
Bei uns zählt nicht, wo man herkommt. Sondern wo man hinwill.
Wie gelingt Integration in der Praxis, wobei gibt es Schwierigkeiten, welche Hürden sind zu überwinden? Die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Annette Widmann-Mauz, wollte Antwort auf die Fragen von den unmittelbar Betroffenen. Auf ihrer Sommertour machte sie Station in Gaschwitz, ein Ort zehn Kilometer vom Leipziger Stadtzentrum entfernt. Hier in der Fechner Fenster- und Türenbau Gaschwitz GmbH beweisen Inhaber Dirk Frenzel und seine 20 Mitarbeiter, dass Integration gelingen kann, wenn Offenheit und Willen aller Beteiligten vorhanden sind.
Zwei Mitarbeiter aus Syrien und ein Marokkaner gehören zum Team. Für Dirk Frenzel ist entscheidend, dass ihn alle drei während der Probearbeiten überzeugten und die Zusammenarbeit mit den Kollegen klappt. "Integration ist kein Selbstläufer, sondern muss gestaltet werden“, betonte auch Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig, der den Besuch der Staatsministerin begleitete. Viele Unternehmen spürten den Fachkräftemangel. Deshalb müssten Migranten schneller in die Unternehmen kommen und bei Bedarf auch bleiben können, sagt Gröhn. „Ich würde es begrüßen, wenn der Arbeitgeber Einfluss darauf hat, wer eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bekommt", ergänzt Frenzel.
Weil nur Qualität und saubere Arbeit zählen
"Ich bin 2012 vor dem Krieg in Syrien in den Libanon geflüchtet", berichtete der 30-jährige Mohammed Hamza Karami der Staatsministerin. "Ich habe zehn Jahre als Tischler gearbeitet, Möbel und Türen hergestellt und dabei mit den Augen gelernt." Als er seine Arbeit verlor und keine Perspektive sah, lieh sich Karami Geld und machte sich über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa. Nach einer Odyssee durch Osteuropa landete er in einem Leipziger Flüchtlingsunterkunft. "Heute habe ich ein Zimmer in einer WG und fahre täglich mit dem Rad von Leipzig nach Gaschwitz", erzählt er stolz. "Ich habe sehr schnell gemerkt, ohne Ausbildung geht bei euch in Deutschland nichts." Deswegen habe er vor einem Jahr mit der Ausbildung zum Tischler begonnen. Die Sprache sei dabei nicht das größte Problem, erzählt er, die lerne er mithilfe des Handys und YouTube und in den Sprachkursen. Auch die Praxis sei einfach, aber Mathematik und Zeichnen dagegen schwierig.
Auf die Frage, wie es sich in Sachsen lebe, antwortet Harim: "Gut. Ich habe noch nie rassistische Leute getroffen. Nur freundliche und einige weniger freundliche Menschen." Bei den Kunden gäbe es kaum Vorbehalte gegen Mitarbeiter mit Migrationshintergrund und wenn, sind sie spätestens nach dem Auftrag ausgeräumt, setzt der Firmenchef hinzu, weil Qualität und saubere Arbeit zählt und nicht die Nationalität. "Wir arbeiten gern hier, man hat Demokratie und Freiheit. Hier herrscht kein Krieg", ergänzt sein Kollege Haitham Youssef, der es vor knapp vier Jahren aus Aleppo nach Leipzig geschafft hat. Er belegte Sprachkurse, absolvierte Praktika in Tischlereien und ist seit einem Jahr in der Fechner GmbH festangestellt. Mit Unterstützung des Betriebes besucht er Weiterbildungslehrgänge im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer. "Obwohl ich viele Jahre als Tischler gearbeitet habe, sind die modernen Maschinen noch Neuland." In Deutschland ist Youssef angekommen, hat eine deutsche Freundin und ist seit wenigen Monaten Vater.
Nächstes Ziel: Meister werden
Der Marokkaner Aziz Boutfoussie hat in seiner Heimat einen Berufsabschluss erworben und als selbstständiger Unternehmer im Fensterbau gearbeitet, bevor er sich „der Liebe wegen“ für Leipzig entschied. Hier absolvierte er einige Praktika und Weiterbildungen, bevor er die Festanstellung bekam. Aziz hatte von Beginn an ein Ziel: Er will einen deutschen Abschluss, er möchte Meister werden. Jetzt ist er seinem Ziel einen großen Schritt näher. Er hat die Zulassung zum Meisterstudium bekommen und wird im Dezember berufsbegleitend mit den Vorbereitungskursen beginnen.
"Arbeitsmöglichkeiten und Sprachkurse sollten von Anfang an parallel laufen. Wer arbeitet wird schneller akzeptiert und integriert", gab der Kammerpräsident der Integrationsministerin mit auf den Weg. Gerade im Bereich Aus- und Weiterbildung müsse es mehr niedrigschwellige Angebote geben, die dann anerkannt werden, um einen Berufsabschluss zu bekommen.
"Bei uns zählt nicht, wo man herkommt. Sondern wo man hinwill." - der Slogan der Imagekampagne wird im Handwerk gelebt, davon hatte sich Ministerin Annette Widmann-Mauz in der Fechner Fenster- und Türenbau Gaschwitz GmbH überzeugen können.
Quelle: Deutsches Handwerksblatt 0708/2019
Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig