Markus Focking, Geschäftsführer Bauunternehmen Focking, An der Kreissäge in Kisumu. Bild:
privat

Deutsches Handwerksblatt | Ausgabe 02/2023An der Kreissäge in Kisumu

Ein Porträt von Robert Iwanetz.

Wie es dazu kam, dass der Maurermeister Markus Focking aus Bad Lausick minderjährigen Müttern in Kenia hilft.

Warum Markus Focking das Weihnachtsfest an den Ufern des Victoriasees im westlichen Kenia verbrachte, beginnt mit seiner Familienkonstellation. Fünf Brüder hat der Maurer- und Betonbauermeister. Und weil es das Wehrpflicht-Gesetz der Bundesrepublik so vorsieht, dass ab dem dritten Sohn kein Staatsdienst mehr zu leisten ist, muss der gebürtige Großbothener nach der Schule kein Jahr in einer Kaserne oder einem Altenheim verbringen. Focking nutzt die Chance stattdessen, um etwas von der Welt zu sehen. Nach seiner bestandenen Gesellenprüfung als Tischler folgt er 1996 dem Angebot, zusammen mit einem befreundeten Ofensetzermeister aus Bad Lausick, beim Bau eines Internats für eine deutsche Schule in Kenia zu helfen.

Fast ein halbes Jahr bleiben die beiden in dem Land mit rund 50 Millionen Einwohnern, das sich südlich von Äthiopien und Somalia am Horn von Afrika befindet. „Das hat mich sehr geprägt und meinen Tellerrand enorm erweitert“, sagt der heute 46-Jährige. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland rückt diese abenteuerliche Episode jedoch für einige Jahre in den Hintergrund. Focking gründet eine Familie, kriegt drei Kinder und arbeitet immer mehr auf dem Bau, statt als Tischler. 2005 gründet er zusammen mit seinem Schwiegervater, einem Maurermeister, sein eigenes Bauunternehmen. Die Geschäfte laufen einige Jahre gut, bis ein tragischer Unfall das Leben der Familie durcheinanderwirbelt. Sein Schwiegervater verunglückt tödlich bei einer Kollision mit einem Lkw. Focking bleibt keine Wahl: Er muss als Tischlergeselle seinen Meistertitel als Maurer in Vollzeit nachholen und nebenbei trotzdem die Geschicke der Firma leiten. „Das war unglaublich
anstrengend, am Ende des Jahres war ich völlig durch. Ich konnte mir nicht mal mehr die Geheimzahl am Bankautomaten merken.“ Nur dank der Hilfe seiner Frau und dem unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiter kann die Firma nach dem Schicksalsschlag weiter existieren.
 

Auf den Spuren des Vaters

Heute ist das „Bauunternehmen Focking“ eine feste Größe in der Region zwischen Bad Lausick und Leipzig. Neben seiner Frau sind vier Mitarbeiter, darunter zwei weitere Handwerksmeister, angestellt. Zusammen errichten sie Einfamilienhäuser, machen aber auch Tiefbau und Sanierungen und führen Naturschutzmaßnahmen an Gebäuden aus. Gerade errichten sie eine Schule in Großbardau. „Wir können uns aktuell nicht beklagen“, sagt Focking. Zu Beginn der Pandemie flammt zudem seine alte Verbindung zu Kenia wieder auf. Seine älteste Tochter steht damals vor der Frage, ob sie ein Studium anfangen soll. Die Vorstellung nur digitale Vorlesungen besuchen zu können, schreckt sie aber ab. Stattdessen meldet sie sich für einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJFD) in Afrika – auf den Spuren ihres Vaters. „Vielleicht habe ich ihr davon ein bisschen viel vorgeschwärmt“, sagt Markus Focking und muss lachen. Seine Tochter arbeitet zunächst ein Jahr in Tansania als Deutschlehrerin für eine deutsch-kenianische Familie. Sie soll helfen, dass die drei Kinder Deutsch als Muttersprache lernen. Später zieht die Familie nach Kenia um, in die Großstadt Kisumu. Es folgt der Entschluss, noch ein Jahr anzuhängen und mitzugehen. Dort hört sie über die Kirchengemeinde der Familie von einem sozialen Projekt, das sich für minderjährige Mütter und deren Kinder einsetzt.
 

