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Archivbeitrag | Newsletter 2018Der Dieselkompromiss ist keiner


Einen Kompromiss zu schließen, ist eine gute Sache. Ein Kompromiss ist jedoch keiner, wenn der, der einen Schaden vorsätzlich verursacht, die Last der Beseitigung auf den Geschädigten abwälzen will. Genau das versucht die Autoindustrie und wird hierbei von der Bundesregierung unterstützt. Das will und kann das in hohem Maße betroffene Handwerk nicht hinnehmen. Eine Sammlung von Handwerker- und Politikermeinungen zur Bewältigung des "Dieselgate".
 



Um die Betroffenheit der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Leipzig zu verifizieren, wurden rund 200 Mitgliedsbetriebe zu den Auswirkungen des Diesel-Kompromiss befragt. Die Aussagen waren inhaltlich einhellig: Das Verursacherprinzip müsse greifen und damit die Finanzierung aller notwendigen Maßnahmen sichergestellt werden. Das Wichtigste sei Planungssicherheit, Verlässlichkeit sowie letztlich ökologische Nachhaltigkeit.



Höhere Kosten für Kunden?

Maurer Andreas Lange fordert beispielsweise Förderungen für Austausch, Umrüstung auf Kosten der Automobilindustrie sowie klare Aussagen, wo und wann es Einfahrverbote geben wird. "Es gibt zu viele fragwürdige Entscheidungen 'angeblich' zugunsten der Umwelt. Letztlich führt alles zu höheren Kosten für die Kunden", meint der Leipziger

Elektroinstallateur Frank Ackermann aus Großpösna zeigt auf, dass der "Dieselgate" durchaus existenzbedrohend für kleine Unternehmen sein kann. "Ich habe vor drei Jahren ein neues Dieselfahrzeug kaufen müssen, weil in Leipzig die Umweltzone eingeführt wurde, und zahle noch die Raten ab. Wenn jetzt eine Umrüstung notwendig wird und die Kosten nicht zu 100 Prozent getragen werden, dann muss ich den Betrieb schließen."

Generell richtig findet Installateur und Heizungsbauer Torsten Rothe aus Markkleeberg die Diskussion. "Ich fühle mich von der Diskussion nicht verunsichert, obwohl ich sieben Dieselfahrzeuge besitze. Alternative Angebote sollten durch den Staat ausreichend finanziert und gefördert werden. Ich denke an Elektromobilität und Brennstoffzellen. Es muss sich was ändern, da Luft gerade an Ampeln extrem belastet ist, wenn man dort als Fußgänger steht." Auch im Bereich Heizungstechnik gebe es immer wieder Gesetzesänderungen. Da bleibe der Aufschrei in der Bevölkerung aus und die Umsetzung erfolge.

Mit fünf Dieselfahrzeugen ist Bodenleger André Hofmann aus Markkleeberg in Mitteldeutschland unterwegs. "Ich habe letztes Jahr meine Flotte auf Euro-5-Norm erneuert." Problematisch sieht er die Vermischung von Politik und Wirtschaft, wenn Politiker in Vorständen der Automobilindustrie sitzen, sei keine Objektivität mehr möglich.





Abgeordnete sind in der Pflicht

Mit der Forderung kurzfristig einen rechtssicheren Rahmen für die Mobilität der Wirtschaft zu schaffen sowie finanzielle Anreize für die Beschaffung emissionsarmer Fahrzeuge für Handwerk und Gewerbe aber auch für die Verbraucher in Aussicht zu stellen, hat sich die Handwerkskammer gemeinsam mit der IHK und dem Oberbürgermeister der Stadt Leipzig bereits im März an die Bundeskanzlerin gewandt.

Außerdem wurden jetzt durch die Handwerkskammer die sächsischen Abgeordneten aller Parteien in den Bundes- und Landesparlamenten aufgefordert, sich zu positionieren. Unisono stellten sich alle hinter die Positionen des Handwerks.

Hermann Winkler (CDU), Mitglied des Europäischen Parlaments, schrieb: "Ich halte die Auswirkungen der 'Dieselkrise' für sehr problematisch für die regionale Wirtschaft und nutze mein Mandat, indem ich nicht für überzogene CO2-Grenzwerte stimme, die die Situation noch verschlimmern. Ich halte jegliche Vorschläge im Zusammenhang mit Fahrverboten, Stilllegungen und Kaufprämien für nicht zielführend und lehne diese ab."
 

Nachrüstung für Diesel-Transporter?

Auch Bundestagsabgeordneter Jens Lehmann (CDU) setzt sich für Nachrüstungen ein. "Konkret unterstütze ich die Hardware-Nachrüstung für Handwerker- und Lieferfahrzeuge mit einem Gewicht von 2,8 bis 7,5 Tonnen, die ihren Firmensitz in der von Grenzüberschreitungen betroffenen Stadt oder den angrenzenden Landkreisen haben. Die Förderquote soll 80 Prozent der Kosten betragen. Auf diese Weise können Tausende Fahrzeuge umgerüstet werden. Das halte ich für machbar. Geklärt werden muss, wer den Restkostenanteil übernimmt. Hier sehe ich ganz klar die Automobilhersteller in der Pflicht."

