Frage 3: Welche Konzepte verfolgen Sie für die Vereinbarkeit von wirtschaftsfreundlicher Abgabenpolitik einerseits und der weiteren Konsolidierung des städtischen Haushalts andererseits?
Burkhard Jung (SPD):
"Im Jahr 2019 wird der Solidarpakt II auslaufen. Wir wollen 2020 auch ohne Solidarpaktmittel auf eigenen Füßen stehen, das ist schaffbar. Deshalb ist es unsere wichtigste Aufgabe, weiter deutlich das Wachstum unserer Wirtschaft, Infrastruktur und Bevölkerung zu fördern und dabei strategisch zu investieren. Wir müssen jetzt Zukunftsprojekte anpacken, wie zum Beispiel die Kongresshalle, um das lukrative Kongressgeschäft weiter zu auszubauen, oder wie die Entwicklung des Lindenauer Hafens zu einem neuen Stadtquartier zum Wohnen, Arbeiten und Erholen.
Wir haben seit 2006 jeden Euro zweimal umgedreht, kräftig gespart und immer einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Und wir haben die Verschuldung Leipzigs deutlich gesenkt. 2005 hatte Leipzig weit über 900 Millionen Euro Schulden – 2012 werden es voraussichtlich 705 Millionen Euro sein. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist unter 1.400 Euro gesunken. Wir haben in den vergangen Jahren achtsam gehaushaltet; die Steuereinnahmen entwickelten sich so positiv, dass wir die Haushaltsjahre seit 2010 mit Überschüssen abschließen konnten, 2011 sogar mit einem deutlichen Plus von fast 23 Millionen Euro. Das sind Mittel, die wir nun außerplanmäßig in Schulen, Kitas und Straßen stecken können. Davon träumen andere Städte, gerade auch im Westen!
Für die Zukunft stellen wir die Weichen: Wir haben ein Entschuldungskonzept beschlossen und können es schaffen, in den nächsten 25 Jahren alle Schulden abzubauen. Wir wollen keine Schulden an unsere Kinder vererben! Leipzig spart und investiert systematisch in Wachstum, von dem maßgeblich unsere wirtschaftliche Entwicklung profitiert. Senkungen der Gewerbesteuerhebesätze oder der Grundsteuern wären zwar wünschenswert, aber mit dem Blick auf die gesunde gesamtstädtische Entwicklung und die vor uns liegenden Aufgaben ebenso unrealistisch wie eine weitere Anhebung von Abgaben."
Horst Wawrzynski (für CDU):
"Fiskalische Spielräume sind nach meiner Ansicht immer zuerst auf der Ausgabenseite zu suchen. Die ohnehin hohen Abgaben dürfen nicht weiter erhöht, sondern müssen bei sich abzeichnendem Spielraum reduziert werden. Alle Einsparpotentiale sind auszuschöpfen. Diese erkenne ich vor allem im Verwaltungshaushalt und in wenig effizienten Strukturen der Verwaltung. Die Veraltungsstrukturen müssen auf ihre Effizienz hin untersucht und den Bedürfnissen der Bürger und der Unternehmen angepasst werden.
Zahllose teure Gutachten sind vor allem deshalb in Frage zu stellen, weil deren Ergebnisse offenkundig mangels politischen Veränderungswillens keine Berücksichtigung finden. Zu guter Letzt muss eine transparente Prioritätensetzung gemeinsam mit der Bevölkerung und der Wirtschaft stattfinden. Dabei sind alle kommunalen Aufgaben und Ausgaben nach den Leitsätzen "Pflicht vor Kür" sowie "Investition vor Konsumtion" zu überprüfen."
René Hobusch (FDP):
"Leipzig hat weit mehr als 700 Millionen Euro Stadtschulden. Hinzu kommen die Verbindlichkeiten kommunaler Unternehmen, Risiken aufgrund der Finanzgeschäfte bei der KWL, Investitionsstaus bei Schulen, Kitas, Straßen, Brücken und Wegen. Zudem wollen wir neue Schulen und Kitas bauen. Unterm Strich sind das mehr als vier Milliarden Euro Minus – das Dreifache des gesamten jährlichen Haushaltsvolumens.
