Uniriese und Neues Rathaus Leipzig. Bild: pixelio.de - Dieter Haugk
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Stellungnahme zur Ratsvorlage "Analyse und Strategie der Clusterförderung" der Stadt Leipzig

17. Oktober 2011 | Als Interessenvertreter von über 12.000 Unternehmen der Region Leipzig beziehungsweise mehr als 5.000 in der Stadt Leipzig ansässigen Handwerksunternehmen begrüßt die Handwerkskammer die Intention der Leipziger Stadtverwaltung, auf Basis der vorliegenden Clusterförderstrategie eine nachhaltige, zukunftsweisende Wirtschaftsförderstrategie zu entwickeln.

Da das Handwerk wesentlicher Bestandteil der definierten Cluster ist und erheblich zu Wertschöpfung und Wachstum in der Region beiträgt, haben sich Handwerkskammerpräsident und Hauptgeschäftsführer mit einer Stellungnahme an die Stadtverwaltung gewendet, um die Clusterentwicklung mit Hinblick auf die regionalen Handwerksunternehmen zu beleuchten.

Unter anderem wird argumentiert, dass sich die Aktivitäten der Stadtverwaltung nicht allein auf die in Clustern adressierten Unternehmen beziehen können und dürfen. Die Clusterförderstrategie kann nur eine Teilmenge einer umfassenden und übergreifenden Wirtschaftsförderstrategie der Stadt Leipzig darstellen.

Stellungnahme

1. Gutachten der Handelshochschule Leipzig als aussagefähige Grundlage für eine Wirtschaftsförderstrategie der Stadt Leipzig

  • Mit Beschluss der Ratsversammlung vom 17. Juni 2009 wurde die Stadt Leipzig beauftragt die Clusterstrategie zu evaluieren, zu vergleichen und zu überarbeiten. Die nunmehr seit einigen Wochen vorliegende wissenschaftliche Studie der Handelshochschule Leipzig, Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg stellt aus unserer Sicht eine wichtige Grundlage für eine Wirtschaftsentwicklungsstrategie beziehungsweise eine Wirtschaftsförderstrategie im Kontext der seit 2007 existierenden Beschäftigungsstrategie dar. Wir begrüßen die gute und aussagefähige Arbeit der HHL als fundierte Basis für die weitere strategische Arbeit der Stadt Leipzig. Leider hat die Studie die Vernetzungen und Kooperationen der Cluster untereinander nicht erfasst. Es bleibt deshalb offen, ob und in welcher Durchdringung diese existieren.
  • Mit Blick auf die eingetretenen und insbesondere nach 2013 noch eintretenden Änderungen in der Förderlandschaft (Phasing-Out Region Leipzig seit 1. Januar 2011, Umstrukturierung im Bereich der Sächsischen Mittelstandsrichtlinie und der Förderung im Rahmen der "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", Auslaufen der aktuellen Strukturfondsförderperiode im Jahr 2013) erachten wir es als dringend erforderlich, die im Gutachten gegebenen Handlungsempfehlungen weiter zu schärfen und zeitnah umzusetzen. Dabei sind nicht nur die Ergebnisse der aktuellen Analyse, sondern auch eine Bewertung/Erfahrungen der Clusterarbeit anderer Regionen (zum Beispiel NRW) in die Strategie/Betrachtung einzubeziehen.

