nun strahlt sie wieder, die Krone der Villa in Leutzsch: Für den Eigentümer zur Ehre, für die ursprünglichen Baumeister als Reverenz, für Leipzig als einzigartiges Baudenkmal. Und nicht zuletzt für das Dachdeckerunternehmen Herzog als herausragende, schieferüberzogene Visitenkarte.

 www.herzog-dach.de

 Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt der Wolfgang Herzog GmbH (Dokumentation Baufortschritt)
privat

 

 
 
Denkmalpflegepreis 2022 | Anerkennung | Tête-à-tête"-Sofa durch Posamenten-Manufaktur Simone Howe restauriert

Filigran verschlungene Meisterwerke aus Taucha

"Nur wenn man das, was man macht, liebt, kann man Einzigartiges leisten", steht auf ihrer Internetseite. Was meint Simone Howe damit? "Ganz einfach: Das ist jeden Tag mein Motto, ich bin mit viel Liebe und Feuereifer bei der Sache. Ich habe Riesenfreude an meiner Arbeit!"

Ihr Handwerk ist sehr selten. Oft wird sie gefragt, was genau sie als Posamentiererin macht. "Posamente ist der aus dem Französischen stammende Sammelbegriff für schmückende Geflechte – also Zierbänder, gewebte Borten, Fransenborten, Kordeln, Litzen, Quasten, Volants sowie Spitzen aller Art, überzogene Knöpfe und Ähnliches mehr. Posamenten sind meist Verzierungen für Kleidung, Polstermöbel aller Art, für Lampenschirmen, Vorhänge und alle möglichen Heimtextilien. Ich fertige in Handarbeit kunstvoll gestaltete Posamenten, Accessoires für Bekleidung wie Knöpfe und Verschlüsse sowie textilen Schmuck und Dekorationsbedarf. Kurzum alles, was schön aussieht!"
 

Borten, Fransen, Kordeln, Litzen, Quasten

Simone Howe hat sich in den vergangenen Jahren auf die originalgetreue Anfertigung von Posamenten spezialisiert, was ihr die Türen öffnete zu Museen und Schlösser. "Ich rekonstruiere mit Hilfe alter Techniken nach historischen Vorlagen – mitunter fadengenau unter Verwendung der Original-Garne aus den Geweben."

Ihre wichtigsten Maschinen dafür stammen aus dem späten 19. Jahrhundert, so etwa der hölzerne, mehr als 100 Jahre alten Jacquard-Webstuhl. "Alle meine Arbeiten sind Einzelstücke – sie entstehen im Kundenauftrag und nach deren Material- und Farbwünschen", erzählt die 48-Jährige.
 

Dreht berufsbedingt oft am Rad: die Posamentiererin
Holger Zürch
Dreht berufsbedingt oft am Rad: die Posamentiererin

"In meinem Bereich bin ich deutschlandweit die Einzige"

"Ich verwende vor allem Seide, Viskose und Baumwolle. An Garnen steht eine riesige Auswahl zur Verfügung, und auch bei den Farben ist nahezu alles möglich. Für Posamenten im öffentlichen Bereich wird aus Brandschutzgründen schwer entflammbarer Polyester genutzt."

Wie ist sie Posamentiererin geworden? "Los ging es mit meiner Ausbildung zur Textilmustergestalterin in der Fachrichtung Webtechnik. Das war an der traditionsreichen Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen", erzählt die Frau aus Baden-Württemberg. Die schloss sie als zweite Landessiegerin ab. "Dann habe ich über die Jahre meine Kunstfertigkeit im Weben ausgebaut und umfangreiches fachliches Können im Posamentieren erworben." Howe war mehr als zwei Jahrzehnte Angestellte beim Marktführer in Bayerns Hauptstadt.

Dann stellte die Liebe die Weichen: Sie lernte ihren späteren Mann aus Dessau kennen – und es reifte die Idee, gemeinsam in Leipzig zu leben. "Bei dieser Gelegenheit machte ich mich Mitte 2019 mit 'Howe Home' selbständig und habe mir meinen Berufstraum erfüllt. Seitdem verwirkliche ich mit viel Herzblut die Wünsche meiner Kunden."

Wo historischer Textilschmuck restauriert werden soll, ist ihr Können gefragt. So finden sich Howes Arbeiten etwa im Schloss Oranienbaum und im Schloss Ludwigslust. Aufträge kommen aus dem In- und Ausland, wie jüngst aus der Schweiz zur Erneuerung der Wandbespannung in einer Privatvilla.

