Unternehmensnachfolge in den östlichen Bundesländern
Beim dritten Handwerkspolitischen Forum Ost statt, wird regelmäßig die Situation des Handwerks in den östlichen Bundesländern unter die Lupe genommen. Handwerk und Handwerksorganisation umreißen konkrete Problemfelder und Skizzieren unter aktiver Mitwirkung von Politik Lösungsansätze. Bei der jüngsten Auflage am Mitte Februar standen im Congress Center Leipzig die Fachkräfteentwicklung und die Bewältigung der Unternehmensnachfolge in den ostdeutschen Handwerksbetrieben im Fokus.
Handwerk Unter dem Energiewende-Brennglas
Eine detaillierte Situationsanalyse und Denkanstöße lieferte Dr. Christian Welzbacher, Leiter des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik an der Leibnitz Universität Hannover. Handwerk liegt unter dem Brennglas der Energiewende, die als ganzheitlicher Ansatz zu denken ist, so dessen Ausgangsthese.
Kohlendioxidreduzierung, Energie- und Materialeinsparungen am Bau und Gebäudesanierung seien nur einige Aspekte der zu bewältigenden Herausforderungen. Es stelle sich die Frage: Kann das Handwerk diese Leistungen überhaupt erbringen? Ja, denn die Ausbildungsordnungen, die Meisterausbildung, die fachliche Weiterbildung garantierten das dafür erforderliche Know-how. Aber gibt es auch genügend Fachkräfte? Nein. Die Jugendlichen gingen zunehmend nicht in eine gewerbliche duale Ausbildung und somit auch nicht ins Handwerk. Dagegen steige die Zahl derjenigen, die ein Bachelorstudium beginnen. Aktuelle Studien belegten, dass bis 2025 allein 120.000 Erwerbstätige mehr benötigt werden, um das Klimaschutzprogramm 2030 umzusetzen. Ab 2025 fehlen sogar 400.000 Fachkräfte um diese Maßnahmen und die Ziele des sozialen Wohnungsbaus zu erreichen.
Firmennachfolge im Ost-Handwerk: Wie kann der Übergang gelingen?
13 Millionen Erwerbstätige gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Das sind 60 Prozent der Beschäftigten in den Unternehmen, die nach 1990 gegründet wurden. Da ein Drittel der Unternehmen in Ostdeutschland in diesem Zeitraum gegründet wurden, sind die Auswirkungen hier besonders gravierend. Durch die demografische Entwicklung stehen allein in Mitteldeutschland in den nächsten fünf Jahren 13.000 Unternehmen vor der Übergabe.
"Es wird nicht ausreichend Unternehmerpersönlichkeiten geben."
Dr. Christian Welzbacher
Drei Viertel davon haben bisher noch keine Vorkehrungen für eine geordnete Unternehmensnachfolge getroffen. Ernüchternde Zahlen, wenn man bedenkt, dass es schon jetzt schwierig ist, einen Nachfolger für ein Unternehmen zu finden. Künftig werde es noch schwieriger, weil es nicht ausreichend Fachkräfte und Unternehmerpersönlichkeiten geben werde, so Welzbacher.
Nur sieben Prozent der Jugendlichen sehen Unternehmerlaufbahn als Lebensziel
Einer Studie zu den Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen aus dem Jahr 2020 zufolge wünschten sich die Jugendlichen heute, bürgerlicher Durchschnitt zu sein. Persönliches Wohlergehen, Gesundheit und Familie sind ihnen wichtiger als ihr eigenes Ding zu machen und erfolgreich zu sein. Nur sieben Prozent sehen im Unternehmersein ein Lebensziel. Es werde für die Übergabe daher auch nicht ausreichend Unternehmerpersönlichkeiten aus dem Handwerk geben, so Welzbacher. Auch Hochschulabsolventen müssten begeistert werden, denn nur jedes siebte Unternehmen im Handwerk werde von einem Hochschulabsolventen gegründet, in der Gesamtwirtschaft ist es hingegen jedes dritte. Auch Ausländer müssten als potenzielle Übernehmer mit ins Auge gefasst werden. Außerdem müsse bedacht werden, dass potenzielle Nachfolger oft erst zu einer Führungskraft entwickelt werden müssen. Das erfordere Zeit.
Zusammenfassend identifizierte Welzbacher daher die frühzeitige eigene Planung des Übergabeprozesses als den entscheidenden Erfolgsfaktor für eine Betriebsübergabe und damit den Fortbestand vieler Wirtschaftseinheiten.
Am wichtigsten sei zu klären, wer übernehmen wird. Es folgt die strategische Planungsphase, in der beispielsweise Betriebs- und Steuerberater oder Kreditinstitute einbezogen werden und eine realistische Wertermittlung. Dazu gehört, die Übergabefähigkeit zu prüfen und das Unternehmen gegebenenfalls übergabefähig zu machen. Das kann mitunter auch bedeuten, mit dem Ziel der Effizienzsteigerung noch einmal zu investieren oder auch zu digitalisieren. So könne die Firmennachfolge als Übergabe eines Lebenswerkes erleichtert und manchmal erst ermöglicht werden. Der gesamte Prozess brauche zudem Vertrauen auf beiden Seiten.
Für das Studium werden falsche Anreize gesetzt
In einer thematisch angegliederten Talkrunde des Handwerkspolitischen Forums Ost verkündete Bäckermeister Jens Hennig, der sein Unternehmen in der fünften Generation führt und sich im Übergabeprozess befindet, den aus seiner Sicht entscheidenden Erfolgsfaktor: "Man muss vorleben, dass Unternehmer zu sein, Freude macht."
"Man muss vorleben, dass Unternehmer zu sein, Freude macht."
Jens Hennig
Dem stimmte auch der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, zu. "Wenn es nicht gelingt, die Inspiration rüber zu bringen, was soll der Staat dann machen?" Der Staat müsse für die Rahmenbedingungen sorgen, die dem Unternehmer Freiheiten schaffen, wie sie es in den 90er Jahren gab. Zudem, so erklärte der Landesvater und erntete dafür die Zustimmung aus dem Handwerk, werden für das Studium falsche Anreize gesetzt, wie etwa durch die BAföG-Reform. Notwendig sei es jedoch, die Berufsorientierung zu stärken und den Schülern Betriebspraktika zu ermöglichen.
Zeigen, wie man sich im Handwerk verwirklichen kann!
Jens Hennig unterstrich dies. Das Handwerk, so forderte er seine Kollegen auf, müsse rausgehen und zeigen, wie man sich im Handwerk verwirklichen und Karriere machen kann. Es ginge darum, Lebenswirklichkeit zu transportieren. In seinem Betrieb habe er deshalb zwei Fachangestellte beschäftigt, die ausschließlich an den Schulen sind, um über das Nahrungsmittelhandwerk zu informieren.