Wenn Freibier aus dem Brunnen sprudelt. Die Kupferschmiedeinnung Leipzig wäre im Dezember 300 Jahre alt geworden. Wolfang Wetzig ist der letzte aktive Meister in der Stadt.
Robert Iwanetz

Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 11/2021Wenn Freibier aus dem Brunnen sprudelt

Ein Porträt von Robert Iwanetz.

Die Kupferschmiedeinnung Leipzig wäre im Dezember 300 Jahre alt geworden. Wolfang Wetzig ist der letzte aktive Meister in der Stadt. Dass nirgends ein Nachfolger in Sicht ist, macht ihn nicht sentimental.

Die Vergangenheit schwingt in der Werkstatt von Wolfgang Wetzig bei jedem Hammerschlag mit. Viele der Werkzeuge, die der Kupferschmiedemeister in seiner Halle im Leipziger Südosten benutzt, sind seit fast 150 Jahren im Einsatz. „Dieser Steckamboss zum Beispiel“, sagt der gebürtige Leipziger, „ist heute nirgendwo mehr zu bekommen.“ Er zeigt auf die Wand hinter ihm, wo gleich ein ganzes Arsenal an Ambossen und Hämmern aufgereiht ist, die er für seine tägliche Arbeit benötigt. Gerade treibt er einen größeren Paukenkessel für ein Orchester. 40.000 überlappende Hammerschläge auf das Kupferblech sind dafür nötig. Rund 1.000 solcher Resonanzkörper für Kesselpauken hat Wetzig schon in Handarbeit hergestellt – für Orchester in Deutschland, Brasilien, Venezuela und sogar die New Yorker Philharmonie. „Die Musiker sagen, dass meine Kessel besser klingen, als die industriell hergestellten“, sagt der 53-Jährige. Dabei macht der Instrumentenbau nur einen Teil seiner Arbeit aus.
 

Alltag ist extrem abwechslungsreich

Als Kupferschmied fertigt er Turmbekrönungen von Kirchen genauso wie Feuerzangenbowle-Kessel für Weihnachtsmärkte oder Schankanlagen für Hotels und Restaurants. Er restaurierte auch schon die riesigen kupfer- und messingbeschlagenen Türen in der Ruhmeshalle des Völkerschlachtdenkmals oder entwickelte Duftgloschen für Weinverkostungen beim Chemie-Konzern BASF. Zum Luther-Jubiläum in Wittenberg beauftragte ihn die Stadt damit, die große Kupferkugel am Marktbrunnen so zu erneuern, dass außer den vier Wasserauslässen auch eine Zapfstelle für Bier vorhanden ist. Dadurch konnte zu den Feierlichkeiten Bier aus dem Brunnen gezapft werden. Sein neuester Auftrag lautet: die historischen kupfernen Gaslampen am Eingangsportal der Leipziger Südfriedhofs wieder in Schuss zu bringen. „Mein Alltag ist extrem abwechslungsreich, das ist das Tolle an diesem Beruf“, sagt Wolfgang Wetzig.
 

Der eigene Qualitätsanspruch

Der 53-Jährige ist der vermutlich letzte Kupferschmiedemeister in Sachsen. Seine Lehre absolvierte er Mitte der 80er-Jahre bei Immanuel Hochkeppeler. Dort arbeitete er anschließend auch als Geselle, bis sich sein Lehrmeister 1996 zur Ruhe setzte. In den Jahren zuvor hatte Wetzig bereits ein Ingenieurstudium absolviert und seinen Titel als „Kupferschmiedemeister“ erworben. „Es dauerte sehr lange, die für das Handwerk erforderlichen Fertigkeiten so umfassend zu erlernen, dass die ausgeführten Arbeiten dem eigenen Qualitätsanspruch entsprachen“, erzählt Wetzig. Im Frühjahr 1997 gründet er dann seine eigene Firma, die „Leipziger Kupferschmiede“. Seitdem ist er größtenteils Einzelkämpfer. Nur im Büro hat er seit einigen Jahren stundenweise Unterstützung.
 

Der Kupferschmied: extrem kreativ

Dadurch kann sich Wetzig auf die Arbeit in der Werkstattkonzentrieren - seine große Leidenschaft. Größtenteils in Handarbeit biegt, treibt und hämmert er die Kupferbleche, um die vom Auftraggeber gewünschte Form zu erreichen. „Wir versuchen immer eine Lösung für unsere Kunden zu finden“, sagt der Kupferschmied. Oftmals sind die Ergebnisse absolute Unikate. So verzweifelte beispielsweise ein Technischer Leiter eines Museums daran, dass die Abluftventilatoren in seinem Gebäude ständig durchbrannten. Wetzig konstruierte daraufhin einen veränderten Luftauslass, passend zur historischen Fassade, der die Überlastung der Lüfter verhinderte und so das Problem löste. „Man kann als Kupferschmied extrem kreativ sein.“
 

Der Lauf der Dinge

Die Geschichte des Gewerks reicht weit zurück: Bereits 1669 wird das Kupferschmiedehandwerk das erste Mal urkundlich in Leipzig erwähnt. Zur Innungsgründung im Jahr 1721 gab es schätzungsweise noch um die 600 Kupferschmiede in Sachsen. Damals wurden Haushaltsartikel wie Backformen, Wasserkessel und Badeöfen ebenso wie Braukessel und Destillieranlagen fast ausschließlich aus Kupfer gefertigt. Später spalteten sich aus der Innung die Heizungsbauer und Klempner ab. Mit der industriellen Herstellung von Edelstahl kam das Gewerk dann immer mehr ins Hintertreffen. Heute gibt es in ganz Deutschland nur noch eine Handvoll Kupferschmiedemeister. Die Leipziger Kupferschmiedeinnung ist längst aufgegangen in der Innung für Sanitär-Heizung-Klima. Im Dezember wäre sie 300 Jahre alt geworden. „Das Jubiläum bedeutet mir trotzdem etwas“, sagt Wolfgang Wetzig, auf dessen Firmenflyer steht: „Wohl der Stadt die noch Kupferschmiede hat“. Dass nirgends ein Nachfolger in Sicht ist, der das altehrwürdige Handwerk in seiner Werkstatt weiter betreibt, macht ihn aber nicht sentimental. „Es ist der Lauf der Dinge, den man nicht ändern kann.“
 

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 Leipziger Kupferschmiede

Unternehmen im Fokus

Das Handwerk der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen bildet das Fundament der regionalen Wirtschaft. Verantwortungsvolle und clevere Unternehmer stehen mit ihren Namen für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Bandbreite des Wirtschaftsbereichs zu zeigen, werden unter der Überschrift „Unternehmen im Fokus“ in unregelmäßiger Folge Unternehmen exemplarisch vorgestellt.

Dieser Artikel ist auch im Deutschen Handwerksblatt – Ausgabe der Handwerkskammer zu Leipzig 11/2021 erschienen.


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