An Arbeit scheint es für Simone Howe also auch künftig keinen Mangel zu geben, oder? "In meinem Bereich bin ich deutschlandweit die Einzige", lautet die bündige Antwort.

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von Simone Howe (alter Zustand)
privat

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von Simone Howe
privat

Historische Vorlage (links) und originalgetreue Rekonstruktion
privat
Historische Vorlage (links) und originalgetreue Rekonstruktion

Ein Werk von Simone Howe ist bis März 2023 im Grassimuseum Leipzig zu sehen: Dort steht in der Ausstellung "Besessen" zur Kunst des Polsterns jenes bemerkenswerte "Tête-à-tête"-Sofa, an dessen Rekonstruktion sie beteiligt war. 

Wie geht´s weiter? Selbstverständlich hat die Unternehmerin, die in Leipzig wohnt, Pläne: Sie braucht eine größere Werkstatt – und will zugleich mit gleichgesinnten Handwerkern und Künstlern unter einem Dach arbeiten. Die Idee ist weit gereift, ein passendes Objekt in Leipzig gefunden, der Vertrag unterschriftsreif. So kommen Simone Howes filigran verschlungene Meisterwerke wohl schon bald aus Leipzig.

 www.howe-home.de

 

 
 
Denkmalpflegepreis 2022 | Anerkennung | Rekonstruktion an Gründerzeit-Haus in Leipzig-Sellerhausen

Historische Dekorationsmalerei wertet Wohnumfeld auf

Es ist wie eine Zeitreise in das Jahr 1890: Die spiegelsymmetrischen Ornamente an den Wänden sind harmonisch gestaltet, sie leuchten dezent in gedeckten Farben. Still und matt fällt herbstliches Tageslicht durch das Holzfenster, leise knarren die Eichendielen. Eine Atmosphäre fast wie in einem behaglichen Wohnzimmer der Gründerzeit. Die Augen sind auf Rundschau nach etwas Bequemen für fünf Minuten Pause, nach einem Sessel oder einem Sofa. Und sehen Treppenstufen … Jäh zerreißt ein surrender Ton die Stille, das Smartphone holt zurück ins Hier und Jetzt. Der Blick streift wach umher und bestätigt: Nein, das hier ist kein Wohnzimmer, es ist ein Treppenhaus. Wenn auch mit großer Wahrscheinlichkeit eines der schönsten in und um Leipzig.

Denkmalpflegepreis 2022: Eins der beiden durch malerwerkstätten.com eindrucksvoll wiedererstandenen Treppenhäuser.
malerwerkstätten.com / Sven Winter
 

"Schützenswertes Kulturdenkmal" nach Paragraph 2 SächsDSchG

Holger Köhler weiß so einiges über das Grundstück: "Das vierstöckige Wohngebäude hier im Stadtteil Sellerhausen-Stünz wurde um 1890 vollendet. Genau genommen sind es zwei Mietshäuser, die Wurzner Straße Nummer 143 und 143 b – mit gemeinsamer Toreinfahrt zur Straße und zwei Treppenhäusern auf der Hofseite." Das keilförmige Grundstück ist groß, es endet hinten an den Eisenbahnschienen, die Leipzig mit Dresden verbinden. "Im Hof gibt es an der Seite und in der Mitte mehrere Gebäude und einen sanierten, nicht mehr genutzten Schornstein. Doch wer hier einst welches Gewerbe betrieb, wissen wir nicht genau."
 

Der 44-Jährige kennt das Grundstück aus beruflichen Gründen: Die Gebäude-Einheit ist "Schützenswertes Kulturdenkmal" nach Paragraph 2 des "Gesetzes zum Schutz und der Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen" (und dessen Kürzel SächsDSchG unaussprechlich). So kam es, dass ihm als Restaurator der Auftrag erteilt wurde, die originalen Farbfassungen in den beiden Treppenhäusern und in den Tordurchfahrten herauszufinden. Mit dem Ziel, diese wieder in ursprünglicher Schönheit neu erstehen zu lassen. Er machte sich ans Werk – und erstellte nach umfangreichen Untersuchungen das 90-seitige Dokument "Analyse der Farbfassungen im Objekt Wurzner Straße 143 / 143b".

