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Positionspapier des Sächsischen Handwerks zum Vergaberecht

Der Sächsische Handwerkstag hat am 20. September 2010 ein Positionspapier veröffentlicht und damit Stellung zur Modernisierung des Vergaberechts bezogen. Es behandelt den grundsätzlichen Regelungsbedarf wie auch Vorschläge für die Anpassung des Sächsischen Vergabegesetzes und seiner Durchführungsverordnung.

I. Ausgangssituation

  • Das "Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts" ist am 24. April 2009 mit dem Ziel in Kraft getreten, das Vergaberecht zu vereinfachen sowie transparenter und mittelstandsfreundlicher zu gestalten. In diesem Zusammenhang sind auch die VOB Teil A, VOL Teil A und die VOF geändert worden. Es gilt die Fassung 2009.
  • Die Vergabeverordnung wurde im Bundesgesetzblatt Teil I Nummer 30 vom 10. Juni 2010 veröffentlicht. Damit gelten die neuen Vergaberegelungen im Öffentlichen Auftragswesen ab 11. Juni 2010.
  • Am 31. Dezember 2010 endet die Regelung zum vereinfachten Vergabeverfahren zur Beschleunigung investiver Maßnahmen.
  • Das Sächsische Vergabegesetz und die Durchführungsverordnung stammen aus dem Jahr 2002 und wurden seitdem nicht verändert.
  • Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Öffentliche Vergaberecht erneut zu modernisieren.

Aus diesen Überlegungen heraus wird ein Positionspapier des Sächsischen Handwerks vorgelegt, das grundsätzlichen Regelungsbedarf als auch Vorschläge für die Anpassung des Sächsischen Vergabegesetzes und seiner Durchführungsverordnung beinhaltet.

II. Vorschläge grundsätzlicher Natur

1. Beibehaltung des Kaskadenprinzips

Die allgemeinen Bestimmungen über die Vergabe sind im GWB, in der Vergabeverordnung und in der VOB und VOL Teil A geregelt. VOB und VOL werden von einem paritätisch aus Vertretern der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite zusammengesetzten Ausschuss erarbeitet und fortentwickelt. Diese sogenannte Kaskade hat sich bewährt und sollte auch zukünftig beibehalten werden.

2. Durchgängiger Rechtsschutz

Für Vergaberechtsverletzungen oberhalb des Schwellenwertes wurde 2003 ein gesetzlicher Rechtsschutz eingeführt. Unterhalb des Schwellenwertes gibt es diesen nicht. Das sächsische Handwerk begrüßt die auf der Bundesebene begonnene Diskussion zum einheitlichen Rechtsschutz. Eine gesetzliche Regelung des Rechtsschutzes bei Unterschwellenvergaben fordert das Handwerk seit langem. Dabei sollte es sich um eine Regelung handeln, mit Vorinformationspflicht vor Zuschlagserteilung und Festlegung einer Bagatellgrenze für die Nachprüfung. Die Zuständigkeit für das Nachprüfungsverfahren und das Verfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte sollten sich am Rechtsschutz oberhalb der EU-Schwellenwerte orientieren. Das Verfahren sollte schnell und effizient sein. Die Regelung darf allerdings nicht zu einer Verzögerung der Vergabe führen

3. Keine Fortschreibung der Wertgrenzen Konjunkturpaket II

Das Konjunkturpaket und damit die Vereinfachung des Vergaberechts unter anderem durch die Anhebung der Wertgrenzen enden am 31. Dezember 2010. Eine Fortschreibung der Wertgrenzen des Konjunkturpaketes II wird nicht befürwortet.

4. Einheitliche Kostenregelung

Kosten und Gebühren für die Bereitstellung von Ausschreibungsunterlagen sind zu vereinheitlichen, dabei sind nur tatsächlich angefallene Kosten zu berechnen.

III. Vorschläge für die Änderung des Sächsischen Vergabegesetzes und der DVO

1. Konsequente Anwendung des Vergaberechts

Das Vergaberecht stellt sich in der Praxis als eine gelungene Regelung einer schwierigen Materie dar. Allerdings müssen die Vergabestellen auf eine konsequente Anwendung verpflichtet werden, notfalls auch mit der Gewalt disziplinarischer Regularien. Nur so lässt sich das Ziel der Zuschlagserteilung an das wirtschaftlichste Angebot verwirklichen.

2. Einheitliche Wertgrenze

Die VOB Teil A 2009 sieht erstmals einheitliche Wertgrenzen für Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben bis zu einem bestimmten Auftragswert ohne Umsatzsteuer vor. Das Sächsische Handwerk schlägt dagegen im Interesse einer höheren Flexibilität folgende Grenzwerte für Sachsen vor: Beschränkte Ausschreibung: 100.000 Euro für Ausbaugewerbe, 200.000 Euro für Tief-, Verkehrswege- und Ingenieurbau, 200.000 Euro für alle übrigen Gewerbe Freihändige Vergabe: 25.000 Euro.

3. Verzicht auf Sicherheitsleistungen

Die VOB Teil A 2009 sieht vor, dass auf Sicherheitsleistungen für Vertragserfüllung und in der Regel auch für Mängelansprüche bei Aufträgen bis zu 250.000 Euroohne Umsatzsteuer verzichtet werden soll. Bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben sollen Sicherheitsleistungen in der Regel nicht verlangt werden. Die Wertgrenzen im Sächsischen Vergabebesetz liegen bei Leistungen nach VOL bei einem geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer von 50.000 Euro, bei Leistungen nach der VOB bei 150.000 Euro. Die Wertgrenzen sollten sowohl für VOB als auch für die VOL an die VOB Teil A 2009 angepasst werden. Gleichfalls ist der Verzicht auf Sicherheitsleistung festzuschreiben. Wegen Auslegungsfragen ist auf die Einfügung des unbestimmten Rechtsbegriffs "in der Regel" zu verzichten.

