Energiesparlampe. Bild: pixelio.de - Robin Radegast
Robin Radegast / pixelio.de

Positionen der Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Handwerkskammern für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung

31. Mai 2012 | Vor einem Jahr hat die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, Eckepunkte für ein energiepolitisches Konzept vorgelegt und damit die Energiewende eingeleitet. Seitdem sind kaum Fortschritte beim geplanten Umbau des deutschen Energiesystems erkennbar geworden.

Weder liegt ein abgestimmtes ressourcenübergreifendes Gesamtkonzept vor, noch wurden wichtige Schwerpunkte wie der Netzausbau oder die Erschließung des Einsparpotenzials im Gebäudebestand vorangetrieben. Vielmehr wird seit Monaten die für die Aktivierung des Gebäudebestandes wichtige steuerliche Förderung im Vermittlungsausschuss blockiert.

Mit einem Grundsatzpapier untersetzen die sächsischen Handwerkskammern ihre Positionen und Forderungen für ein konkretes Meilenstein- und Maßnahmenkonzept und möchten damit eine Grundlage für den anstehenden Diskussionsprozess schaffen. Besonders die Belange der kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen sollen berücksichtigt werden.


"Die Energiewende mit dem Handwerk meistern" - Positionen für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung

Das sächsische Handwerk umfasst über 59.000 Handwerksbetriebe mit mehr als 350.000 Beschäftigten und rund 20.000 Auszubildenden. Insofern leisten die sächsischen Handwerksbetriebe einen bedeutenden Beitrag zu Wertschöpfung, Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung sowie Aufkommen an Steuern und Sozialversicherung für Sachsen.

Handwerksbetriebe sorgen dafür, dass innovative Techniken zur rationellen Energieanwendung am Markt etabliert und eingesetzt werden. Dazu gehören die Entwicklung, Installation und Wartung von Energieanlagen, die Errichtung und Sanierung von Gebäuden, aber auch die effiziente und ressourcenschonende Mobilität. Durch seine Kundennähe ist das Handwerk ein praxiserfahrener und kompetenter Partner bei der Beratung, Entwicklung und Umsetzung von individuell angepassten energieeffizienten und energiesparenden Maßnahmen.

Die im Jahr 2011 von der Politik beschlossene Energiewende mit den Zielen erhöhter Energieeffizienz und einer breiteren Nutzung Erneuerbarer Energien stellen Wirtschaft und Gesellschaft auch im Freistaat Sachsen vor eine enorme Herausforderung. Es gilt, ambitionierte Ziele zu erreichen und gleichzeitig Sorge zu tragen für versorgungssichere und bezahlbare Energie, insbesondere im Handwerk und im Mittelstand.

Unabdingbar für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Deutschland ist, dass Wirtschaft und Verbraucher in die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen vertrauen können.

Die sächsischen Handwerkskammern illustrieren mit diesem Thesenpapier, wie das Handwerk durch seine Expertise zum Erfolg von Erneuerbaren Energien und verstärkter Energieeffizienz im Freistaat beitragen wird, und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