Seit fünf Jahren arbeitet Holger Köhler beim Unternehmen malerwerkstätten.com in Leipzig und ist als Leiter des Restaurierungs- und Dekorationsmalerteams verantwortlich für fünf Fachhandwerker. Fünf von 120 Mitarbeitern, die das Rückgrat des Unternehmens bilden. Das Unternehmen malerwerkstätten.com ist als mittelständiges Handwerksunternehmen seit 15 Jahren in den Regionen Leipzig, Halle (Saale), Dresden und Chemnitz erfolgreich tätig. Seitdem hat es weit mehr als 1.000 Projekte fertiggestellt.
 

Nässeschäden als Putzabsprengungen und Salzausblühungen

"Die beiden Treppenhäuser und die zwei Durchfahrten waren in mäßigem Zustand – mit Nässeschäden als Putzabsprengungen und Salzausblühungen. Besonders gravierend waren diese bei der hinteren Durchfahrt", erinnert sich der Diplom-Ingenieur, der an Leipzigs Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur sein Fachwissen erworben hat.

Denkmalpflegepreis 2022: Anerkennung für malerwerkstätten.com
malerwerkstätten.com / Sven Winter

Denkmalpflegepreis 2022: Anerkennung für malerwerkstätten.com
malerwerkstätten.com / Sven Winter

"Die erste Fassung ist hinsichtlich ihrer gestalterischen und farblichen Merkmale fast vollständig nachvollziehbar und als gestalterisch wertvoll einzustufen", schrieb er in seiner Bestandsaufnahme. "In den Treppenhäusern wurde eine zweite, gestalterisch wertvolle Fassung sondiert und in der Befunddokumentation aufgeführt." Zum Zeitpunkt der Untersuchung war die originale Putzschicht an Wänden und Decken fast vollständig erhalten. An der Deckenfläche sind florale Motive erkennbar, die nicht gleichförmig, sondern alternierend gestaltet waren. Probesuchungen der Malereien wiesen auf die Gestaltung in Freihandmanier hin. Grundsätzlich gab es die Kombination von Freihand- und Schablonierarbeiten sowie diversen Linierungen. Jedoch ließen sich die die oberen Malschichten nur sehr schwer von der originalen trennen. Im Oberwandbereich unter der Decke ebenfalls florale Gestaltungen in Freihandtechnik ausgeführt. 

Es sind stoffartige Gehänge erkennbar. In manchen Bereichen haben sich der Malträger und die darauf liegenden Malschichten durch eingedrungenes Wasser großflächig vom Mauerwerk gelöst. Innerhalb der Rahmung war ein großformatiges Ornament – ein Brokat – in Schabloniertechnik angebracht. Weiterhin ist auf einem monochromen Fond ein polychromes Ornament in Schabloniertechnik angebracht. Der untere Wandabschluss wird durch einen monochromen, bräunlichen Sockel gebildet, auf dem eine stiltypische Steinimitationsarbeit nachweisbar ist. Um den Eindruck von montierten Steinplatten entstehen zu lassen, wurde der Sockel durch eine Bänderung in einzelne Kassetten unterteilt.

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von malerwerkstätten.com (alter Zustand)
malerwerkstätten.com / Sven Winter

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von malerwerkstätten.com (sanierter Zustand)
malerwerkstätten.com / Sven Winter

Etwa eine Generation später, also 20 bis 30 Jahre nach Erbauung und Erst-Ausmalung, gab es eine Renovierung. Das belegen die geometrischen Ornamente, die in Schabloniertechnik im Bereich der Wände und Decken ausgeführt sind. In einem Treppenhausbereich fand sich in einer Rundnische eine Illusionsmalerei – eine fensterartige Mauerwerksöffnung mit Blick in eine idyllisierende Landschaft. Die Situation wurde aufgenommen und in einem gesonderten Bericht erfasst.

Weiter berichtet Holger Köhler: "Die Rahmen und Blätter der Wohnungseingangstüren und Türen der ehemaligen Abstellkammern weisen im Original eine Holzimitationsarbeit in grünen Farbtönen auf. Die Treppenanlage bestehend aus Treppenwangen, Setzstufen und Laufunteransichten sind im Original materialsichtig und mit einer ölhaltigen Lasur im Farbton Nussbaum versehen. Die Handläufe und Geländerstäbe wurden identisch behandelt und weisen eine Lasur in Eiche auf, wobei das Material direkt auf das Holz aufgebracht wurde. Die Handlaufhalter sind schwarz gestrichen."
 

