Kalendereintrag, Freitag. Bild: stock.adobe.com / Thomas Eder
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4-Tage-Woche im Handwerk: Freitags sind sie nie da?

Für hippe IT-Start-ups waren flexible Arbeitszeitmodelle schon vor der Coronapandemie Standard. Mittlerweile haben sich auch Institutionen und Unternehmen, denen man das kaum zugetraut hätte, mit dem Thema "New Work" befasst. Der Grund ist klar: Fachleute sind Mangelware und müssen deshalb gepflegt und umworben werden.
 

Fachleute sind Mangelware und müssen umworben werden

In typischen Handwerksbetrieben sind einige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung aber nahezu undenkbar, die bei Bürojobs fast schon erwartet werden. Eine Mauer lässt sich nicht aus dem Homeoffice verputzen und unser täglich Brot kann nicht "remote" gebacken werden. Trotzdem wird auch im Handwerk experimentiert. Einige Meister und Meisterinnen bieten der Belegschaft sogar die 4-Tage-Woche an. Obwohl Freitag oder Montag dann frei sind, gibt es meist das gleiche Gehalt.
 

Kann das funktionieren?

Kann das funktionieren oder sind kürzere Arbeitszeiten angesichts voller Auftragsbücher eine Utopie? Wir haben mit einem Elektro-, Sanitär- und Heizungsbetrieb gesprochen, der das Modell der 4-Tage-Woche ausprobieren will. Die Anlagentechnik Sommer GmbH aus Schkeuditz wird von den Geschwistern Bianka und Tino Sommer gemeinsam mit ihrem Vater geführt, der das Unternehmen 1993 mitgegründet hat. Ihr Team umfasst aktuell 26 Profis, die das komplette Leistungsspektrum für Heizung, Sanitär und Stromerzeugung abdecken. Haben die bald alle am Freitag frei und der Kunde schaut in die Röhre?
 

 
 

Interview mit der Geschäftsführung der Anlagentechnik Sommer GmbH


Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine 4-Tage-Woche einzuführen? Eigentlich müssten Sie doch Überstunden machen, um die Kundenanfragen abarbeiten zu können. 

Bianka Sommer: Das stimmt natürlich. Wir haben alle Hände voll zu tun, damit wir unsere Kunden mit den vorhandenen Kapazitäten in der gewohnten Qualität bedienen können. Neukunden müssen wir aktuell in der Regel ganz ablehnen. Aber wir denken nicht nur an die nächsten Monate. Wenn wir dauerhaft am Markt sein wollen, brauchen wir motivierte Installateure und Technikerinnen. Demnächst geht uns ein Kollege durch Wegzug verloren. Das müssen wir kompensieren und wir möchten unser Team zudem moderat vergrößern. Also suchen wir nach Wegen, um uns als Arbeitgeber und Ausbilder attraktiv zu machen. Neben einer übertariflichen Bezahlung und einem guten Betriebsklima wollen wir auf clevere Arbeitszeitmodelle setzen.

Tino Sommer: Als wir Medienberichte zur 4-Tage-Woche in einem Handwerksbetrieb in Bayern gesehen hatten, haben wir uns auf Leitungsebene mit unserem Vater zusammengesetzt. Wir fanden das Modell gut und haben es gedanklich und finanziell durchgespielt. Schließlich haben wir uns entschieden, den Versuch zu wagen. Wir wollen lieber zu den ersten als zu den letzten gehören, die ihrer Belegschaft eine 4-Tage-Woche anbieten.

Tino Sommer, Geschäftsführer der Anlagentechnik Sommer GmbH
Anlagentechnik Sommer GmbH
Tino Sommer, Geschäftsführer der Anlagentechnik Sommer GmbH

»Um attraktiv für Fachleute und Lehrlinge zu sein, wollen wir lieber zu den ersten als zu den letzten gehören, die ihrer Belegschaft eine 4-Tage-Woche anbieten.«


Und nun arbeiten alle seit dem Jahreswechsel nur noch 4 Tage á 8 Stunden und bleiben freitags daheim?

Bianka Sommer: Soweit sind wir noch nicht. Wir müssen an viele Dinge denken – zum Beispiel an unsere Kundschaft. Außerdem gehört in unserem Gewerk der Havariedienst zum Tagesgeschäft. Den müssen wir rund um die Uhr absichern. Beim Projekt 4-Tage-Woche wollten wir auch alle mitnehmen. Wir haben zunächst die Kolleginnen und Kollegen zusammengetrommelt und die Idee vorgestellt. Manche waren begeistert, andere etwas skeptisch.

