
Dienstleistungsfreizügigkeit: Änderungen für mittel- und osteuropäische Dienstleistungserbringer ab 2011
Mit knapp 500 Millionen Einwohnern gehört der Binnenmarkt der Europäischen Union zum größten gemeinsamen Wirtschaftsraum der Welt. Grundlage dieses gemeinsamen Marktes sind vier Grundfreiheiten, die es den Bürgern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlauben, sich grenzüberschreitend auf dem Gebiet der EU zu bewegen und niederzulassen; die es erlauben Waren zollfrei zu liefern, grenzüberschreitend Dienstleistungen zu erbringen und Vermögen anzulegen. Im EU-Binnenmarkt herrschen: Dienstleistungs-, Personen-, Waren- und Kapitalfreiheit.
Vier Grundfreiheiten für EU-Bürger
Als eine der vier Grundfreiheiten gewährt die Dienstleistungsfreiheit Bürgern der Europäischen Union die vorübergehende Dienstleistungserbringung in den EU-Mitgliedstaaten zu gleichen Bedingungen wie Inländern. Unternehmen haben damit uneingeschränkt das Recht grenzüberschreitend ihre Dienstleistungen anzubieten und auszuführen.
Wie auch die anderen drei Grundfreiheiten entfaltet die Dienstleistungsfreiheit ihre Wirkung für alle EU-Staaten mit dem jeweiligen Beginn der Mitgliedschaft. Die Europäische Kommission erlaubt jedoch Ausnahmen, nach denen "alt-EU-Mitgliedstaaten" gegenüber neu beigetretenen Mitgliedstaaten Übergangsfristen für die Realisierung der vollen Freizügigkeit einräumen können.
Deutschland hat gegenüber acht der zehn 2004 beigetretenen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreizügigkeit sektoral eingeschränkt: Bürger der Länder Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn der Wirtschaftssektoren
- Baugewerbe einschließlich verwandter Wirtschaftszweige,
- Reinigung von Gebäuden, Inventar und Verkehrsmittel sowie
- Innendekoration
konnten bis zum 30. April 2011 nur im Rahmen des deutschen Arbeitsgenehmigungsverfahren sowie der zwischenstaatlichen Werksvertragsvereinbarungen Dienstleistungen in Deutschland erbringen und Mitarbeiter entsenden.
Uneingeschränkte Dienstleistungsfreiheit
Mit dem 1. Mai 2011 endet diese Übergangsregelung. Fortan können mittel- und osteuropäische Unternehmen aller Wirtschaftszweige uneingeschränkt zu den gleichen Bedingungen wie deutsche Unternehmen Dienstleistungen in Deutschland erbringen und Arbeitnehmer vorübergehend entsenden.
Es sind die in Deutschland geltenden Bedingungen zu beachten:
- Einsätze oder Baustellen, die mehr als vier Wochen dauern beziehungsweise regelmäßig ausgeübt werden, müssen dem örtlichen Gewerbeamt gemeldet werden.
- Für die Ausübung zulassungspflichtiger handwerklicher Berufe aus der Anlage A zur Handwerksordnung ist im Vorfeld des Einsatzes eine Ausnahmebewilligung zu beantragen. Die ausgeübte Tätigkeit ist durch eine EU-Bescheinigung aus dem Herkunftsland zu belegen.
- Unternehmen aus dem Bausektor müssen spätestens einen Tag vor Beginn der Baustelle Meldung bei der Oberfinanzdirektion Köln machen.
- Bei Bauarbeiten ist die Meldung der entsandten Arbeitnehmer bei der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft Pflicht.
- Die in Deutschland geltenden Mindestvorschriften wie Mindestlöhne, Mindestjahresurlaub, Höchstarbeitszeiten, Überstundenzuschläge, Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz usw. sind einzuhalten.
- Allgemein Tarifverträge mit geregelten Mindestlöhnen gibt es für folgende Branchen im Handwerk: Baugewerbe, Dachdeckerhandwerk, Elektrohandwerke, Maler- und Lackiererhandwerk
- Allgemeinverbindliche Tarifverträge ohne geregelte Mindestlöhne gibt es für folgende Branchen im Handwerk: Gerüstbauhandwerk, Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk.
Bei Fragen zur Dienstleistungsfreizügigkeit steht Antje Barthauer, Beraterin Außenwirtschaft in der Handwerkskammer zu Leipzig, zur Verfügung. Für die Beantragung einer Ausnahmebewilligung steht Tilo Rohland zur Verfügung.
Informationen zur "Arbeitnehmerfreizügigkeit"
Weitere Informationen zum Thema Grundfreiheiten der Europäischen Union stehen im Artikel "Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitnehmer mittel- und osteuropäischer Länder ab Mai 2011" bereit.
Stand: April 2011