2. Handwerk als immanenter Bestandteil der "Leipziger Cluster"

  • Die identifizierten und untersuchten 5 Cluster (Medien & Kreativwirtschaft / 5.756 Unternehmen; Automobil- & Zulieferindustrie / 733 Unternehmen; Logistik / 913 Unternehmen; Gesundheitswirtschaft & Biotechnologie / 2.263 Unternehmen; Energie & Umwelttechnik / 1.090 Unternehmen) repräsentieren weniger als ein Drittel der ansässigen Unternehmen (10.755 von insgesamt 36.703 Unternehmen) und zirka die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Stadt Leipzig (48,9 Prozent von rund 200.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten).
  • Es ist deshalb wichtig, dass sich die Aktivitäten der Stadtverwaltung nicht allein auf die in Clustern adressierten Unternehmen beziehen können und dürfen. Die Clusterförderstrategie darf keine Legitimation für die Konzentration des Agierens der Wirtschaftsförderung der Stadt Leipzig auf nur ausgewählte Branchen oder Unternehmen darstellen. Weder darf der Fokus nur auf Ansiedlungsunternehmen ("Leuchttürme"), noch auf bestimmten Bestandsunternehmen einiger Branchen liegen.
    Gleichfalls hat die Akteursbefragung der HHL sehr dezidiert die nur teilweise vorhandenen Clusterstrukturen und in der Folge eingeschränkte Wahrnehmung der Clusterarbeit durch die Unternehmen in einigen Clustern (zum Beispiel Energie- und Umwelttechnik, Gesundheitswirtschaft & Biotechnologie, Medien & Kreativwirtschaft) herausgearbeitet. Eine neu ausgerichtete Clusterförderstrategie kann deshalb nur eine - wenn auch wichtige - Teilmenge einer umfassenden und übergreifenden Wirtschaftsförderstrategie der Stadt Leipzig darstellen.
  • Per Definition stellen Cluster eine überdurchschnittliche Konzentration und räumliche Nähe von Unternehmen entlang einer Wertschöpfungskette dar. Das Leipziger Handwerk ist - ohne explizite Erwähnung zu finden - mit über 5000 Betrieben und zirka 50.000 Beschäftigten ein wesentlicher Bestandteil der definierten Cluster und trägt zum Wachstum und zur Wertschöpfung in erheblichem Umfang bei. Aus unserer Sicht sollte es deshalb nicht nur eine Ansiedlungsinitiative "Industrie", sondern besser eine Ansiedlungsinitiative "Industrie und (verarbeitendes) Handwerk" zur nachhaltigen Stärkung der wirtschaftlichen Basis der Stadt geben. Das Handwerk fungiert als wesentlicher Bestandteil von regionalen/überregionalen Wertschöpfungsketten und ist vor diesem Hintergrund für die Entwicklung von Clustern unabdingbar.

3. Wirtschaftsentwicklung beziehungsweise Clusterförderung benötigt gute und verlässliche Rahmenbedingungen

  • Das Fundament einer wirksamen Wirtschaftsförderstrategie besteht in der Herstellung und Gewährleistung von günstigen Rahmenbedingungen zur Unterstützung der Unternehmen. Nicht nur vor dem Hintergrund veränderter Förderkulissen und eines ausgeprägten Wettbewerbs der Regionen bleibt es eine vorrangige Aufgabe der Stadtverwaltung, über die Schaffung attraktiver Standort- und Rahmenbedingungen Unternehmensansiedlungen und das Wachstum von Bestandsunternehmen zu begünstigen. Dazu zählen eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung und die Gestaltung von Verwaltungsvorschriften und kommunalen Satzungen nach den Geboten der Transparenz, Verständlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Gleichfalls haben die Höhe der kommunalen Abgaben und Gebühren maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. In diesem Kontext ist die Stellung des Dezernates Wirtschaft und Arbeit innerhalb der Stadtverwaltung zu stärken und zukünftig sicher zu stellen, dass bei wirtschafts- und standortrelevanten Vorlagen und Entscheidungen eine rechtzeitige und zwingende Anhörung und Einbeziehung des Dezernates erfolgt.

4. Clusterpolitik endet nicht an der Stadtgrenze - regionale/überregionale Vernetzungen und Kooperationen mit anderen Clustern herbeiführen

  • Das wirtschaftliche Agieren von Unternehmen und damit auch die geografische Größe von Clustern werden nicht von Verwaltungsgrenzen bestimmt. Im mitteldeutschen Raum existieren eine Vielzahl von Clustern, Netzwerken und Initiativen. Der Freistaat Sachsen fördert seit vielen Jahren mit erheblicher Mittelausstattung überregionale Netzwerke und Verbundinitiativen (zum Beispiel Automobilzulieferer Sachsen, Maschinenbau Sachsen, Bahntechnik Sachsen, Erneuerbare Energien Sachsen). Zugleich werden über die "Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland" und auch im Rahmen der Zusammenarbeit der Initiative "Metropolregion Mitteldeutschland" Clusterprozesse abgebildet, initiiert oder unterstützt. Daneben existieren verschiedene regionale, überregionale Branchennetzwerke (Netzwerk Metall, Gießereien, Kunststoff usw.). Seit 2010 arbeiten die Stadt Leipzig und die Landkreise Leipzig und Nordsachsen mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer im Projekt Regionalbudget "Standortmarketing für die Region Leipzig" zusammen. Alle diese Aktivitäten müssen bei der Umsetzung der Clusterförderstrategie der Stadt Leipzig entsprechende Berücksichtigung finden.
  • Vor diesem Hintergrund ist der Übergang zur überregionalen Sichtweise der Clusterstrategie richtig und absolut notwendig. In der Realität werden die Unternehmen, de facto die Hauptadressaten und Hauptnutznießer der Clusterprozesse, über mehrere, regionale und/oder überregionale, Cluster, Netzwerke und Verbünde adressiert. Das führt zu erheblichen Irritationen und in der Folge zu unbestimmter Wahrnehmung! Im Rahmen der Umsetzung der Clusterstrategie muss deshalb den Gesichtspunkten der überregionale Vernetzung, Zusammenarbeit und Abstimmung eine hohe Priorität eingeräumt werden.

