Unglücklich aussehender Bauhandwerker mit Schutzhelm am Handy. Bild:
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Archivbeitrag | Newsletter 2022Fünf Merkmale einer positiven Fehlerkultur

Fehler sind menschlich. Sie gehören evolutionär zum Schaffensprozess. Im Gegensatz zu einer Unternehmenskultur, die Fehler vermeidet oder gar vertuscht, möchte eine positive Fehlerkultur den Raum für Mitarbeitende und ganze Strukturen öffnen, sich weiterzuentwickeln.

VBG-Arbeitspsychologin Ines Kohl und Christian Richter, Präventionsfeldkoordinator "Digitalisierte Arbeitswelten", kennen das Innovationspotenzial einer positiven Fehlerkultur. Sie haben an der VBG-Publikation "Fehlerkultur: Schwerpunkt digitalisierte Arbeitswelten" mitgewirkt, in der Unternehmerinnen und Unternehmer konkrete Hinweise für eine positive Fehlerkultur nachlesen können. Sie stellen fünf Merkmale einer positiven Fehlerkultur vor:
 

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Fehler sind kein Tabu

Es gibt Tätigkeiten, bei denen Fehler fatale Folgen haben. Im OP-Saal etwa muss es klare Strukturen geben, um jeden Fehler zu vermeiden. In vielen anderen Bereichen aber führen Fehler erst dazu, dass sich ein Unternehmen weiterentwickelt. Penicillin wurde nur aufgrund eines Fehlers entdeckt. Das gilt für viele andere Erfindungen in der Geschichte. Der Prozess zu einer positiven Fehlerkultur beginnt also damit, Fehler zu akzeptieren. Unternehmen, die sich Zeit dafür nehmen, Fehler zu analysieren und damit aus ihnen zu lernen, sind innovativer.



Die Schuldfrage aufbrechen

Tritt ein Fehler auf, wird meist nach einer oder einem Schuldigen gesucht. Das führt dazu, dass sich Mitarbeitende scheuen, Fehler einzugestehen. Dieser erste Schritt ist wichtig, um die Fehlerursache zu analysieren. In der Regel entstehen Fehler nicht, weil eine Person versagt hat. Die Quelle liegt häufig in den Unternehmensstrukturen oder Prozessen. Für eine positive Fehlerkultur muss es führungsverantwortlichen Personen gelingen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihrem Team herzustellen. In dieser Fehlerkultur muss die Schuldfrage nicht mehr gestellt werden.

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Ein Leitbild entwickeln

Hat sich ein Unternehmen für eine positive Fehlerkultur entschieden, ist der erste Schritt, diese Vision mit den Mitarbeitenden zu teilen. Ein multidisziplinäres Team kann damit betraut werden, ein Leitbild für eine positive Fehlerkultur zu entwickeln. Darin wird festgehalten, weshalb man sich für eine positive Fehlerkultur entschieden hat, was dies bedeutet und welche Veränderungen damit angestoßen werden.



Führungskräfte als Vorbilder

Eine positive Fehlerkultur lässt sich nicht von heute auf morgen in einem Team verankern. So ein Wandel kann dauern und braucht nach dem Bekenntnis ein konsequentes Handeln im Sinne des Leitbildes. Dieses muss zuerst glaubwürdig kommuniziert und dann auch gelebt werden – und das beginnt bei den Führungskräften. Auch Vorgesetzte müssen lernen, Fehler zuzugeben. Wenn selbst die Chefin oder der Chef zeigen kann, dass sie oder er nicht perfekt ist, sondern Fehler offen einräumt und eben auch Erkenntnisse daraus teilt, wirkt sich das positiv auf die Arbeitskultur im Allgemeinen aus.

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Die Basis stärken

Fehler tauchen ungeplant auf. Dementsprechend können Unternehmen nicht planen, wie sie mit diesen Fehlern ganz konkret umgehen. Die Basis einer positiven Fehlerkultur liegt in der Unternehmenskultur. Wie führen Vorgesetzte? Gelingt eine konstruktive, offene Kommunikation? Haben die Beschäftigten das Gefühl, gehört zu werden? Feedback ist ein wichtiges Stichwort in diesem Fundament. In dem Zusammenhang können sich Unternehmen auch mit den Ursachen von Fehlern beschäftigen. Die meisten Fehler passieren, wenn die Mitarbeitenden gestresst sind oder unter Zeitdruck stehen. Es ist also zentral für Unternehmen, die Frage zu beantworten, wie sie sichere und gesunde Routinen schaffen und fördern können.

Ines Kohl ist Arbeitspsychologin in der VBG-Bezirksverwaltung in Mainz.
VBG / Simon Hofmann
Ines Kohl ist Arbeitspsychologin in der VBG-Bezirksverwaltung in Mainz.



Christian Richter ist Aufsichtsperson bei der VBG. Er ist Experte für digitalisierte Arbeitswelten.
privat
Christian Richter ist Aufsichtsperson bei der VBG. Er ist Experte für digitalisierte Arbeitswelten.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Certo - dem Magazin für sicheres und gesundes Arbeiten der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG).



Mehr Informationen

 VBG-Seminar "Fehlerkultur: Fehler. Faktor. Mensch."
Im Seminar lernen die Teilnehmenden, wie sie präventiv handeln können, wie man im Unternehmen in den Austausch über kleine Abweichungen und kritische Situationen kommt und wie man aus Fehlern lernen kann. (www.vbg.de)

 VBG-Publikation "Fehlerkultur: Schwerpunkt digitalisierte Arbeitswelten" (Downloadmöglichkeit über www.vbg.de)

 Certo-Portal rund um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (www.certo-portal.de)