Frage 6: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die Arbeitslosenquote in Leipzig auf unter zehn Prozent senken und langfristig halten? Welches Konzept verfolgen Sie, um Langzeitarbeitslose erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren?
Burkhard Jung (SPD):
"Leipzig hat es geschafft, die Arbeitslosenquote in den vergangenen sieben Jahren zu halbieren – von über 21 Prozent (2005) auf zehn Prozent (November 2012) und das bei gleichzeitigem deutlichem Bevölkerungswachstum. Über 35.000 Menschen haben so neu Arbeit gefunden. Langsam aber stetig entwickelt sich das Gehaltsgefüge positiv. Endlich steigen die Löhne. Unsere moderne Mittelstands- und Industriepolitik, die Arbeit unserer Wirtschaftsförderung trägt deutlich Früchte. Das alles ist das Ergebnis einer zielgerichteten Politik, die 1990 die Ärmel aufgekrempelt hat und die Fundamente unserer Stadt neu gelegt hat.
Unsere seit 1990 aufgebaute Infrastruktur hat unsere Stadt zu einer Drehscheibe mit neuen Chancen werden lassen. Das überregionale Straßen- und Schienennetz, der neue Flughafen mit seinem 24-Stunden-Betrieb und interkontinentalen Verbindungen haben Leipzig zu einem starken Kraftzentrum in Europa gemacht.
Die Messe, die Wirtschaft und der Handel profitieren von der neuen Infrastruktur. Sie steigert die Möglichkeiten, Kunden näher an sich zu binden und die Internationalität Leipzigs voranzutreiben. Die Auto-, Stahl-, Maschinenbau- und Zulieferindustrie haben sich aus diesem Grund hier angesiedelt. Sie wollen sich über Leipzig im globalen Netz der Produktion und des Vertriebs fest verankern.
Unsere hochmoderne digitale Infrastruktur bietet Unternehmen aus der Kommunikations- und Medienindustrie beste Wachstumschancen. Von allen Städten in den neuen Bundesländern hat Leipzig die größten Fortschritte beim Übergang in die Wissens- und Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts gemacht. Die Neue Messe, die Entwicklung der Buch- zur Medienstadt, die Kulturstadt Leipzig, das Wissenschaftszentrum Leipzig: All das sind Pfunde, mit denen wir wuchern können.
Leipzig im Jahr 2013 ist eine Stadt, die sich durch eine besondere Dynamik auszeichnet und durch erfolgreiche Ansiedlungen positive Schlagzeilen macht. Wir bedienen den großen Investor und fördern die in der Stadt vorhandenen Potentiale. Leipzigerinnen und Leipziger mit einer guten Geschäftsidee erhalten die bestmögliche Unterstützung der Stadt.
Dass dies kein Strohfeuer ist, belegen die entsprechenden Stadtbewertungen. Erst jüngst wurde Leipzig für die vergangenen zehn Jahre der größte Entwicklungssprung in Deutschland zugesprochen. Prognosen sehen unsere Stadt bis zum Jahr 2017 auf einem Spitzenplatz. Dies ist ein klares Signal an potenzielle Investoren, nach Leipzig zu kommen und zugleich eine hervorragende Werbung für den Wirtschaftsstandort Leipzig.
Das Generieren von Wachstum ist unsere zentrale Herausforderung, um die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. Das Schaffen von Infrastruktur, das Ermöglichen und Fördern von wirtschaftlichen Entwicklungen und das behutsame Austarieren der Gesamstadtentwicklung ist die wichtigste Aufgabe der Stadt Leipzig. Denn wir wissen: Öffentliche Beschäftigungsstrategien können die positive Entwicklung des ersten Arbeitsmarktes ergänzen, nicht jedoch ersetzen."
Horst Wawrzynski (für CDU):
"Die beste kommunale Arbeitsmarktpolitik ist Wirtschaftsförderung insbesondere im Bereich mittelständischer und kleiner Unternehmen. Nur durch Wachstum der Nachfrage auf dem ersten Arbeitsmarkt kann und wird die Arbeitslosenquote dauerhaft sinken. Um den Bedarf an Arbeitskräften auch aus eigenen Potentialen bedienen zu können, sind Maßnahmen zur Wiederherstellung und Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit von Langzeitarbeitslosen auszubauen.
