Vergoldermeister Stefan Nagel, Ein bisschen Alchemie. Bild: Robert Iwanetz
Robert Iwanetz

Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 04/2023Ein bisschen Alchemie

Ein Porträt von Robert Iwanetz.

Stefan Nagel ist einer der letzten Vergoldermeister in Ostdeutschland. Der Leipziger restauriert Kirchen, Gründerzeithäuser und Skulpturen.

Stefan Nagel freut sich über seinen neuesten Auftrag besonders. Er darf mal wieder in einem Altarraum wirken. In einer Landkirche soll der Chor aus dem frühen 19. Jahrhundert restauriert werden. Zusammen mit einer Kirchenmalerin und einem weiteren Maler soll er Wandgemälde ausbessern und Vergoldungen anbringen. Leidenschaftlich berichtet er von den verschiedenen Patinierungsmitteln und Firnissen, um die historische Authentizität zu zaubern. Mein Beruf ist manchmal fast ein bisschen Alchemie“, sagt der gebürtige Merseburger. Jeder Vergoldungsbetrieb habe schließlich seine eigenen Rezepte und Abläufe, die geheim bleiben sollen.

Viele, die von ihren Arbeitsmethoden berichten könnten, gibt es aber sowieso nicht mehr. Laut einer Erhebung der Agentur für Arbeit gibt es gerade einmal 160 gelernte Vergolder in ganz Deutschland. „Wir waren zu zweit und dazu fünf Kirchenmaler in der Meisterklasse“, berichtet Stefan Nagel über seine Zeit an der Handwerkskammer für München und Oberbayern – dem letzten verbliebenen Standort, der noch Vergolder ausbildet.
 

In einem Schloss in Thiene Renaissance-Fresken aufgearbeitet

Zwischen 2019 und 2020 pendelte er von Sonntag bis Freitag in die bayerische Landeshauptstadt. Er schlief in einem Wohnheim und lebte von seinen Ersparnissen. „Mir ging es nicht unbedingt um den Schmuckbrief für die Wand, sondern darum, mein Wissen und meine Fähigkeiten zu erweitern“, erzählt der Vergoldermeister, der schon lange vorher über die Weiterbildung nachgedacht hatte.

Dabei geriet er ins Handwerk eher zufällig. Mitte der Neunziger beginnt er eine Malerlehre, weil ihm die Berufsaussichten gefallen. Im Laufe der Jahre entwickelt er aber immer mehr Leidenschaft und entdeckt das Restaurieren für sich. Da er aber für den „Restaurator im Handwerk“ zunächst einen Meistertitel braucht, schiebt er diesen noch dazwischen. Als beides geschafft ist, kommt noch ein weiteres Highlight oben drauf: 2016 fährt er mit einem Stipendium für drei Monate als Restaurator und Kirchenmaler ins norditalienische Thiene, wo er in einem Schloss Renaissance-Fresken aufarbeitet.

Seit 2006 führt er zudem seinen eigenen Betrieb. Spezialisiert hat sich Stefan Nagel auf Wandmalereien. „Dazu passt das Vergolden perfekt als Ergänzung“, sagt der 43-Jährige. Neben der Arbeit an Kirchen ist er oft in den Leipziger Gründerzeithäusern beschäftigt. „Viele von den Sanierungen aus der Nachwendezeit müssen jetzt wieder überarbeitet werden.“ Daneben restauriert er barocke Bilderrahmen, sakrale Skulpturen oder auch Kruzifixe aus Elfenbein mit Goldrahmen – je nach dem, was ihm Privatpersonen in die Werkstatt bringen.
 

Farbtöne anmischen sowie Kreide und Leim auftragen

„Das Schöne an meinem Beruf ist die riesige Abwechslung. Für jedes Projekt muss ich mir eine neue Lösung überlegen und mich in eine andere künstlerische Epoche reindenken“, sagt Nagel. Beim eigentlichen Vergolden ist viel Geschick gefragt: Der zweifache Handwerksmeister muss zunächst die historischen Farbtöne anmischen und dann einen Teig aus Kreide und Leim auftragen, auf den im Anschluss die Blattgoldschicht befestigt wird. Die ultradünnen Goldfolien sind dabei teilweise drei- bis fünftausend Mal dünner als ein menschliches Haar.

Aber gerade das Feine mag der Vergoldermeister an seiner Arbeit – genauso im Privaten. So besucht er seit einigen Jahren jede Woche in seiner Freizeit einen Kurs für Ikonenmalerei. Dort hat er gerade eine Maria aus dem byzantinischen Reich im frühchristlichen Stil fertiggestellt, deren Farbtöne nun erstmal einige Monate trocknen müssen.
 

Projekte, die wirklich interessieren

Er selbst gibt auch eigene Workshops. Zum Beispiel für Schablonen- oder Intarsienmalerei. Seine Kunden sind dabei oftmals andere Malermeister oder -gesellen. „Für mich ist das die Chance, ein bisschen Wissen weitergeben zu können“, erklärt Nagel. Ein eigener Azubi sei schließlich schwer zu realisieren, wenn die Berufsschule in München sei. „Vielleicht kann ich trotzdem irgendwann mal ausbilden. Jetzt geht es mir erstmal darum, mir weiter einen Namen zu machen und mehr Projekte zu realisieren, die mich wirklich interessieren.“
 

Weitere Informationsquellen

Vergoldermeister Stefan Nagel

Unternehmen im Fokus

Das Handwerk der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen bildet das Fundament der regionalen Wirtschaft. Verantwortungsvolle und clevere Unternehmer stehen mit ihren Namen für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Bandbreite des Wirtschaftsbereichs zu zeigen, werden unter der Überschrift „Unternehmen im Fokus“ in unregelmäßiger Folge Unternehmen exemplarisch vorgestellt.

Dieser Artikel ist auch im Deutschen Handwerksblatt – Ausgabe der Handwerkskammmer zu Leipzig 04/2023 erschienen.