"Denkmalschutzauflagen in hoher handwerklicher Qualität umgesetzt"

Die erste nachweisbare Fassung im Bereich der Durchfahrten und Treppenhäuser lässt sich nahezu vollständig darstellen. Die Wand- und Deckenflächen der vorderen Durchfahrt müssen in erhöhtem Umfang freigelegt werden, um die gestalterischen Merkmale nachvollziehen zu können. Die Gestaltung sämtlicher Bereiche kann durch eine Rekonstruktion erfolgen. Die ursprünglichen Kasein- und Leimfarben können entsprechend dem Stand der Technik durch haltbare Dispersionsfarben oder Acrylate ersetzt werden. Es sollte allerdings darauf geachtet werden, dass sie in Mattigkeit oder Glanz den Ursprungsfarben entsprechen.

Restaurator Holger Köhler
Restaurator Holger Köhler

"Es ist empfehlenswert, vor Beginn festgelegter Renovierungen Farbachsen anzulegen und die Gestaltung mit der verantwortlichen Behörde für Denkmalschutz abzustimmen. Des Weiteren sollten die im Zuge der Analyse beigebrachten Befundstellen mindestens bis zu den notwendigen Absprachen mit der Behörde für Denkmalschutz erhalten bleiben." Für die Arbeiten hatten Köhler und seine Kollegen nun eine gute fachliche Grundlage. Mit Zuversicht ging es ans Werk, jeder Tag brachte neue Erfahrungen – und die Erkenntnis für die hochwertige Arbeit der ursprünglich dort tätigen Malerkollegen aus der Zeit um 1890.

Das hohe Niveau der Rekonstruktions-Arbeiten wird auch offiziell bestätigt: "Die Auflagen der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung wurden durch die Firma Pleier vollständig und in hoher handwerklicher Qualität umgesetzt", heißt es von der Denkmalschutzbehörde. "Das erfolgte in enger Abstimmung mit der unteren Denkmalschutzbehörde von Ort. Grundlage für die Ausführung war die restauratorische Befunduntersuchung und Dokumentation, deren Inhalt vollständig umgesetzt werden konnte. So konnte ein wichtiges Beispiel gründerzeitlicher Dekorations-Malerei wieder erlebbar gemacht werden."

Die jetzt in alt-neuer Schönheit erstrahlenden Treppenhäuser und Tor-Durchfahrten – sie waren ursprünglich Beleg für den damaligen gehobenen bürgerlichen Zeitgeist und das Selbstverständnis einiger Bauherren, denen es um mehr ging als "nur" um die stilvoll gestaltete Fassade ihres Hauses.

Zum Schluss verweist Köhler noch auf einen erfreulichen Effekt dieser besonderen Treppenhäuser: "Wir haben von der Hausverwaltung die Rückkopplung, dass die Mieter hier vorsichtig und rücksichtsvoll entlanggehen. Es gibt deutlich weniger Schmutz- und Schadstellen als in herkömmlichen, weiß gestrichenen 08/15-Treppenhäusern." Er schaut sich prüfend um – und ist mit dem, was er sieht, offenkundig zufrieden. "Für mich ist diese Sorgfalt auch ein Zeichen für den Respekt vor unserer Arbeit."

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Denkmalpflegepreis 2022 | Sonderpreis | Maurermeister und Restaurator im Maurerhandwerk Bernd Bubnick wird für langjährig verdienstvolles Wirken in der Denkmalpflege geehrt | Rekonstruktion einer historischen Grotte in Großdeuben

Zweiter Frühling für besonderes Gartenversteck

Einfach nur für sich sein, sich verstecken, unsichtbar werden. Sich mal aus dem Alltag rausnehmen. Solche Wünsche sind keine Erfindungen unserer ruhelosen Gegenwart – es gab sie auch früher schon. Das zeigt ein einzigartiges Bauwerk in Großdeuben. Sie muss einen Hang zur Romantik gehabt haben, die einstige Bauherren-Familie. Eine stolze Villa erbauen zu lassen ein gutes Stück vor den Toren Leipzigs, das konnten sich damals wie heute nur wenige Sehr-gut-Betuchte leisten. Und zusätzlich eine künstliche Grotte als verschwiegenen Ort, das ist zweifellos sehr speziell.

So geschehen in Großdeuben, einem Ortsteil von Böhlen, südlich von Leipzig vor etwa 100 Jahren. Nachdem die stolze Villa im Spätjugend- und Reformstil vollendet war, gab es offenbar noch ausreichend Geldmittel für so ein spezielles Extra. So wurde sie fachkundig erschaffen, gut zwei Meter hoch in der Mitte, fast sechs Meter breit – und mit kleinem Teich davor, in dem das Wasser beruhigend plätscherte. Nur wenige Meter hinter dem Zaun gelegen, ist die Grotte von der verkehrsreichen Straße aus kaum zu sehen.

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von Maurermeister und Restaurator im Maurerhandwerk Bernd Bubnick (alter Zustand)
privat

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von Maurermeister und Restaurator im Maurerhandwerk Bernd Bubnick (sanierter Zustand)
privat

Was ist überhaupt eine Grotte? Abgeleitet vom italienischen Wort "grotta" = Höhle, ist sie ein von der Natur oder vom Menschen erschaffener Hohlraum geringer Größe. Kunstvoll gestaltete Grotten sind beliebte Gestaltungselemente der Gartenkunst. Was mag die Grotte in Großdeuben alles erlebt haben an bewegten und gefühlvollen, schicksalhaften und knisternden Momenten … Jahre und Jahrzehnte vergingen, der Zahn der Zeit nagte unerbittlich an ihr. Es kam der Tag, da musste sie vor dem Schlimmsten bewahrt werden – rigoros mit einer profanen Mittelstütze. Alles andere als elegant – ein "Grotte mit Krückstock" sozusagen. Wurde als schnöde Abstellkammer für allerlei Gartenkram genutzt und harrte weiter einer wenig verheißungsvollen Zukunft …

Rabitz-Grotte aus Putz auf einer Unterkonstruktion aus Metall

Doch dann ein Wunder: Die Grotte erlebt ihren zweiten Frühling. Dass sie ihn erleben darf, ist vor allem das Verdienst der jetzigen Eigentümer: Sie haben das Alleinstellungsmerkmal ihres Grundstücks erkannt und ihre Verantwortung dafür wahrgenommen. Und es ist das Verdienst von Bernd Bubnick, der im Auftrag der Eigentümer die Rekonstruktion und Restaurierung der Grotte verwirklichte. Und dieser Grotte tatkräftig mit umfangreichem Wissen und Können zum zweiten Frühling verhalf. Etappenweise über mehrere Jahre von 2017 bis 2021. Besondere Vorhaben brauchen Extra-Zeit. Auch für den 58-jährigen geprüften Meister, Restaurator und Gestalter im Maurerhandwerk, den freien geprüften Sachverständigen Putz und den geprüften Gebäudeenergieberater im Handwerk eine Herausforderung der besonderen Art.

"So einen Auftrag hatte ich noch nie", erzählt Bernd Bubnick mit Blick auf die sogenannte Rabitz-Grotte. Rabitz ist die Bezeichnung für Drahtputz aus einer tragenden Unterkonstruktion aus Metall, dem Rabitzgitter als Putzträger, und Putzmörtel. Entwickelt von Maurermeister Carl Rabitz aus Berlin und 1878 zum Patent angemeldet. Die große Eigentragfähigkeit und die freie Ausformbarkeit einer gerabitzten Fläche ermöglichen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten – etwa in der Denkmalpflege.

Die Grotte hat die Form einer Halbkuppel, ihre Rückseite ist mit Erde bedeckt, so dass sie von hinten wie ein Hügel wirkt. Ihre sichtbare Fläche erinnert an eine Korallengrotte wie von Mutter Natur geschaffen – doch sie ist Menschenwerk. Beim ursprünglichen Bau wurden natürliche Korallenriff-Kalksteine in die Oberfläche eingefügt. Die Wandstärke beträgt 30 bis 60 Zentimeter, teilweise auch noch stärker. 
 