Akt christlicher Nächstenliebe

In vielen Teilen Afrikas und besonders in Kisumu ist das ein Riesenproblem: Fast jede fünfte werdende Mutter ist dort minderjährig. Für viele bedeutet dieses Schicksal: Abbruch der Schule, Auszug aus dem familiären Umfeld, weil oft auch der Vater des Kindes aus diesem stammt. „Als ich davon hörte, hat mich das unglaublich betroffen gemacht. Diese jungen Frauen, die am Anfang ihres Lebens stehen, haben praktisch keine Perspektive ohne Hilfe. Viele müssen ihre Familien verlassen, stehen dann auf der Straße und müssen sich prostituieren“, erzählt Markus Focking. Er tauscht sich mit seiner Tochter aus, spricht mit ihrer Gastfamilie und der kenianischen Kirchengemeinde, die das Projekt organisiert, darüber, wie er helfen könnte. Im April 2022 fliegt er das erste Mal nach Kisumu, um sich vor Ort ein Bild zu machen und mitzuhelfen. Da entsteht gerade ein Anbau an der Kirche. Dieses „Rescue Center“ soll als Wohnheim für bis zu sechs besondere Härtefälle fungieren. In einem Aufenthaltsraum können zudem weitere Kinder betreut werden, damit die Mütter weiter die Schule besuchen können. Schnell ist klar, mit dem Know-how des deutschen Handwerks soll er dort den Innenausbau und Möbelbau übernehmen. Bei seiner Rückkehr schildert er seine Reiseeindrücke in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Bad Lausick. Viele finden die Idee klasse. Schnell entsteht der Plan, gemeinsam Spenden zu sammeln und weitere Erlöse über einen Adventsmarkt zu generieren. Die Hilfsbereitschaft im Ort danach ist riesig. Viele Sachspenden werden abgegeben. Dazu kommen am Ende 8.000 Euro an finanziellen Mitteln zusammen. „Das war ein richtiger Akt christlicher Nächstenliebe“, sagt Markus Focking.
 

Von der Hilfsbereitschaft überwältigt

Am 20. Dezember fliegen der Maurermeister, seine Frau und die drei Kinder nach Kenia. Begleitet werden sie von sechs weiteren Freiwilligen aus der Kirchengemeinde Bad Lausick. Die Reisekosten übernimmt jeder selbst, damit das gesammelte Geld dem sozialen Projekt zugutekommen kann. Bei über 30 Grad tagsüber kommt zwar wenig weihnachtliche Stimmung auf, dafür gehen die Arbeiten gut voran. Das bunt gewürfelte Team – das unter anderem aus einem pensionierten Zahnarzt und dessen Frau, einem Fahrlehrer, einem Musiklehrer sowie einem Sozialpädagogen und dessen Sohn besteht – legt Fliesen, baut eine Küche und fertigt Möbel an – darunter Garderoben, Schränke und Tische. Außerdem werden Vorhänge für die Räume und Überzüge für technische Geräte genäht sowie einige Wandbilder gemalt. „Die Zusammenarbeit hat super geklappt, den freiwilligen Helfern kann gar nicht genug gedankt werden“, sagt Markus Focking. Die Mütter vor Ort sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Deutschen. Bei einem gemeinsamen Gottesdienst rollen Freudentränen. „Es fühlt sich gut an, nicht immer nur zu meckern, sondern Dinge anzupacken“, sagt der Maurermeister. Nach 14 schweißtreibenden Tagen sind die Arbeiten abgeschlossen. Die Zeit reichte sogar noch für ein paar kleinere Land-Erkundungen. Doch damit soll die Verbindung Bad Lausick–Kisumu nicht enden. „Wir werden wiederkommen und noch mehr Spenden sammeln. Jeder, der uns unterstützen möchte, ist herzlich willkommen.“
 

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Bauunternehmen Focking

Unternehmen im Fokus

Das Handwerk der Stadt Leipzig sowie der Landkreise Leipzig und Nordsachsen bildet das Fundament der regionalen Wirtschaft. Verantwortungsvolle und clevere Unternehmer stehen mit ihren Namen für Qualität und Zuverlässigkeit. Um die Bandbreite des Wirtschaftsbereichs zu zeigen, werden unter der Überschrift „Unternehmen im Fokus“ in unregelmäßiger Folge Unternehmen exemplarisch vorgestellt.

Dieser Artikel ist auch im Deutschen Handwerksblatt – Ausgabe der Handwerkskammmer zu Leipzig 02/2023 erschienen.