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Archivbeitrag | Newsletter 2017Wird Mobilität im Handwerk zum Glücksfall?

Sehr geehrte Handwerksmeisterin, sehr geehrter Handwerksmeister,

gehören Sie auch zu jenen, die vor kurzem für ihr Unternehmen in neue Dieselfahrzeuge investiert haben? Mit der Einstufung in Euro 5 oder 6 gehören Sie zu den Glücklichen, die vielleicht trotz nahender Fahrverbote weiterhin die Umweltzonen in den Städten befahren können. Alle anderen Fahrzeuge mit Euro 4 und schlechter werden wohl draußen bleiben müssen. Dabei liegen die letzten Investitionen für neue Fahrzeuge aufgrund der Einführung von Umweltzonen gerade einmal fünf Jahre zurück. Viele Unternehmer mussten deshalb in neue Lkw und Pkw investieren, um drohende Fahrverbote abzuwenden und haben somit ihre Existenz und die ihrer Mitarbeiter gesichert. Dieses Geld fehlte bei anderen Investitionen.

Jetzt soll es nun schon wieder so weit sein und das in einem noch viel größeren Ausmaß. Viele stehen somit vor den Scherben ihrer Investition. Haben wir nicht schon genug andere Baustellen, die uns täglich begleiten, wie eine Altersvorsorge welche aufgrund der nicht vorhandenen Zinsen wie Eis in der Sonne schmilzt oder die Zahlung von Negativzins nur weil wir unser verdientes Geld zur Bank bringen? Jetzt geht es aber an die Substanz, an die stillen Reserven in unseren Unternehmen. Dies käme einer Enteignung gleich. Von einer nachhaltigen Nutzung der getätigten Investitionen ganz zu schweigen.

Es geht um unsere Gesundheit und die wirtschaftliche Existenz

Man könnte die gesamte Entwicklung auch als bühnenreifes Theaterstück für die alljährliche politische Sommerpause ansehen, wenn es dabei nicht so entscheidend um unsere Gesundheit und wirtschaftliche Existenz ginge. Die Dieselaffäre treibt deshalb manchem die Wut in den Bauch, anderen den Schweiß ins Gesicht und wohl den meisten die Sorgenfalten um unsere mobile Zukunft und wirtschaftliche Existenz auf die Stirn.

Festzustellen ist, dass die vom Gesetzgeber vorgegebenen Werte bei vielen "Diesel"-Fahrzeugen nicht eingehalten werden. Das ist nicht akzeptabel und geht eindeutig zu Lasten der Hersteller.

Ob beim Schreiben der Gesetze wissenschaftlich-technisch sinnvolle Anforderungen oder eher politische Vorgaben Leitmotiv waren, können wir als Handwerk nicht beurteilen, wohl wissend, dass wir als Unternehmer in unseren eigenen Arbeitsstätten unter anderem maximale Arbeitsplatzkonzentrationen von verschiedensten Stoffen einhalten müssen. Bei Stickstoffdioxid sind das zum Beispiel gesetzlich festgelegte 0,95 mg/m³, was rund 23 Mal mehr ist, als der Maximalwert von 0,04 mg/m³ im Straßenverkehr.
 

Last wird Bürgern und Betrieben aufgebürdet

Jetzt können es Updates für rund 100 Euro bei Fahrzeugen nach Euro 5 und 6 richten. Warum wurden diese Updates nicht schon bei der ersten Inbetriebnahme eingespielt? Die große Mehrheit der anderen Fahrzeughalter soll mit einer Prämie in Höhe von vielleicht 2.000 Euro zum Kauf neuer Fahrzeuge bewegt werden. So will man sich aus der Verantwortung stehlen und die Last wieder dem Bürger und Betrieben im Handwerk aufbürden.

Wir im Handwerk sind immer offen für neue Technologien und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Natürlich sind in den letzten Jahren gerade in der Elektromobilität Fortschritte gemacht worden, die jedoch bei genauer Analyse zum jetzigen Zeitpunkt und vermutlich auch in naher Zukunft einen kompletten Umstieg, insbesondere des Wirtschaftsverkehrs, nicht annähernd ermöglichen.

Momentan wird nur über die Personenwagen gesprochen und die anderen Emissionsquellen in der aktuellen Diskussion außen vor gelassen. So eine Politik hat nichts mit Planungssicherheit und Nachhaltigkeit zu tun.
 

Keine Fahrverbote! Umrüstung nach dem Verursacherprinzip abrechnen!

Wir fordern als Handwerk in der weiteren Diskussion und Umsetzung mehr Sachlichkeit, Ehrlichkeit und Transparenz aller Beteiligten und Betroffenen. Die schlichte Einführung von Fahrverboten für Millionen von Fahrzeugen hat unabsehbare Folgen für die regionale Wirtschaft. Insbesondere das Handwerk als der Dienstleister vor Ort ist durch seine spezifische Struktur nicht in der Lage, die erneute und kurzfristige Umstellung der größtenteils auf Dieselfahrzeugen beruhenden Flotten zu stemmen.

Wir fordern daher die Einhaltung und Reduzierung der Emissionswerte bei der aktuellen und künftigen Motorentechnik gemäß dem Stand der Technik durch die Hersteller. Erforderliche Nachrüstungen der Technik sind ebenfalls für die Betroffenen ohne zusätzliche Kosten durch die Hersteller zu leisten. Langfristige und planbare Übergangszeiträume, eine ausreichende finanzielle Unterstützung bei notwendigen Neuinvestitionen, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten die weit über den jetzigen Regelungen liegen, müssen alle erforderlichen Maßnahmen begleiten. Um den Umstieg auf alternative Antriebskonzepte überhaupt erst zu ermöglichen, sind diese realitätskonform und praktikabel weiter zu entwickeln.

Mit den besten Grüßen für Ihren mobilen Alltag,

Ihr Frank Tollert

Kommentar

"Nur verlässliche politische Rahmenbedingungen ermöglichen dem Handwerk nachhaltiges Wirtschaften und langfristig planbare Investitionen."
 

Glasermeister Frank Tollert
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Frank Tollert, Glasermeister und Vizepräsident der Handwerkskammer zu Leipzig