Bewährte Wege wie die Bürgerarbeit will ich weiter verfolgen und stärker auf die gleichzeitige Erzielung von Mehrwert für die Stadt ausrichten. Beispielsweise in der Vereinslandschaft können geförderte Beschäftigungsverhältnisse neben der integrativen Funktion für die Arbeitnehmer auch einen zusätzlichen Beitrag für eine starke Zivilgesellschaft leisten."
René Hobusch (FDP):
"Arbeit gibt Menschen die Möglichkeit, für sich selbst zu sorgen. Arbeit gibt Perspektiven und ermöglicht ihnen bessere Einkommens- und Lebensverhältnisse. Aber das Wichtigste ist: Ein Arbeitsplatz bedeutet, mit beiden Beinen mitten im Leben zu stehen, mit Arbeitskollegen zusammen zu sein und einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen – gebraucht zu werden.
Deshalb haben für mich der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer Jobs höchste Priorität. Die beste Arbeitsmarktpolitik ist und bleibt eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Die Unternehmen brauchen beste Rahmenbedingungen. Denn die Stadtverwaltung schafft keine Jobs, sondern die Unternehmen. Ich will dafür sorgen, dass es den Arbeitgebern in Leipzig gut geht und neue zu uns in die Region holen, sowie auch Leipziger Gründern Steine aus dem Weg zum unternehmerischen Erfolg räumen. Das geht am besten gemeinsam mit unseren Nachbarn in den beiden umliegenden Landkreisen. Ich will eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit ihnen neu beleben. Mein Ziel ist es, auch Forschung und Entwicklung nachhaltig am Standort Leipzig zu etablieren. Der Vernetzung mit den Hochschulen kommt hierbei eine herausgehobene Bedeutung zu. Hier darf sich die Region mit verzetteln. Wir müssen uns auf unsere stärksten Wirtschaftsfelder konzentrieren: Biotechnologie, Automobil, Logistik und Umwelt & Energie.
Die Zeiten für den zweiten Arbeitsmarkt sind vorbei – auch in Leipzig. Für Langzeitarbeitslose und schwer vermittelbare Jugendliche brauchen wir passgenaue Unterstützungsangebote mit der klaren und einzig sinnvollen Zielsetzung: Sie fit zu machen für einen echten Job in der echten Arbeitswelt.2
Prof. Dr. Felix Ekardt (Bündnis 90/Die Grünen):
"Zur Frage 6 merke ich an: Die von Burkhard Jung behauptete halbierte Arbeitslosigkeit seit Anfang des letzten Jahrzehnts ist schlicht der Bundestrend und nicht sein Verdienst. Zudem ist sie primär eine bloße Schönrechnung der Bundesagentur, die immer mehr Personen aus der Statistik nimmt. Ich stehe stattdessen für die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Anschieben einer Gründerinitiative im Bereich Energieeffizienz und Kreativwirtschaft und ein Gebäudesanierungsprogramm. Wie in einem Namensbeitrag in der L-IZ vom 2. Januar 2013 näher beschrieben, glaube ich unabhängig davon nicht, dass (allein schon angesichts der fortschreitenden technischen Rationalisierung) der gängige Fokus auf Vollbeschäftigung dauerhaft aufrecht zu erhalten ist.
Wie wohl fast jeder andere Wissenschaftler auch denke ich, dass die zentrale Frage vielmehr lauten muss, wie man durch Arbeitszeitverkürzung, Umverteilung, neue Konzepte von (nicht nur Lohn-)Arbeit und vieles andere mehr dauerhaft damit umgeht, dass immer Menschen zwangsläufig nicht allein über Lohnarbeit eine sinnvolle Aufgabe im Leben finden können."
Barbara Höll (Die Linke):
"Solange die Wirtschaftskraft unserer Stadt nicht spürbar anzieht, muss Leipzig Alternativen bereithalten, um allen Menschen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Deswegen werde ich mich als Oberbürgermeisterin für ein Modellprojekt für öffentlich geförderte Beschäftigung einsetzen. Verdrängung regulärer Beschäftigung muss hier zwingend vermieden werden. Das Augenmerk sollte sich im Bereich des ÖBS auf betriebsnahe Weiterbildung und Qualifizierung richten."