4. Informationspflicht für alle

Im Sächsischen Vergabegesetz ist geregelt, dass bei Leistungen nach VOL mit einem Auftragswert ohne Umsatzsteuer ab 50.000 Euro und bei Leistungen nach der VOB ab 150.000 Euro die Öffentlichen Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt wurden, über den Bieter, der den Zuschlag erhalten soll und den Grund der Nichtberücksichtigung des eigenen Angebotes zu informieren haben. Die Informationspflicht soll für alle Öffentlichen und Beschränkten Ausschreibungen gelten.

5. Zentrale Nachprüfstelle

In Sachsen sind die Nachprüfstellen dezentralisiert. Einmal kann sich der Bieter direkt an die Nachprüfungsbehörde bei den Landratsämtern und den Landesdirektionen wenden. Zum anderen hat er die Möglichkeit, nach § 9 Absatz 2 der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung, sich ebenfalls an diese Nachprüfungsbehörde zu wenden. Wobei ein Rechtsanspruch auf Tätigwerden nicht besteht. Forderung des sächsischen Handwerks ist es deshalb, in der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung eine zentrale Nachprüfungsbehörde festzulegen, die zum Tätigwerden verpflichtet ist. Neben Rechtssicherheit für die Bieter wird auch Bürokratie abgebaut. Es handelt sich dabei um rechtsaufsichtliche Kontrolle, die den sekundären Rechtsschutz nicht ausschließt. Die bisherigen Wertgrenzen sollen bestehen bleiben. Geeignet dazu könnte die Vergabekammer bei der Landesdirektion Leipzig sein.

6. Vereinfachte Nachweisführung

In § 5 der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung sind die Eignungsnachweise, die Bieter und Bewerber zu erbringen haben, geregelt. Die VOB 2009 legt nunmehr den Schwerpunkt der Nachweise auf die Präqualifikation neben dem Einzelnachweis. Bei der Umsetzung der VOB Teil A 2009 sollten in der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung für alle Ausschreibungsverfahren neben dem Nachweis durch die Präqualifikation auch Einzelnachweise zugelassen werden. Der Auftraggeber kann auch vorsehen, dass Eigenerklärungen ausreichend sind, die, kommt das Angebot des Bieters in die engere Wahl, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stelle zu bestätigen sind. Da in der Praxis absehbar ist, dass sich langfristig das Präqualifizierungsverfahren durchsetzen wird, ist über die Einbindung des ULV rechtzeitig zu befinden.

7. Einbezug der Eigenbetriebe

Für Eigenbetriebe beziehungsweiseprivatrechtlich organisierte Firmen mit Beteiligung der Städte und Gemeinden müssen verpflichtet werden, die Vergabevorschriften anzuwenden. Damit könnte die Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter geschaffen werden. Die Forderung des sächsischen Handwerks zur Landtagswahl 2009, wettbewerbsverzerrende wirtschaftliche Betätigungen der öffentlichen Hand und ihrer Beteiligungen konsequent zu verhindern, ist umzusetzen.

8. Wettbewerbsgleichheit

Beteiligen sich kommunale Unternehmen, gemeinnützige GmbHs oder andere Unternehmen mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz neben privaten Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen, ist auf Wettbewerbsgleichheit zu achten. Aus diesem Grund ist in der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung aufzunehmen, dass in diesem Fall die Netto-Preise bei der Wertung der Angebote heranzuziehen sind.

9. Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln

Preise für Roh- und sonstige Baustoffe wie zum Beispiel Stahl, Kupfer oder Asphalt unterliegen seit Jahren starken Preisschwankungen und die Lieferanten gewähren keine langfristigen Zusagen, sodass Preise über einen längeren Vertragszeitraum schwer kalkulierbar sind. Die Erlasse des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu Preisbemessungsklauseln werden nur in Ausnahmefällen umgesetzt. In der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung sollte deshalb die Verpflichtung zur Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln analog der Erlasse des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgenommen werden.

10. Öffentliche Informationspflicht

Nach der VOB und VOL 2009 ist im Internet über beabsichtigte Beschränkte Ausschreibungen ab einem voraussichtlichen Auftragswert ohne Umsatzsteuer von 25.000 Euro zu informieren. Ebenso ist nach Zuschlagserteilung zu informieren, wenn bei Beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb der Auftragswert 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer und bei Freihändigen Vergaben der Auftragswert 15.000 Euro ohne Umsatzsteuer übersteigt. Diese Regelung ist in der sächsischen Vergabedurchführungsbestimmung umzusetzen. Es soll ein einheitlicher Auftragswert, der 15.000 Euro ohne Umsatzsteuer beträgt, festgelegt werden.

11. Verbindlicher Vergabebericht

Nach dem Sächsischen Vergabegesetz hat die Sächsische Staatsregierung jährlich dem Landtag einen Vergabebericht vorzulegen. Zirka 90 Prozent der Vergabe erfolgen durch die Landkreise, Städte und Gemeinden. Es erscheint deshalb im Interesse der Transparenz sinnvoll, im Sächsischen Vergabegesetz die Vorlage eines jährlichen Vergabeberichts auch durch die Städte und Gemeinden festzulegen. Die Vergaben durch die Eigenbetriebe usw. sollten in den Vergabebericht einbezogen werden.

12. Keine vergabefremden Aspekte

Die immer wiederkehrende Diskussion zu vergabefremden Aspekten, wie soziale, innovative und umweltbezogene Kriterien, ist sachfremd und nicht auftragsbezogen.