Positionen

  • Aus Sicht des sächsischen Handwerks ist die konkrete Umsetzung der Energiewende noch immer offen - wir verlangen die Vorlage eines umfassenden und zwischen Bund und Ländern sowie ressortübergreifend abgestimmten Gesamtkonzeptes mit wesentlichen Meilensteinen, konkreten Maßnahmen und Realisierungszeiträumen. Das Konzept muss auf den Prinzipien Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Verlässlichkeit und Planbarkeit sowie Umweltverträglichkeit beruhen.
  • Mit Blick auf die rasante Preisentwicklung der letzten Jahre sind die Kosten der Energiewende moderat zu halten und gerecht zu verteilen. Energie muss bezahlbar bleiben, denn eine kostengünstige Energieversorgung ist ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des sächsischen Handwerks.
  • Die Befreiung beziehungsweise Entlastung von Großunternehmen von beispielsweise Netznutzungsentgelten beziehungsweise EEG-Umlage lehnen wir strikt ab. Die bestehenden Befreiungstatbestände sind insgesamt neu zu justieren, damit eine gerechte Lastenverteilung über alle Unternehmen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit sicher gestellt wird. Das kann beispielsweise in Form gestaffelter Befreiungen über alle Unternehmensgrößen unter Berücksichtigung der Energieintensität erfolgen.
  • Um unverhältnismäßig hohe Belastungen für kleine und energieintensive Unternehmen des produzierenden Handwerks zu vermeiden, müssen gesonderte Lösungen gefunden werden. Das können zum Beispiel Förderprogramme zur Initiierung und Unterstützung von Umsetzungslösungen sein. Die Unterstützung von Betrieben bei der Steigerung der betrieblichen Energieeffizienz ist auf eine breitere Basis zu stellen. Dazu sollte beispielsweise über die Einführung eines Investitionsabzugsbetrages nachgedacht werden.
  • Die mit dem erforderlichen Netzausbau verbundenen Netznutzungsentgelte sind regional ausgewogen zu gestalten. Die Kosten des Netzausbaus sind nachfrage- und abnehmergerecht umzulegen.
  • Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien muss so kosteneffizient wie möglich erfolgen. Die von Seiten der Politik zugesagte Höhe der EEG-Umlage von 3,5 Cent pro Kilowattstunde muss eingehalten werden. Dazu sind mögliche Kosteneinsparpotenziale zu heben.
  • Der Aufwand (und somit auch die Kosten) für den Netzausbau sind durch Dezentralisierung von Erzeugung und Speicherung sowie den stärkeren Ausbau des Eigenverbrauchs zu reduzieren. Eine stärkere Dezentralisierung ist auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem damit einhergehenden Bevölkerungsrückgang angezeigt. Hierfür ist neben der Weiterentwicklung der gebäudeintegrierten Speichertechnologie insbesondere die Entwicklung von smart homes voranzutreiben. Langfristiges Ziel muss die Entwicklung und Etablierung autarker Systeme sein. Die vom Handwerk geplanten und installierten Anlagen zur dezentralen "Gewinnung" und Speicherung von Strom sowie Wärme und Kälte leisten hier einen wesentlichen Beitrag und bieten vielfältige Ansätze für anwendungsbezogene Forschungsverbünde und Kooperationen zwischen Wissenschaft und Handwerk.
  • Hohe Priorität in Forschung, Entwicklung, Anwendung und Umsetzung muss eine stärkere Aktivierung der Einsparpotenziale im Wärmebereich besitzen. Die oft noch bestehenden Vorbehalte gegenüber hocheffizienten Gebäuden, zum Beispiel Passivhäusern, müssen durch gezielte und für Baulaien nachvollziehbare Öffentlichkeitsarbeit abgebaut werden. Hier ist der Freistaat Sachsen bereits über die Sächsische Energieagentur - SAENA GmbH aktiv. Diese Aktivitäten sollten intensiviert und verbreitert werden.
  • Die Potenziale regenerativer Energien im Wärmebereich müssen deutlich stärker erschlossen werden als bisher. Insbesondere die solare Wärmeerzeugung muss weiter ausgebaut werden. Das Marktanreizprogramm zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt ist hinsichtlich seiner Wirksamkeit zu prüfen und nachzujustieren. Zukünftig müssen auch wieder innovative Ansätze im Neubaubereich, wie zum Beispiel Sonnenhäuser mit hohen solaren Deckungsraten, förderfähig sein.
  • Zur Aktivierung der Potenziale im Mietwohnungsbereich muss das "Vermieter-Mieter-Dilemma" aufgelöst werden. Sowohl Mieter als auch Vermieter müssen von einer energetischen Gebäudesanierung profitieren. So sind die Regelungen zu Duldungspflichten, Einspruchs- und Kürzungsmöglichkeiten bei Sanierungsmaßnahmen weiter zu entwickeln, ebenso die Definition, welche Maßnahmen als Beitrag zur energetischen Sanierung gelten. Das Mietrecht ist entsprechend sozialverträglich mit dem Ziel einer warmmietenneutralen Sanierung anzupassen und durch das Mietrechtsänderungsgesetz zeitnah umzusetzen.