Diese Herausforderung rede ich nicht weg, sondern ich stelle mich ihr. Freiwillige Ausgaben werde ich im Grundsatz und in der Höhe infrage stellen. Weisungsfreie Pflichtaufgaben – also Aufgaben bei denen wir über die Ausgestaltung entscheiden können – werde ich durchweg in der Ausgestaltung hinterfragen. Mein Fokus liegt auf den Pflichtaufgaben nach Weisung. Hier haben wir keinen Spielraum. Dazu gehören unter anderem der Schulhausbau und der Kitabereich. Freiwillige Aufgaben werde ich per Selbstbindung auf maximal drei Jahre begrenzen. Danach soll der Stadtrat unter Berücksichtigung einer Evaluation über einen weiteren Fortbestand in Dreijahreszeiträumen entscheiden. Mitgliedschaften in Vereinen, für die aktuell mehr als eine dreiviertel Million Euro jährlich ausgegeben wird, gehören auch auf den Prüfstand.
Ich halte allerdings nichts davon, die Belastungen für die ansässigen Unternehmen noch zu erhöhen. Im Gegenteil schafft gerade eine Reduzierung der Gewerbesteuer wieder Spielraum für Investitionen bei den Betroffenen. Daher setze ich mich für eine Reduzierung der Gewerbesteuer ein. Die derzeitigen Sätze für die Grundsteuer sind außerdem kritisch zu prüfen."
Prof. Dr. Felix Ekardt (Bündnis 90/Die Grünen):
"Zu Frage 3 ist zu sagen, dass die vielen im Fragenkatalog angemerkten Punkte Geld kosten, ebenso wie die oben von mir aufgeführten Punkte. Dies mit einer soliden – und nicht wie im Falle der anderen Kandidaten schlicht ausweichenden – Haushaltspolitik zu verbinden, macht Versprechungen über Abgabenreduktionen meines Erachtens wenig realistisch und populistisch. Eine seriöse Haushaltspolitik sowie ein Verzicht auf repräsentative Großprojekte stabilisieren allerdings mittelfristig den Haushalt und kommen damit, weil die Steuerlast dann jedenfalls zumindest nicht weiter steigt, der Wirtschaft sehr zugute."
Barbara Höll (Die Linke):
"Angesichts rückläufiger Zuweisungen aus dem Solidarpakt II kommt der Stärkung der Leipziger Wirtschaftskraft besondere Bedeutung zu, weil immer mehr Leistungsbestandteile aus eigener Kraft erwirtschaftet werden müssen. Diese notwendige Entwicklung muss im Einklang mit der sozial gerechten Verteilung der erarbeiteten Werte erfolgen. Entwicklung von Wirtschaftskraft und Haushaltskonsolidierung schließen sich nicht aus, sondern bedingen einander. Eine schrittweise Absenkung der Grundsteuer halte ich bei anhaltender wirtschaftlicher Prosperität für vertretbar. Öffentlich-Private Partnerschaften sind nach aktuellen Erkenntnissen keine langfristig sinnvolle Alternative zur Absicherung von Investitionsprojekten. Als Oberbürgermeisterin fühle ich mich an den Bürgerentscheid vom 27. Januar 2008 gebunden. Deshalb wird es mit mir als Oberbürgermeisterin keine weitere Privatisierung von den für die öffentliche Daseinsvorsorge unverzichtbaren kommunalen Betrieben geben.
