Archivbeitrag | Newsletter 2023Azubi-Deutschlandticket und Priorität für Bildung angemahnt
Sowohl vor als auch hinter den Kulissen bringen sich die ehrenamtlichen Vertreter der Handwerksorganisation regelmäßig in Debatten und ein, damit die Belange des Handwerks in Gesetzgebung und aktuellen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.
Anika Dollmeyer
So hat Leipzigs Handwerkskammerpräsident Matthias Forßbohm beispielsweise die ernüchternden Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie sowie die Benachteiligung von Lehrlingen beim Deutschlandticket öffentlich kommentiert.
Statement zu den PISA-Ergebnissen
Wohlstandssicherung ist nur mit gebildeten und gut ausgebildeten Menschen möglich
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"Auch die Handwerksbetriebe in der Region Leipzig spüren, dass Auszubildende Defizite in bestimmten Schulfächern mitbringen. Das ist heute jedoch nicht anders als beim ersten PISA-Schock im Jahr 2000. Bedenklich ist allerdings, dass sich das Leistungsniveau während der vergangenen Jahre offenbar nicht verbessert hat.
Hier mögen Faktoren wie die Corona-Pandemie und die Integration junger Menschen mit Zuwanderungshintergrund – also ohne Deutsch als Muttersprache – eine Rolle spielen. Aber wir sollten als Gesellschaft einfach unsere Hausaufgaben machen. Wir müssen dafür sorgen, dass unser Bildungssystem leistungsfähiger wird und dass wir alle mitnehmen. Die Zahl der jungen Leute, die ohne Abschluss von der Schule gehen, ist seit Jahren zu hoch.
Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, brauchen wir gebildete und gut ausgebildete Menschen. Kompetenzen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften sind Grundsteine für eine spätere Berufsausbildung. Wenn es hier Probleme gibt, gefährden wir den späteren Bildungserfolg. Und wenn die Ausbildungsbetriebe während der Lehre die Versäumnisse des Schulsystems oder mancher Elternhäuser ausbügeln müssen, ist das ebenfalls ein Warnsignal. Da ist es für mich nur ein schwacher Trost, dass Sachsen im innerdeutschen Vergleich der Bildungsqualität regelmäßig gut abschneidet.
Bildung braucht Priorität und ich sehe einige Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Situation. Zum einen ist eine flächendeckende, frühe Sprachförderung notwendig, um auch Kindern aus anderen Sprach- und Kulturkreisen gute Startchancen zu ermöglichen. Weiterhin muss die frühe Selektion der Schüler auf den Prüfstand. Wir sollten leistungsstarke und vermeintlich leistungsschwächere Schüler nicht schon in der fünften Klasse trennen. Und wir brauchen flächendeckende Investitionen in Schulinfrastruktur sowie in ausreichend kompetentes Lehrpersonal. Jeder Euro, der hier eingesetzt wird, zahlt sich aus."
Deutschlandticket auch für Azubis gefordert
Leipziger Kammerpräsident mahnt Gleichbehandlung von akademischer und beruflicher Bildung an
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"Bund und Länder haben sich auf die Einführung eines Deutschlandtickets zu einem ermäßigten Preis für Studierende geeinigt. Eine gute Lösung. Doch es stellt sich die Frage, warum dabei ein einheitliches deutschlandweit gültiges Ticket für Auszubildende überhaupt keine Rolle spielt. Das verwundert umso mehr, da die sächsischen Wirtschaftskammern in einem Spitzengespräch mit den sächsischen Ministerien für Kultus und Wirtschaft zur beruflichen Bildung die Bedürfnisse der Auszubildenden und der Ausbildungsbetriebe klar kommuniziert haben.
Auch Auszubildende müssen öffentliche Verkehrsmittel nutzen, um die Berufsschule und überbetrieblichen Ausbildungsstätten zu erreichen.
Unlängst hat Sachsen das Berufsschulnetz neu organisiert. Verbunden ist dies für viele Auszubildende mit weiteren Wegen. Ein nicht unerheblicher Teil der Azubis muss Berufsschulen in anderen Bundesländern besuchen. Das derzeit im Freistaat Sachen erhältliche Azubiticket ist deutlich teurer als das geplante Deutschlandticket. Das ist nicht nur ungerecht, sondern schmälert die Attraktivität der dualen Ausbildung. Aber gerade jetzt braucht die Gesellschaft dringend gewerbliche Fachkräfte. Sollen die Ziele der Energiewende erreicht werden, braucht es Menschen, die programmieren, installieren, montieren.
Warum also nicht ein ermäßigtes Deutschlandticket für alle jungen Menschen beispielsweise bis 25 Jahre? Es wäre nicht nur Ausdruck der Gleichwertigkeit aller Bildungswege, sondern auch ohne hohen bürokratischen Aufwand umzusetzen".