Denkmalpflegepreis 2022: Maurermeister und Restaurator im Maurerhandwerk Bernd Bubnick am Sanierungsobjekt.
Holger Zürch

Denkmalpflegepreis 2022: Sanierungsobjekt von Maurermeister und Restaurator im Maurerhandwerk Bernd Bubnick (Detail)
privat

Grottenfuß, Travertinbrocken und T-Träger

"Die Recherche nach dem Steinmaterial für die Rekonstruktion war sehr umfangreich, das musste ja schon etwas Besonderes sein. Die Lösung war schließlich Travertin aus Thüringen mit vielen Versteinerungen von Blättern." Bernd Bubnick stimmte sich bei den Arbeiten immer wieder mit dem Diplom-Restaurator Wagner ab.

Und ging schließlich mit seinen Leuten ans Werk: "Zunächst haben wir die Vorder- und Rückseite bis zum Grottenfuß freigelegt und diese Oberfläche mit Heißwasser von Verkrustungen gereinigt. Es folgte die Errichtung einer verzinkten T-Träger-Konstruktion aus verschraubten oder verschweißten Teilstücken – in Vieleck-Form entsprechend der Grottenwölbung als äußere Stützkonstruktion. Selbstverständlich mit Fundamentgründung und Umspannung mit Edelstahl-Rabitzdraht. Die T-Träger-Konstruktion dient zur Lastaufnahme der Kuppelvorderseite. [...] Weiter ging es mit dem Anbinden der Bestandskuppelkonstruktion an die T-Träger-Stützkonstruktion mittels Edelstahl-Gewindestäben", erinnert er sich. "Die haben wir am T-Träger aufgelegt und im Bestandsmörtel mit Epoxidharz verankert. Daraufhin haben wir sichtbares Trageisen gegen Edelstahl-Trageisen ausgetauscht und mit der T-Träger-Konstruktion verbunden." 

"Nun wurde die Konstruktion mittels faserarmierter Ausdrücklage in Anlehnung an die Bestandskonstruktion ausgemörtelt", schildert er knapp. "Anschließend haben wir die Grottenkonstruktion mit Mörtel und Travertinbrocken aufgebaut, dabei Bestandsstücke in Neumörtel eingefügt und die Oberfläche an die Sanierungsoberfläche mit nasigem Spritzbewurf angepasst. [...] Schließlich folgte das Aufbringen einer mineralischen Dichtschlämme in zwei Lagen auf dem Grotten-Rücken, eine Wasserführung an der Grottenwand mit Kiesverfüllung zur Dränage und das Wiederanfüllen der Muttererde. Und fertig", sagt der vielseitige Bau-Experte spitzbübisch und stark untertreibend.
 

Außergewöhnliches Engagement und hohes handwerkliches Können

Die Handwerkskammer zu Leipzig, zu der er gehört, weiß genau, was sie an dem Fachmann aus Trebsen hat: Dort wird er für sein langjährig verdienstvolles Wirken in der Denkmalpflege sehr geachtet und geschätzt. "Bernd Bubnick ist seit vielen Jahren unser verlässlicher und profunder Ansprechpartner für denkmalpflegerische Aufgabenstellungen mit speziellen Handwerkstechniken im Maurerhandwerk, bei Putz- und Stuckrestaurierung und authentischer Rekonstruktion", sagt Präsident Matthias Forßbohm. "Seine Fähigkeiten umfassen die sachverständige Beurteilung der Istzustände, die Erarbeitung von Restaurierungskonzeptionen einschließlich im Einzelfall zu erstellender Rezepturen als auch deren handwerkliche Ausführung. [...] Darüber hinaus ist Bubnick für Bauherrn, behördliche Denkmalpfleger und ausführende Betriebe eine Institution in allen Fragen zu historischem Mauerwerk sowie ebensolchem Putz und Stuck. Sein Rat und seine unmittelbar praktisch umsetzbaren Lösungsvorschläge sind gefragt und haben zu einer Vielzahl herausragender Lösungen denkmalpflegerischer Probleme geführt."

"Kurzum", so der Präsident, "Bernd Bubnick ist aus dem denkmalpflegerischen Bereich in unserem Kammerbezirk nicht wegzudenken. Wir danken ihm für das außergewöhnliche persönliche Engagement und sein hohes handwerkliches Können. Wir wünschen ihm und uns noch eine Vielzahl interessanter Objekte und sind uns sicher, dass wir noch viel von ihm hören und sehen werden."

Einfach nur für sich sein, sich mal aus dem Alltag rausnehmen: Sie ist bald wieder bereit für besondere Momente – die Grotte in Großdeuben.

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