5. Clusterpolitik erfordert Kooperation und Arbeitsteilung von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Öffentlichen Institutionen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, Einbindung der Kompetenzen der Kammern als Partner

  • Gerade mit Blick auf die Zukunftsthemen Bildung, Forschung, Innovation/Technologietransfer und Internationalisierung erachten wir die stärkere Einbindung wissenschaftlicher Akteure sowie sonstiger Einrichtungen (Hochschulen, Forschungszentren, Technologiezentren, Finanzierungspartner auf lokaler, regionaler und Landesebene) als zwingend erforderlich an.
  • Die Kernkompetenzen der Wirtschaftskammern (Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer) in den Bereichen Existenzgründung, Bestandspflege, Unternehmensnachfolge, Unternehmensförderung sowie Internationalisierung sind - beispielsweise über Kooperationsvereinbarungen - einzubinden. Der Aufbau von Parallelstrukturen ist zu vermeiden. Zwischen den Akteuren ist eine klare, verbindliche Aufgabenteilung mit entsprechenden Verantwortlichkeiten zu vereinbaren.

6. Verbindlichkeit, Subsidiarität und finanzielle Clusterförderung

  • Ausweislich der Studie sind die vorhandenen Clusterstrukturen von sehr unterschiedlicher Ausprägung und Qualität. Die fünf Cluster der Stadt Leipzig sind nur in Teilen aktiv beziehungsweise arbeitsfähig sowie bei den adressierten Unternehmen überhaupt bekannt oder wahrgenommen. Außer beim Cluster Logistik (Logistik-Netzwerk Leipzig-Halle) fehlen klare Strukturen und ein verbindlicher Rahmen - beides entscheidende Kriterien über Erfolg oder Misserfolg von Clustern.
  • Der Wunsch, sich mit einem schlüssigen Gesamtkonzept und einzelnen Projekten innerhalb von Wertschöpfungsketten in Clustern zu organisieren, muss im Kern von den Unternehmen getragen und umgesetzt werden. Dazu gehören Clusteraufbau, Clustermanagement, Organisation in Arbeitsgruppen, Clusterstrategie, Controlling und auch das Clustermonitoring. Die Umsetzung der Strategien erfolgt in der Regel durch geeignete Projekte der Clusterpartner, zum Beispiel in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Nachwuchsförderung und Qualifizierung oder Gewinnung von Fach- und Führungskräften. Im Rahmen der "Neu-Identifizierung" der Clusterförderung und der "Neuorganisation der Strukturen und Rollenverteilungen" ist diesem Gesichtspunkt verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu ist es notwendig, die in der Vorlage aufgeführten Handlungsfelder, Maßnahmen und Prioritäten im Sinne einer Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit klarer zu strukturieren. Die Unternehmen wiederum müssen die Möglichkeiten erhalten, ihre Bedarfe im Rahmen der Clusterentwicklung gegenüber der Stadtverwaltung zu artikulieren.
  • In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine öffentliche Anschubförderung, die an bestimmte (Erfolgs-)Kriterien gebunden ist, in der Gründungs- und Aufbauphase der Netzwerke oder Cluster erforderlich ist (bis maximal acht Jahre). Die Clusterstrategie muss danach durch wirtschaftliche Tragfähigkeit gekennzeichnet sein, das heißt Instrumente zur Sicherung der Nachhaltigkeit müssen nach Ende der Förderung vorhanden ein.
  • Als wichtige Elemente gelten die Installierung eines professionellen Clustermanagements und eines festen Ansprechpartner in der Verwaltung (siehe beispielsweise Clustersekretariat - NRW) - auch für die Abstimmung zwischen den regionalen und überregionalen Clustern. Richtigerweise wird in der Vorlage festgehalten, dass "die (lokale) Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsförderung nicht primäre Akteure in den Clustern sind, sondern "unterstützende Einrichtungen"; sie können daher fördernd nur innerhalb ihrer jeweiligen Kernkompetenzen wirken".
    Eine Unterstützung erfordert das Vorhandensein beziehungsweise die Bereitstellung von personellen und finanziellen Ressourcen im Amt für Wirtschaftsförderung. Es erscheint daher folgerichtig, für jedes Cluster einen Ansprechpartner beziehungsweise Beauftragten im Amt für Wirtschaftsförderung zu installieren. Die notwendigen finanziellen Mittel dafür müssen im Haushaltsplan 2012 und in den folgenden Jahren eingeplant werden. Ob hierfür 25.000 Euro pro Cluster für eine fach- und sachgerechte Arbeit ausreichend sind, kann nicht abschließend beurteilt werden. Parallel sollte die Stadtverwaltung die Möglichkeiten der Akquisition von Fördermitteln von Bund oder Land prüfen.