Reparatur, Maschine. Bild: Frank / fotolia.com
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Fachkräftesituation in Sachsen: Personalbedarf steigt, Engpässe verschärfen sich

Archivbeitrag | Newsletter 2018

+++ Sachsenwirtschaft bewertet Auswirkungen der Digitalisierung mehrheitlich positiv. +++ Unternehmen erwarten steigende Arbeitskräftenachfrage. +++ Bedarf an (hoch-)qualifizierten Fachkräften steigt. +++ Fachkräfteengpass verschärft sich weiter. +++ Das sind die zentralen Erkenntnisse des aktuellen Fachkräftemonitorings der sächsischen Handwerkskammern und IHKs, an dem sich knapp 1.200 Unternehmen mit rund 59.000 Beschäftigten beteiligten.
 

Steigende Anzahl offener Stellen - vor allem Facharbeiter gesucht

Bereits heute suchen die Unternehmen händeringend Personal. Jedes zweite Unternehmen weist zum Befragungszeitpunkt offene Stellen aus und hat Probleme, diese zeitnah zu besetzen. Hochgerechnet deuten die Zahlen der Befragung auf rund 83.000 freie Stellen im Freistaat hin.

Fachkräftemonitoring 2018.

Am schwierigsten ist die Stellenbesetzung für Techniker, Meister, Facharbeiter und Gesellen. Dort liegt der Anteil langfristig vakanter Stellen bei 57 beziehungsweise 55 Prozent.
 

Durch Personalmangel müssen Aufträge abgelehnt werden

Besonders kleine Unternehmen kämpfen mit Problemen bei der Stellenbesetzung. So bleiben bei Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern zwei Drittel aller Stellen länger als sechs Monate unbesetzt.

Fachkräftemonitoring 2018.

Ursächlich dafür sind vor allem ausbleibende Bewerbungen. Auch mangelnde Motivation der Bewerber sowie unvereinbare Gehaltsvorstellungen lassen über alle Unternehmensgrößen Einstellungen scheitern. Langfristig offene Stellen kompensieren die Unternehmen häufig durch Mehrarbeit und Überstunden anderer Mitarbeiter. Sie müssen zudem häufiger Aufträge und Projekte ablehnen, Fertigstellungstermine verschieben oder ihr Leistungsangebot einschränken.

Fachkräftemonitoring 2018.
 

Personalarbeit wird wichtiger

90 Prozent der Unternehmen nutzen Instrumente der Personalarbeit zur Rekrutierung und Mitarbeiterbindung. Diese reichen von regelmäßigen Mitarbeitergesprächen (56 Prozent) bis hin zur Anwendung von Personalentwicklungskonzepten (21 Prozent) und formulierten Führungsgrundsätzen (17 Prozent).

95 Prozent (2015: 87 Prozent) der Unternehmen bieten Zusatzleistungen an. Dabei dominieren regelmäßige Lohnerhöhungen, gefolgt von der Bereitstellung von Arbeitsmitteln. Gemeinsame Freizeitaktivitäten werden in drei Viertel der Betriebe als Instrument der Mitarbeiterbindung eingesetzt.

Die Mehrheit der Befragten arbeitet bei der Rekrutierung von Mitarbeitern erfolgreich mit der Agentur für Arbeit beziehungsweise den örtlichen Jobcentern zusammen und schreibt auf der eigenen Webseite Stellen aus. Viele Unternehmen nutzen Online-Stellenportale, Stellenanzeigen in der Presse oder greifen auf Empfehlungen und Referenzen zurück. Knapp jedes vierte Unternehmen bedient sich mit Erfolg sozialer Netzwerke.
 

Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer steigt, Hürden bleiben

Jedes vierte Unternehmen beschäftigt aktuell ausländische Mitarbeiter. Weitere 16 Prozent planen deren Einstellung. Persönliche Kontakte und Netzwerke dominieren beim Anwerben ausländischer Mitarbeiter. Unternehmen rekrutieren diese vor allem über (Initiativ-)Bewerbungen (41 Prozent), mithilfe der Agentur für Arbeit beziehungsweise des Jobcenters (25 Prozent, bei Flüchtlingen 42 Prozent) oder auch durch kommerzielle Vermittler beziehungsweise Zeitarbeitsfirmen (20 Prozent).