Dirk Feiertag (parteilos):
"Vorab: Die Arbeitslosenquote wurde ebenfalls sehr erfolgreich durch diverse statistische „Neuberechnungen“ und anderer Tricksereien gesenkt. So werden in etwa Erwerbslose, die sich in einer Bildungsmaßnahme befinden, gar nicht mitgezählt. Eine statische Quote, wie sie derzeit erhoben wird, sagt deshalb wenig über die reale Beschaffenheit des Arbeitsmarktes und seine dynamischen Entwicklungen aus. Viel entscheidender ist es, dass der Auflösung von Normalarbeitsverhältnissen und einer weiteren Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse von städtischer Seite entgegengearbeitet wird, denn die Politik der Stadt muss auf einen gerechten Ausgleich von Arbeitsnehmer- und Arbeitgeberinteressen ausgerichtet sein. Und im Moment profitiert in erster Linie die Arbeitgeberseite von der hohen Arbeitslosenzahl, durch einen großen Arbeitskräftepool und niedrige Löhne.
Eine Stabilisierung des sozialen Friedens ist am ehesten zu erreichen, wenn den Hilfeempfängern die ihnen rechtlich zustehenden Leistungen ohne Schikanen zur Verfügung gestellt werden. Dann haben sie auch die Möglichkeit, betriebsnahe Qualifizierungen zu absolvieren, wobei "betriebsnah" hier selbstverständlich heißen muss, dass die Betriebe sich an diesen Aus-, Um- und Weiterbildungen beteiligen. Die Pflicht zum Bereithalten für den ersten Arbeitsmarkt und das Gebot, jede noch so schlechte Arbeit aufzunehmen, stehen in der Realität oft gewünschten Qualifizierungsmaßnahmen entgegen. Das ist am Ende kontraproduktiv.
Die der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter zur Verfügung stehenden Mittel für Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen sollten deshalb wesentlich effektiver genutzt werden. Zurzeit findet hier eine unbeschreibliche Mittelverschwendung statt. Viele dieser betriebsfernen Bildungsmaßnahmen vermitteln den Erwerbslosen keinerlei neue Qualifikationen. Und wer schon zwei Bewerbungstrainingskurse absolviert hat, wird sich nach dem dritten auch nicht besser bewerben können.
In diesem staatlich geförderten Bildungsbereich hat sich zudem eine Planwirtschaft etabliert, die seinesgleichen sucht. Da werden Heizungsinstallateure in Fortbildungsmaßnahmen für Maurer gesteckt, weil die Fortbildungen für Installateure schon voll sind. Dort wird absurderweise Lkw-Fahrern erklärt, dass sie eine wesentlich zeit-, und kostenintensivere Ausbildung zum Busfahrer machen müssen, bei der sie gleichzeitig auch auf die Führerscheinprüfung für Lkw-Fahrer vorbereitet werden. Die von den Betroffenen selbst vorgeschlagenen Fortbildungsmaßnahmen, die eine wesentlich günstigere, weil direkte Vorbereitung auf die Busführerscheinprüfung ermöglichen würden, werden dagegen abgelehnt. In meiner Kanzlei höre ich von solchen haarsträubenden Fällen ständig.
Klar: Fortbildungsmaßnahmen sind Ermessenleistungen. Ein Rechtsanspruch auf Finanzierung einer bestimmten Fortbildung besteht faktisch nicht. Aus meiner Arbeit als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Sozialrechts weiß ich aber, dass viele hochmotivierte Erwerbslose nicht die von Ihnen selbst gesuchten Qualifikationsmaßnahmen gewährt bekommen, dafür aber weniger motivierte Erwerbslose zum Teil sehr kostenintensive Maßnahmen absolvieren müssen. Mein konkreter Vorschlag hier: Erwerbslose können sich die gewünschten Qualifikationsmaßnahmen in Zukunft selbst aussuchen. Die Vermittler sollen auf Wunsch Hilfestellung bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen bieten, die Hilfeempfänger aber nicht mehr zur Teilnahme an einer solchen Maßnahme gezwungen werden. Gleichzeitig können die Erwerbslosen nach Beendigung der Qualifikationsmaßnahmen den Nutzen der Maßnahme beurteilen. Diese Informationen werden dann evaluiert und anonymisiert denjenigen Erwerbslosen zur Verfügung gestellt, die auf der Suche nach einer Qualifikationsmaßnahme sind. Ich bin mir sicher, das würde die Qualität der angebotenen Bildungsmaßnahmen deutlich verbessern!
Als Oberbürgermeister und somit Vorsitzender der Trägerversammlung des Jobcenters kann ich mich an den entscheidenden Stellen für die Umsetzung dieser Vorschläge einsetzen und das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium der Kommune für Arbeit und Bildung wesentlich nachjustieren."