Fakt bleibt auch für mich, dass Leipzig seinen aktuellen Schuldenstand von 733 Millionen Euro weiter senken muss. Aber Schuldenabbau darf nicht um jeden Preis erfolgen, er ist kein Wert an sich. Denn was würde es unseren Kindern und Enkeln nutzen, wenn Leipzig in 25 Jahren schuldenfrei ist, dafür jedoch unser städtisches Eigentum nicht gepflegt und entwickelt würde? Wenn bis dahin kaum noch Vereine finanziert würden, nur noch wenige Bibliotheksstandorte arbeiten würden, Sportstätten nur noch für finanziell gut situierte Menschen nutzbar wären? Als erfahrene Finanzpolitikerin stelle ich mich der Herausforderung, mit dem städtischen Haushalt größere Spielräume für öffentliche Zukunftsinvestitionen zu erwirtschaften und das Sparen nicht zum Selbstzweck verkommen zu lassen. Solide Haushaltsführung strahlt auf sämtliche Bereiche der Kommunalpolitik aus. Ich werde dem kommunalen Haushalt keine unzumutbaren Lasten oder gar Risiken aufbürden. Begründete Sparanstrengungen mit inhaltlichen Zielvorgaben haben in einem solchen Ansatz linker Haushaltspolitik ebenso Platz wie ambitionierte Vorgaben für öffentliche Investitionen zur weiteren Steigerung der Attraktivität unserer Stadt."
Dirk Feiertag (parteilos):
"Die Wirtschaft in Leipzig in ihren wesentlichen Grundpfeilern zu stabilisieren und zu stärken, sowie das Lohnniveau anzuheben, damit die Nachfrage steigt, ist eine der wesentlichen Aufgaben in der kommunalen Politik der nächsten Jahre. Die finanziell schwache Stellung der Kommunen in Deutschland, die in Leipzig teilweise von Amtsinhaber Jung mit verschuldet ist, lässt jedoch nur einen geringen Spielraum zu. Das ist eine schwere Hypothek für den nächsten Oberbürgermeister. In der Gestaltung der kommunalen Hebesätze im Bereich der Grundstücks- und Gewerbesteuer sehe ich jedenfalls wenig Spielraum.
Stattdessen brauchen wir eine klügere Ausgabenpolitik, die unter dem Ziel der Haushaltsdisziplin vor allem nicht optimal eingesetzte Gelder entlarvt, Reserven bündelt und die Kassen der Stadt entlastet. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass sich die Stadt Leipzig den Ausbau des Lindenauer Hafens mit Mitteln aus dem städtischen Haushalt nicht leisten kann! Denn solche Prestigeprojekte erhöhen letzten Endes nur die finanzielle Belastung für alle. Mir ist es dagegen wichtig, dass die finanzielle Belastung, die auch die Investitionskraft der lokalen Unternehmen hemmt, nicht weiter steigt und dabei möglichst fair und unter Wahrung sozialer Prämissen auf die Leipziger Bürgerschaft verteilt wird.
Das wird meines Erachtens jedoch nicht dadurch erreicht, dass die Kommune Betriebe und Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert und damit nicht nur politischen Gestaltungsspielraum aufgibt, sondern auch die Einnahmeseite des eigenen Haushaltes zusammenkürzt. Modelle des Public-Private-Partnership lehne ich deshalb in diesem Bereich ebenso strikt ab wie weitere Privatisierungen. Zum einen hat die Vergangenheit, nicht nur in Leipzig, gezeigt, dass PPP-Modelle die Kommune in der Regel teurer zu stehen kommen, als gedacht. Und andererseits kann die private Wirtschaft ja nur an solchen kommunalen Betrieben Interesse haben, die auch Gewinne erwirtschaften. Dies bedeutet aber zwangsläufig, dass nach erfolgten (Teil-)Privatisierungen die verbliebenen Kunden, also meist die Bürger der Stadt Leipzig, höhere Preise und schlechtere Leistungen in Kauf nehmen müssen oder aber, dass bisher erwirtschaftete Gewinne der Unternehmen dem städtischen Haushalt in Zukunft verloren gehen. Beides sind Nachteile, welche die kurzfristigen Vorteile einer Privatisierung langfristig klar überwiegen."