  • Die Fördersystematik muss bei der Ausgestaltung von Förderprogrammen auf die unterschiedlichen Voraussetzungen, Eingangsstandards und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zielgruppe abstellen. Dazu schlagen wir eine, ähnlich einem Baukastensystem aufgebaute modulartige Förderstruktur, die eine sukzessive Komplettierung bereits erreichter Standards ermöglicht, vor. In einem zukünftigen Instrumentenkasten müssen sowohl neue, ergänzende Einzelmaßnahmen als auch anspruchsvolle Komplettmaßnahmen abrufbar sein.
  • Die Umsetzung der ambitionierten Energieeinsparziele lässt sich nur mit einem Dreiklang aus öffentlichen Krediten und Zuschüssen in Verbindung mit steuerlichen Anreizen realisieren. Ein stop and go in der Förderpolitik muss unbedingt vermieden werden. Auf Übersichtlichkeit und geringen Aufwand für die Inanspruchnahme ist zu achten.
  • Zur Erreichung der Sanierungsrate muss die Mittelausstattung auf fünf Milliarden Euro pro Jahr angepasst werden (Berechnungen der Deutschen Energie Agentur). Derzeit sind hierfür bis 2014 lediglich 1,5 Miiliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Zudem ist eine Harmonisierung mit dem Haushaltsrecht erforderlich.
  • Das "Gesetz zur steuerlichen Förderung der energetischen Sanierung von Wohngebäuden" ist schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Dazu ist die Blockade im Vermittlungsausschuss aufzulösen. Der Steuerbonus nach §35a EStG ist weiter zu entwickeln. Bund und Länder profitieren durch zusätzliche Einnahmen an Steuern und Sozialabgaben sowie daraus entstehende Beschäftigungsimpulse.
  • Bei der Ausarbeitung beziehungsweise Weiterentwicklung von Verordnungen müssen Handhabbarkeit, Praktikabilität und Transparenz oberste Prämissen darstellen. Im Zuge der Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) sind die Ergebnisse der Evaluation zu den Auswirkungen der geltenden EnEV 2009 ebenso einzubeziehen wie die Erfahrungen des mit der praktischen Umsetzung beauftragten Handwerks. Eine deutschlandweit einheitliche Anwendung und konsequente Durchsetzung der EnEV-Vorgaben durch die Bundesländer ist sicherzustellen, da dies bei Auftraggebern und Auftragnehmern für Rechtssicherheit sorgt.
  • Die Erreichung der energiepolitischen Ziele zur Umsetzung der Energiewende bedarf einer verstärkten, zielgruppenorientierten Aufklärung und Sensibilisierung aller Verbraucher. Die vielfältigen Ansätze zur Energieeinsparung, Energieeffizienz und Nutzung Erneuerbarer Energien sowie zu den nutzbaren Fördermöglichkeiten müssen deutlich intensiver als bisher kommuniziert werden. Durch eine Regionalisierung dieser Angebote werden die Adressaten "vor Ort" erreicht, wodurch eine stärkere Aktivierung der Einsparpotenziale möglich wird. Das Handwerk fungiert hier aufgrund der hohen Qualifikation und anerkannten Expertise als erster Ansprechpartner, Mittler und Übersetzer. So beteiligt sich das sächsische Handwerk an der bundesweiten Kampagne "Haus sanieren - profitieren!". Ziel der Kampagne ist, durch Direktansprache von Ein- und Zweifamilienhausbesitzern Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung zu initiieren.
  • Die geprüften Gebäudeenergieberater des Handwerks dürfen nicht länger von der BAFA-geförderten Energieberatung sowie der geplanten dena-Expertenliste ausgeschlossen werden. Als Vorbild für eine praktikable Regelung kann die Zulassung von Sachverständigen für Baudenkmale im Rahmen der KfW-Förderung Effizienzhaus-Denkmal dienen: Gebäudeenergieberater dürfen am beratenen Gebäude selbst keine Ausführungsleistungen erbringen.
  • Das sächsische Handwerk versteht sich als ein wichtiger Experte und Erfahrungsvermittler für die sächsische Politik. Gleichwohl sind Vertreter der sächsischen Handwerkskammern in relevanten Gremien, zum Beispiel Energiebeirat, Enquete-Kommission - im Gegensatz zu Industrie, Verwaltung sowie Forschung und Wissenschaft - nicht vertreten. Das sächsische Handwerk bietet der Landespolitik an, seine anerkannte Expertise in der Umsetzung der Energiewende auch hier einzubringen.

Das vollständige Thesenpapier der sächsischen Handwerkskammern steht zum Herunterladen bereit.