Jetzt sind wir bei der Detailplanung und hoffen, im März starten zu können. Grundsätzlich werden wir die Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 Stunden reduzieren. Das Gehalt bleibt aber gleich. Dieser Schritt scheint uns eine bessere Investition als ein großer Dienstwagen zu sein. Wir investieren in Menschen. Momentan sprechen wir mit allen einzeln, um individuelle Lösungen zu finden. Wenn die Kita 17 Uhr schließt, können wir schließlich nicht verlangen, dass der Kollege eine 10-Stunden-Schicht fährt. 

Bianka Sommer, Geschäftsführerin der Anlagentechnik Sommer GmbH
Anlagentechnik Sommer GmbH
Bianka Sommer, Geschäftsführerin der Anlagentechnik Sommer GmbH

»Grundsätzlich werden wir die Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden reduzieren. Das Gehalt bleibt gleich. [...] Und wir erhalten uns Flexibilität, damit keinem Kollegen ein Nachteil entsteht.«

Tino Sommer: Die 5-Tage-Woche betrifft übrigens auch unsere drei Lehrlinge. Sie werden weiter von Montag bis Freitag lernen. Wir schaffen aber Möglichkeiten, dass an Freitagen im Betrieb geübt wird, was sonst im Alltag zu kurz kommt. Der Tag bietet sich auch für Prüfungsvorbereitung an. Außerdem können diverse Werkstattaufgaben erledigt werden. Das bringt mehr Qualität in der Ausbildung und die Jungs können sich darauf freuen, dass sie nach der Übernahme in die Firma als ausgelernte Gesellen am Freitag Zeit für ihre Hobbys haben.


Glauben Sie, dass die Umstellung als Maßnahme zur Fachkräftesicherung reicht und was versprechen Sie sich noch davon?

Tino Sommer: Wir sind uns bewusst, dass wir mit der 4-Tage-Woche kein Allheilmittel im Wettbewerb um Fachkräfte haben. Sie ist aber ein Pfund mit dem man bei Stellenausschreibungen und bei Bewerbungsgesprächen punkten kann. Wir werden jetzt erstmal abwarten, wie es anläuft. Wenn es klappt, gibt es möglicherweise sogar kleinere Bonuseffekte. Wenn jemand nur vier- statt fünfmal wöchentlich zur Arbeit fährt, wird auch weniger Benzin verbraucht und CO2 erzeugt. Und durch die längeren Tagesschichten können wir für kurze Aufträge bei Privatkunden sogar Termine nach 16 Uhr vereinbaren. Das könnte ein Pluspunkt bei der Kundenfreundlichkeit werden. 


Werden Sie als Geschäftsführungsteam ebenfalls eine 4-Tage-Woche haben?

Bianka Sommer: Vielleicht wird es in Einzelfällen mal klappen. Auf Dauer dürfte es schwierig werden. Wir sind zum Glück ein gutes Dreiergespann aus Vater, Sohn und Tochter aber es gibt enorm viel zu tun. Gerade machen uns unterbrochene Lieferketten das Leben schwer. Erst gestern musste ich zwei Kunden mitteilen, dass ein Hersteller die bestellten Wärmepumpen nicht fristgerecht liefert. Die sollten kommende Woche installiert werden. Nun müssen die Kunden vermutlich zwei Monate warten. Da müssen wir viel telefonieren, umplanen, nachkalkulieren und zusätzlich Zeit aufwenden, um vielleicht doch noch an Material zu kommen.

Tino Sommer: Ich denke auch, dass es schwierig wird. Das ist ein kleiner Nachteil der unternehmerischen Freiheit. Irgendwas ist immer zu tun und mancher Kunde oder Geschäftspartner spricht am liebsten mit der Geschäftsführung. Wir werden also erreichbar und präsent bleiben. Weil ich außerdem direkt neben der Firma wohne, hätte ich bestimmt wenig Ruhe, wenn ich daheim wäre. Da fahre ich lieber nochmal raus auf eine Baustelle und schaue, dass vor Ort die Zusammenarbeit mit anderen Gewerken klappt.

 www.at-sommer.de 

 

reißmann-hagen-web2023 Marco Kitzing

Hagen Reißmann

Öffentlichkeitsarbeit und Medien

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