Größtes Hindernis bei der Einstellung ausländischer Arbeitnehmer ist mit 84 Prozent der Nennungen die Sprachbarriere. Es folgen bürokratische Hürden (40 Prozent), Unsicherheiten über das Qualifikationsniveau (39 Prozent) und über den Aufenthaltsstatus (35 Prozent).
 

Positive Auswirkungen durch die Digitalisierung erwartet 

Mit 54 Prozent bewertet die Mehrheit der Befragten die Auswirkungen der Digitalisierung der Arbeitswelt auf ihr Unternehmen positiv. Rund ein Drittel erwartet weder positive noch negative Auswirkungen. Nur fünf Prozent befürchten negative Folgen.

Diese Umfrageergebnisse deuten eine steigende Arbeitskräftenachfrage infolge der Digitalisierung an. Im Handwerk ist der Anteil der Firmen, die einen höheren Personalbedarf durch die Digitalisierung erwarten, mit 18 Prozent besonders hoch.

Insgesamt wird erwartet, dass die Nachfrage in den Unternehmen nach Akademikern, Technikern/Meistern sowie Facharbeitern steigt, während die zukünftige Nachfrage an Un- und Angelernten geringer eingeschätzt wird. Neben den formellen Abschlüssen werden für die Unternehmen in Zukunft IT-Kenntnisse, Flexibilität, lebenslanges Lernen und soziale Kompetenzen bei den Qualifikationen der Mitarbeiter immer wichtiger.

Fachkräftemonitoring 2018. Ergebnisse einer Umfrage der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern (IHK) im Freistaat Sachsen und der Arbeitsgemeinschaft der Sächsischen Handwerkskammern
 

Hintergrund

Seit 2001 führen die sächsischen IHKs sowie Handwerkskammern regelmäßig das Fachkräftemonitoring durch. Schwerpunkte der vorliegenden Erhebung sind neben den Fachkräftebedarfen die betriebliche Personalarbeit, die
Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer und mögliche Auswirkungen der Digitalisierung. Ziel des Monitorings ist es, durch eine repräsentative Umfrage in Unternehmen aller Branchen und Größen die aktuelle Fachkräftesituation in der sächsischen Wirtschaft zu erfassen. Daraus abgeleitete Hinweise und Empfehlungen sollen insbesondere Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, aber auch Unternehmen für die Herausforderungen am Arbeitsmarkt sensibilisieren.

Schlussfolgerungen aus dem Fachkräftemonitoring 2018

 

Gute Bildung als Grundlage zur Fachkräftesicherung unabdingbar

Bildung legt die wesentlichen Grundlagen für unsere wirtschaftliche Zukunft. Um gute Schulbildung zu gewährleisten, bedarf es ausreichend und erstklassig qualifizierter Lehrer, zeitgemäßer Lehr- und Lernmaterialen sowie einer leistungsfähigen Anbindung von Schulen an das Breitbandnetz. Der immer noch deutlich zu hohe Anteil der sächsischen Schulabgänger ohne Abschluss (2017: 8,4 Prozent) muss gesenkt werden. Auch moderne Interaktionsmethoden an allen Schulen in Sachsen können ein Maßstab für qualitativ hochwertige Vermittlung von zukunftweisenden Bildungsinhalten sein. Neben den formellen Abschlüssen werden im Zuge der Digitalisierung IT-Kenntnisse, Flexibilität und soziale Kompetenzen wichtiger. Dementsprechend muss für die Herausbildung dieser Fähigkeiten neben den fachlichen Inhalten in Schule, Ausbildung und Studium mehr Zeit eingeplant werden. Die Hochschulen müssen sich in ihren Studienangeboten darüber hinaus stärker am Bedarf der sächsischen Wirtschaft orientieren.