Die SPD übermittelte eine abgestimmte Position der Abgeordneten Daniela Kolbe (MdB), Holger Mann, Dirk Panter (MdL) und Constanze Krehl (MdE).

"Dass die bisher vereinbarten Fördermaßnahmen zur technischen Nachrüstung oder dem Tausch von Handwerker- und Lieferfahrzeugen nur auf die sogenannten 'betroffenen' Städte und ihre angrenzenden Landkreise begrenzt sind, sehen wir als sächsische Abgeordnete kritisch. Schadstoffe machen nicht an Stadt- und Landesgrenzen halt. Wenn wir saubere Autos und Lastwagen auf unseren Straßen haben wollen, müssen wir alle Regionen unterstützen. Auch jene, die sich zum jetzigen Zeitpunkt über eine relativ saubere Luftqualität freuen können. Es kann nicht sein, dass der Osten Deutschlands bei der Diesel-Frage wieder einmal abgehängt wird."

Die AfD-Bundestagsfraktion und die AfD-Landtagsfraktion Sachsen positionieren sich nach eigener Aussage eindeutig zur Thematik. "Viele Beiträge bezüglich der Diesel-Thematik finden Sie auf unserer Website. In der Bundestagsfraktion arbeitet mit Dr. Dirk Spaniel ein ausgewiesener Fachmann, welcher jahrelang bei Mercedes/DaimlerChrysler in entsprechenden Abteilungen arbeitete und somit praktische Erfahrungen nachweisen kann. Unter dem Motto 'Diesel erhalten – Deutsche Technik ist kein Schrott' positioniert sich die AfD beispielsweise wie folgt: 'Enteignung bekämpfen', 'Verbraucher schützen', 'Effizienz, Verbrauch und Kosten', 'Deutschland ist ein Diesel-Land', 'Feinstaub, NOx und CO2?', 'Freiluft vs. Arbeitsplatz'. Die AfD kritisiert die gesetzlichen Grundlagen, welche die "Dieselkrise" ausgelöst haben. Auf allen Ebenen wird sich die AfD für eine Neugestaltung der Gesetzeslage einsetzen."
 

Manipulationen verstoßen gegen Recht

Luise Neuhaus-Wartenberg, Mitglied des Sächsischen Landtags für die Partei "Die Linke", will sich mit einer eigenen parlamentarischen Initiative dafür einsetzen, dass von Sachsen aus eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht wird, die allen Handwerksbetrieben einen Rechtsanspruch auf vollständige Übernahme der Umrüstkosten für ihre Fahrzeuge einräumt und zwar unabhängig davon, wo der Handwerksbetrieb seinen Sitz hat. Bei der entsprechenden Regelung soll dafür Sorge getragen werden, dass dann notwendige Verwaltungsverfahren unbürokratisch, zügig und ohne zusätzliche Kosten für die Betroffenen ausgestaltet werden.

"Ich werde prüfen lassen, inwieweit der Haushaltstitel 'Zuführungen an den Fonds zur Rettung und Umstrukturierung von sächsischen Unternehmen' genutzt werden kann, Handwerksbetriebe zu unterstützen, sollte die Bundesratsinitiative scheitern. Bis jetzt sieht der Haushaltsentwurf für 2019/2020 keine Zuführungen vor. Das wäre dann zu ändern."

Monika Lazar, Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, ist sich sicher, dass freundliche Appelle an die Autoindustrie nicht reichen. Die Bundesregierung müsse Druck auf die Autobosse ausüben. "Das beginnt bei der Einführung einer blauen Plakette und reicht bis hin zu ambitionierten CO2-Grenzwerten für Pkw auf europäischer Ebene. Klar ist: Wer betrügt, muss auch zahlen. Hardware-Nachrüstungen müssen zu 100 Prozent von der Autoindustrie bezahlt werden. Manipulationen an den Abgassystemen verstoßen gegen europäisches Recht. Was wir aber vor allem brauchen, ist eine echte Verkehrswende mit besseren Angeboten im Personennahverkehr und einer besseren Infrastruktur für Radfahrerinnen und Fußgängerinnen. Geeignete Maßnahmen dafür haben wir als Bundestagsfraktion in unserem Antrag 'Luft und Lebensqualität schaffen' aufgeführt."



Antworten der Parteien

Die Antworten der Parteien und Abgeordneten sind in Kürze vollständig auf www.hwk-leipzig.de abrufbar.





Marco Kitzing

Christian Likos

Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Recht / Stellvertretender Hauptgeschäftsführer

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