Junge Handwerkerin in einer Holzwerkstatt. Bild: Igor Emmerich / stock.adobe.com
Igor Emmerich / stock.adobe.com

Archivbeitrag | Newsletter 2019Mindestlohn für Lehrlinge. Das sollten Sie wissen.

Durch das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung wird zum 1. Januar 2020 eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung für Auszubildende in Deutschland eingeführt. Die jeweiligen Mindestbeträge und deren Steigerung hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle für die kommenden vier Jahre verbindlich festgelegt.
 

Handwerk kritisiert Eingriff in Betriebs- und Tarifautonomie

Die nun festgelegten 515 Euro pro Monat im ersten Lehrjahr stellen für Ausbildungsberufe bei denen ohnehin schon mehr gezahlt wird, kein Problem dar. Für andere Handwerke sind negative Auswirkungen zu befürchten. Während die ebenfalls durch das Gesetz festgelegte bessere Kennzeichnung von Qualifikationsniveaus im internationalen Vergleich und im Vergleich zu akademischen Abschlüssen die Zustimmung des Handwerks findet, sieht die Handwerksorganisation den Azubi-Mindestlohn daher skeptisch. 

Deutschlands oberster Handwerker, Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) kommentiert: "Das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz wird mit der Einführung einer Mindestausbildungsvergütung insbesondere ausbildende Klein- und Kleinstbetriebe im Osten Deutschlands belasten. Negative Auswirkungen auf die bisher außerordentlich hohe Ausbildungsleistung des Handwerks sind in den kommenden Jahren nicht auszuschließen und machen mir Sorge."

Zudem kritisiert der ZDH die gesetzliche Festlegung einer Mindestausbildungsvergütung als schweren Eingriff in die gelebte Betriebs- und Tarifautonomie, die gerade kleine Betriebe in strukturschwachen Regionen in besonderem Maße belasten dürfte.
 

Ausbildungsengagement muss gesichert werden

Die gesetzliche Festschreibung eines Tarifvorranges für Vergütungsregelungen, die die gesetzlichen Mindestvergütungen unterschreiten, wird hingegen durch den ZDH positiv bewertet. Die Tarifvertragsparteien seien nun gefordert, von dieser Regelung verantwortungsvoll im Sinne der Aufrechterhaltung des Ausbildungsengagements Gebrauch zu machen. Ferner sei zu begrüßen, dass die neuen Regelungen nicht auf laufende Ausbildungsverträge Anwendung finden.

Wesentliche Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Neueinführung der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung ergeben, sind nachfolgend überblicksartig zusammengestellt und sollen eine erste Hilfestellung für den Umgang mit der Regelung in der betrieblichen Praxis und bei der Eintragung von Verträgen in die Lehrlingsrolle geben. 

Fragen und Antworten zur Mindestausbildungsvergütung

Die nach § 17 BBiG vorgeschriebenen gesetzlichen Ausbildungsvergütungshöhen gelten für alle ab dem 1. Januar 2020 abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge. Dies umfasst den erstmaligen Abschluss eines Ausbildungsverhältnisses und gilt auch für einen im Jahr 2020 erfolgten Neuabschluss eines Berufsausbildungsverhältnisses infolge eines Ausbildungsplatzwechsels zu einem anderen Ausbildenden.

§ 17 Absatz 2 BBiG zieht eine verpflichtende allgemeine Untergrenze für die Angemessenheit der gesetzlichen Ausbildungsvergütung. Diese steigt vom 1. Januar 2020 bis zum 1. Januar 2023 sukzessive und mit festgelegten Werten an (§ 17 Absatz 2 Nummer 1a bis d BBiG).

Ja, die Voraussetzung für die Geltung des Tarifvorrangs ist jedoch, dass der Ausbildende tarifgebunden ist, das heißt er muss Mitglied einer für sein Gewerk zuständigen Innung/Arbeitgeberverband sein.

Ist der Ausbildende an einen einschlägigen Branchen-(Ausbildungs-) Tarifvertrag gebunden und sieht dieser Ausbildungsvergütungshöhen unterhalb der Mindestvergütung vor, ist die Vergütung auch dann noch angemessen im Sinne des § 17 Absatz 2 BBiG, wenn der Ausbildende die geringere tarifliche Vergütung zahlt.

Dieser Tarifvertrag muss für den Ausbildenden einschlägig sein, also den ausbildenden Betrieb räumlich und fachlich beziehungsweise betrieblich erfassen und mit dem Auszubildenden ausdrücklich - unter Nennung des konkreten Tarifvertrags und dessen Laufzeit - im Ausbildungsvertrag vereinbart werden. Gilt ein Tarifvertrag für diesen Ausbildenden nur kraft Allgemeinverbindlicherklärung, kann er sich nicht auf den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag berufen und kann damit die Tarifvorrangregelung des § 17 Absatz 3 BBiG nicht nutzen.

Nein, Tarifempfehlungen haben nicht den gleichen rechtlich bindenden Charakter wie Tarifverträge.

Nein, die tatsächlich gezahlte Ausbildungsvergütung muss sich vielmehr wie bisher an den bestehenden tarifvertraglichen Vergütungsregelungen in der jeweiligen Branche orientieren. In den Fällen, in denen das Ausbildungsverhältnis zwar in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fällt und der Ausbildende nicht tariflich gebunden ist, darf der Ausbildende die tariflich vereinbarte Ausbildungsvergütungshöhe um nicht mehr als 20 Prozent unterschreiten, er muss also mindestens 80 Prozent der tarifvertraglichen Vergütungshöhe gewähren. Die absolute Untergrenze bildet dabei die Höhe der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung. In diesen Fällen könnte auch eine Tarifempfehlung als Vergleichsmaßstab herangezogen werden.

Grundsätzlich gilt also: Die Ausbildungsvergütungshöhen müssen in jedem Fall oberhalb der Mindestvergütungshöhen nach § 17 Absatz 2 BBiG liegen und das selbst bei Inanspruchnahme der 20 Prozent-Regel.

Im Rahmen der Eintragung des Berufsausbildungsvertrags in die Lehrlingsrolle obliegt der Handwerkskammer auch die Pflicht zur Prüfung der Angemessenheit der im Vertrag festgelegten Ausbildungsvergütungshöhen. Der Ausbildungsvertrag darf nur eingetragen werden, wenn die gesetzlichen Vorschriften des § 17 BBiG eingehalten werden. Die Handwerkskammer erfüllt mit der Überprüfung der Gesetzeskonformität von Ausbildungsverhältnissen eine öffentlich-rechtliche Aufgabe (vgl. § 29 HwO).

Der Ausbildende, der vom Tarifvorrang nach § 17 Absatz 3 BBiG Gebrauch machen möchte, hat den einschlägigen Tarifvertrag, dessen Anwendung er mit dem Auszubildenden vereinbart hat (siehe Frage 3), im Berufsausbildungsvertrag konkret zu bezeichnen. Bei begründeten Zweifeln an der Tarifbindung des Ausbildenden kann die Handwerkskammer gegebenenfalls einen Nachweis der Innungsmitgliedschaft anfordern.

 


neugebauer-karen-web2023 Marco Kitzing

Karen Neugebauer

Beraterin Ausbildung

Dresdner Straße 11/13

04103 Leipzig

Tel. 0341 2188-360

Fax 0341 2188-25360

neugebauer.k--at--hwk-leipzig.de