Wahrnehmung und Attraktivität der Berufsausbildung stärken

Da Facharbeiter und Gesellen die mit Abstand am meisten gesuchten Fachkräfte sind, muss die Attraktivität dieses Bildungsweges gestärkt werden. Um die Nachfrage bedienen zu können, müssen sich mehr Jugendliche für eine Ausbildung entscheiden. Wirtschaft, Politik und Verwaltung müssen gemeinsam daran arbeiten, bei Jugendlichen und ihren Eltern ein wertiges und nachhaltig positives Bild der Berufsausbildung zu prägen. Eine an den Bedarfen der sächsischen Wirtschaft ausgerichtete Berufsorientierung in allen Schulen (Oberschule und Gymnasium) unterstützt dieses Ansinnen.

Standortplanung und Ausstattung der Berufsschulen in Sachsen müssen sich an den Anforderungen der Wirtschaft orientieren. Die Besetzung von Stellen für Weiterbildungsabschlüsse – wie Techniker, Meister oder Fachwirte – ist mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Daher muss ebenso die gesellschaftliche Anerkennung und Förderung der höheren Berufsbildung (Aufstiegsfortbildung) gestärkt werden.

Fokus auf kleine Unternehmen richten

Da kleine Unternehmen (unter 50 Mitarbeiter) am stärksten mit Problemen bei der Stellenbesetzung zu kämpfen haben, sind insbesondere für diese Gruppe Unterstützungen (z. B. finanziell und/oder organisatorisch) zu entwickeln bzw. auszubauen. Die Umsetzung muss unbürokratisch und praxisnah angelegt werden, so dass auch innovative Ideen und unkonventionelles Vorgehen Früchte tragen können. Dazu müssen alle Partner zusammenarbeiten (z. B. in den Fachkräfteallianzen) und auch überregionale Aktivitäten im Sinne der Unternehmen (z. B. bei der Rekrutierung) verwirklicht werden. Anzuraten ist auch der stärkere Einsatz eines professionellen Personalmanagements bei Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern.


Investitionen in Personal überlebenswichtig

Da die Dynamik am Arbeitsmarkt aufgrund von Wachstum, Altersabgängen und Fluktuation hoch ist, sind unternehmensseitig höhere Investitionen in Personalmaßnahmen notwendig. Diese müssen von einer effektiven Standortwerbung und Vernetzung aller Partner vor Ort flankiert werden. Kurz- und mittelfristig wird sich die Fachkräftesituation (demografiebedingt durch weitere Altersabgänge, fehlende Passfähigkeit der Bewerber, Defizite im Bildungssystem) verschärfen. Unternehmen müssen für Personalarbeit mehr Zeit (und damit auch Kosten) einplanen. Gezielte und teils auch individuell auf die Beschäftigten ausgerichtete Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung und -gewinnung sind für die Sicherung der regionalen Unternehmen entscheidend. Zudem müssen Anreize für berufsbegleitende Weiterbildungen auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Arbeitswelt in den Unternehmen geschaffen werden.

Bürokratische Hürden bei der Beschäftigung von Ausländern abbauen

Die Bedeutung ausländischer Beschäftigter zur Deckung des Fachkräftebedarfs wird weiterhin steigen. Dazu bedarf es jedoch einer weiteren Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Sachsen muss von ausländischen Arbeitskräften als attraktiver und lebenswerter Wirtschaftsstandort wahrgenommen werden. Darüber hinaus muss die arbeitsmarktorientierte qualifizierte Zuwanderung aus Drittstaaten durch den Erlass eines unbürokratischen Zuwanderungsgesetzes erleichtert werden. Weiterhin sind die Mindestgehälter im Rahmen der "Blauen Karte EU" von der Beitragsbemessungsgrenze West der Rentenversicherung zu entkoppeln. Zudem muss das Potenzial ausländischer Studierender im Freistaat für den regionalen Arbeitsmarkt deutlich stärker genutzt werden. Dafür ist die Finanzierung der Career Services an den sächsischen Hochschulen zu sichern.

Um die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen zu befördern, müssen bürokratische Hürden weiter abgebaut werden (bspw. durch konsequente Umsetzung der 3+2 Regel oder die Verkürzung behördlicher Bearbeitungszeiträume). Weiterhin sind Verbesserungen in der allgemeinen und berufsbezogenen Sprachförderung nötig.


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Christian Likos

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