Frage 8: Wie wollen Sie Wirtschafts- und Umweltbelange in Einklang bringen?

 
Burkhard Jung (SPD):

"Nachhaltige Stadtentwicklungspolitik umfasst weit mehr als Aspekte des Natur- und Umweltschutzes. Leipzig soll eine lebendige und liebenswerte Stadt sein, eine Stadt mit einer hohen Lebensqualität, einer wachsenden Wirtschaft, einer renommierten Bildungs- und Wissenschaftslandschaft und einem für die Leipziger hohen Kultur-, Freizeit- und Erholungswert. Die Leitlinien meines bisherigen Handelns als Oberbürgermeister verfolgten und verfolgen das Ziel, dass Leipzig eine nachhaltig wachsende Stadt bleibt, deren Zukunft wesentlich von den Bürgerinnen und Bürgern mitgestaltet wird, die den sozialen Zusammenhalt bewahrt, deren Kultur in Europa einzigartig bleibt, die vielfältig und weltoffen ist und sich im internationalen Wettbewerb behauptet.

Die nachhaltige Entwicklung unseres Wachstums braucht das sensible Austarieren berechtigter Bedürfnisse wirtschaftlicher Entwicklungen ebenso wie den Erhalt unserer natürlichen Ressourcen. Wir wissen: Wirtschaftliche und insbesondere die für uns so wichtige industrielle Entwicklung produziert Verkehr, Emissionen und Lärm. Darum müssen wir – da wir das Wachstum wollen – für jeden Einzelfall sorgsam abwägen, was vertretbar ist und wenn möglich Ausgleich schaffen.

Nachhaltige, umweltfreundliche Politik und wirtschaftliches Wachstum müssen keine Gegensätze sein. Nicht umsonst wurde Leipzig am 6. Dezember 2012 als Stadt mit der höchsten Lebensqualität und der nachhaltigsten Stadtstruktur mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Die Wirtschaft hat sich auch gerade vor diesem Hintergrund sehr gut entwickelt."

Horst Wawrzynski (für CDU):

"Wirtschaft und die Bewahrung der Schöpfung stehen aus meiner Sicht nicht im Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig. Beide Bereiche sind unverzichtbare Grundlagen für unser Zusammenleben. Dennoch sind wir darauf angewiesen, uns die Natur zu Eigen zu machen und sie sinnvoll mit der Lebensweise in einer Großstadt in Einklang zu bringen. Mit seinen zahlreichen Grünflächen und Gewässern hütet Leipzig einen Schatz, den es zu bewahren gilt. Dieser ist auch ein bedeutendes Gut für die Tourismuswirtschaft. Dabei ist ein wachsender, aber sanfter Gewässertourismus im Neu-seenland zu fördern. Er leistet einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität als Ansiedlungsfaktor für junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte.

Bei Maßnahmen zur Umweltverträglichkeit und der Gesunderhaltung der Bevölkerung stehen für mich vor allem Freiwilligkeiten im Vordergrund. Anstatt der Wirtschaft Zwänge aufzuerlegen, muss nach Konzepten zur weiteren Verminderung von Emissionen oder zur Steigerung der Ressourceneffizienz gesucht werden. Kostenintensive und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit belastende und zudem ineffektive Projekte sind nicht zielführend. Die Beteiligung aller unterschiedlichen Interessengruppen sollten belastbare Kompromisse zwischen den widerstreitenden Interessen ermöglichen. Wenn die Stadt natürlich in der Pflicht ist, beispielsweise bei der Beschaffung von Fahrzeugen oder Gebäudesanierungen mit gutem Beispiel voranzugehen, kann das Etikett "ökologisch" kein Selbstzweck sein."

René Hobusch (FDP):

"Ich habe mich stets für eine Umweltpolitik mit Augenmaß eingesetzt. Dass dies derzeit in der Stadtverwaltung nicht die Regel ist, sah man insbesondere bei der Einführung der Umweltzone. Diese ist kein geeignetes Instrument, die Feinstaubbelastung effektiv zu reduzieren. Eine solche Maßnahme ist nichts anderes als Aktionismus. In Leipzig wurde die Einführung der Umweltzone zudem dazu missbraucht, die Stadtkasse über die verteilten Bußgeldbescheide aufzubessern.

Bei der Umsetzung der weiteren Maßnahmen muss in Zukunft darauf geachtet werden, dass sich klare Ziele gesteckt werden und im weiteren Verlauf auch überprüft wird, ob diese auch durch die Maßnahmen erreicht wurden. Es ist in jedem Fall darauf zu achten, dass Maßnahmen immer ausgewogen und unter Berücksichtigung aller Interessen vorgenommen werden. Die Leipziger Wirtschaft braucht Freiräume, um sich zu entfalten. Eine klare Kosten-Nutzen-Kalkulation ist daher nötig."

Prof. Dr. Felix Ekardt (Bündnis 90/Die Grünen):

"Zu Frage 8 und 9 merke ich an, dass ich hier zunächst einmal einen Widerspruch zu Ihrem Wunsch nach Haushaltskonsolidierung und Abgabenentlastung wahrnehme. Insbesondere Straßenneubauten und repräsentative Großprojekte wie den (schöngerechneten) Lindenauer Hafen sehe ich explizit kritisch. Die Kritik an der Umweltzone kann ich so nicht nachvollziehen, da nach Angaben der EU-Kommission europaweit jährlich über 300.000 Menschen an Feinstaubfolgen (unter anderem durch verschiedene Krebserkrankungen) sterben und es deshalb nicht nur menschlich, sondern auch gesundheitsökonomisch irrational wäre, hier keine Maßnahmen zu ergreifen. Was generell die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie angeht, so gilt auch hier, dass zum Beispiel beim Klimaschutz wirksame Schutzmaßnahmen – nach nahezu einstimmiger Meinung in den Wirtschaftswissenschaften – wesentlich billiger sind, als wenn man dem Klimawandel gar nicht oder nur eingeschränkt begegnet.

Dass gerade der Klimaschutz zum Beispiel im Bereich der Gebäudesanierung auch ein wesentlicher Auftrags- und Jobmotor werden dürfte, sei ebenfalls unterstrichen; dies ist ein Kernpunkt meiner wirtschaftspolitischen Vorstellungen. Bei letzteren Fragen liegt auch der Schwerpunkt meiner beruflichen Tätigkeit. Ich würde mich daher freuen, wenn am 8. Januar – wie letztens bereits in einem Ihrer Gespräche mit Bundestagsabgeordneten – einige Gelegenheit bestünde, auf diese Fragenkreise einzugehen. Denn letztlich ist Wirtschaften ohne bestimmte ökologische Rahmenbedingungen dauerhaft schlicht nicht möglich."

Barbara Höll (Die Linke):

"Der Luftreinhalteplan mit seinen 48 Maßnahmen ist umzusetzen. Die Umweltzone ist nur eine davon. Die hierfür notwendigen Mittel werden in den Haushalt eingestellt. Die Umsetzung des Arbeitsprogramms aus dem European Energy Award ist gleichfalls haushalterisch zu untersetzen. Stadtverkehr muss im Einklang mit Nutzungsansprüchen von Wohnen, Arbeiten, Umwelt und öffentlichen Räumen stehen. Ziel ist, Siedlungsstrukturen zu schaffen, die Verkehr vermeiden statt erzeugen. Ich halte die Umweltzone aus ökologischer Sicht für unverzichtbar. Wer sich nachweislich die Umrüstung des Fahrzeuges oder eine Neuanschaffung nicht leisten kann und das Fahrzeug beruflich benötigt, kann eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

Leipzig hat erhebliche Erfolge bei der Umsetzung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Inzwischen wird die Energiepolitik deutschlandweit als vorbildlich eingeschätzt. Zur Attraktivität trägt maßgeblich die Entwicklung des innerstädtischen Gewässerverbunds bei. Ziel ist eine Stadt der kurzen Wege. Wohnen, Arbeiten und Freizeit müssen zusammengeführt werden. Urbane Attraktivität entsteht durch Verringerung des extensiven Flächenverbrauchs und Vermehrung des Stadtgrüns."

Dirk Feiertag (parteilos):

"Die Belange von Wirtschaft und Umwelt, von Bürgern und Unternehmen, von verschiedenen Interessengruppen in Einklang zu bringen, kann nur im gegenseitigen Dialog erfolgen. Der beste Aktionsplan ist am Ende nichts wert, wenn er von den Betroffenen nicht mitgetragen wird. Hier ist es die Aufgabe der Kommune, durch die Schaffung von entsprechenden Foren moderierend und vermittelnd zu agieren, um transparent zu den besten Kompromissen zu gelangen. Die Wirtschaft profitiert von einer Übereinstimmung mit Umwelt- und Bürgerinteressen und dem Betriebsfrieden."