Ralf-Scheler. Bild: www.foto-zentrum-leipzig.de
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Erwartungen und Forderungen 2014

Wie verlief das Jahr 2013 für die Betriebe der Handwerkskammer Leipzig?

Die Stimmung im Gesamthandwerk der Region - bei unseren 12.300 Mitgliedsbetrieben - ist sehr positiv. Der Geschäftsklimaindex hatte im Herbst 2013 einen neuen Rekordwert erreicht und die Top-Werte der Jahre 1993 und 2011 übertroffen. Durchweg alle Handwerksbranchen beurteilen Ihre Geschäftslage, aber auch die Aussichten für 2014, überwiegend mit gut.

Auch im Kfz-Gewerbe scheint die Talsohle der Lageeintrübung durchschritten zu sein. Bei den Neuzulassungen gibt es noch Stagnation beziehungsweise einen leichten Rückstand gegenüber dem Vorjahr. Das Gebrauchtwagengeschäft verzeichnet ein mengenmäßiges Plus einhergehend mit einer Erholung der Bruttogewinne. Die Werkstattauslastung liegt relativ unverändert bei knapp 80 Prozent. Bei einem Durchschnittsalter von Pkw und Kombi von über neun Jahren in Deutschland ruhen die Hoffnungen der Betriebe weiterhin auf dem Werkstattbereich, denn die Fahrzeughalter investieren mehr Geld in Verschleißreparaturen.

Auch im dritten Quartal 2013 ist der Umsatz im Gesamthandwerk gestiegen. Treibende Kräfte sind die Bauhaupt- und Ausbaugewerbe sowie die Handwerke für den gewerblichen Bedarf. Die handwerklichen Zulieferer werden durch Impulse aus dem In- und Ausland getragen. Die Umsatzerwartungen für 2014 zeigen Stabilität an.

Die Umsatzschwerpunkte im Bauhandwerk liegen unverändert im Bereich des Wohnungsbaus (61 Prozent) und des gewerblichen Baus (25 Prozent).

Die aktuelle Entwicklung im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe wird unter anderem von folgenden Faktoren beeinflusst:

  • Das Konsumklima ist stabil und ungebrochen. Ein robuster Arbeitsmarkt, verbesserte Einkommensperspektiven, konstante Kauflaune sowie niedrige Zinsen führen weiterhin zu einer hohen Anlagepräferenz in Sachwerte. Die Neigung zur Investition in die privaten vier Wände führt zu einer Vollauslastung insbesondere der kleineren Handwerksunternehmen.
  • Die Investitionsquote der öffentlichen Hand - Bund, Freistaat Sachsen und Kommunen wie Leipzig - ist vergleichsweise hoch. Dadurch sind auch die größeren Unternehmenseinheiten gut ausgelastet.
  • Der lange und harte Winter 2012/2013 verursachte Nach- und Aufholeffekte bei der Realisierung von Aufträgen.
  • Das Juni-Hochwasser 2013 hat bei Wohngebäuden, in Unternehmen sowie in der Infrastruktur zu gewaltigen Schäden geführt.

Welche Auswirkungen hatte die Flut?

Die nach 2002 zweite Jahrhundertflut hat in Sachsen Schäden in Höhe von von 1,9 Milliarden, in Sachsen-Anhalt von 2,7 Milliarden Euro sowie in Bayern von rund 1,3 Milliarden Euro verursacht. An der Infrastruktur des Bundes - wie Autobahnen oder Schienennetz - entstanden nach bisheriger Berechnung Schäden in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro. Die Schäden an der Infrastruktur sind dabei wesentlich höher als 2002.

Die Schäden bei den Unternehmen unserer Region fallen dagegen etwas geringer als 2002 aus. Bei unserer im Juni geschalteten Hochwasser-Hotline haben sich fast 150 Handwerksbetriebe der Region Leipzig, davon zwei Drittel aus dem Landkreis Leipzig, gemeldet. Davon sind 126 Unternehmen direkt und unmittelbar betroffen (Stand Ende November 2013). Alle Betriebe werden durch unsere Betriebsberater betreut und unterstützt. Die bislang saldierte Schadenssumme beträgt 14,7 Millionen Euro - allerdings sind erst bei über 90 Betrieben die finalen Schadenshöhen bekannt, da die Gutachten noch ausstehen. Deshalb konnten noch nicht alle Betriebe Anträge, bei der Sächsischen Aufbaubank, auf Hochwasserhilfen stellen.

45 Betriebe waren bereits im Jahr 2002 vom Hochwasser betroffen. Zum Vergleich: Im Hochwasser 2002 wurden 412 Handwerksbetriebe der Region Leipzig in Mitleidenschaft gezogen, der Gesamtschaden betrug damals über 40 Millionen Euro - war damit als mehr als doppelt so hoch.

Die Handwerkskammer zu Leipzig verteilt in den nächsten Tagen vor Weihnachten noch Spendengelder von insgesamt 20.000 Euro an betroffene Unternehmen.

Wir sollten uns allerdings heute schon die Frage stellen: Was passiert nach der Hochwasserhilfe? Wie kann zukünftig ein wirksamer Hochwasserschutz aussehen? Oder wollen wir in vielleicht fünf oder sieben Jahren ähnliche Schäden in Kauf nehmen? Trotz des Jahrhunderthochwassers haben weder die Frühwarnsysteme noch der Hochwasserschutz flächendeckend funktioniert. Warum? Beispiel Grimma: Aufgrund verschiedener Zielkonflikte zwischen einzel- und gesamtgesellschaftlichen Interessen war die Hochwasserschutzwand - anders als in Eilenburg - nicht fertig gestellt. Hier muss der Gesetzgeber Regeln und Rahmenbedingungen ändern, damit nicht ästhetische oder ökologische Interessen Einzelner die existenziellen Sicherheitsinteressen einer Mehrheit gefährden.

Dazu zählen schnelle Verfahren bei der Raumordnung, dem Planungs- und Baurecht. Für Hochwassermaßnahmen muss ein unbedingter Investitionsvorrang gelten und gesetzlich verankert werden, so wie es der Entwurf des Wiederaufbaubegleitgesetzes, welches vom Kabinett zur Anhörung freigegeben wurde, vorsieht.

Im Sinne einer wirkungsvollen Prävention darf der Hochwasserschutz zudem keine Ländersache bleiben. Hochwasserschutz ist Bundessache! Nur damit kann künftig Kompetenzgerangel und Auseinandersetzungen von Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) über Zuständigkeiten vermieden werden. Eine nachhaltige Prophylaxe muss den scheinbaren Zielkonflikt zwischen ökologischen Hochwasserschutz - Rückverlegung von Deichen, Überflutungsflächen usw. - und technischem Schutzsystemen - Erhöhung und Ausbau von Deichen, Spundwänden usw. - lösen. Dieser Aspekt führt zwangsweise auch zu Verlagerungen des Problems in benachbarte Gebietskörperschaften und ist deshalb nur durch ein abgestimmtes Gesamtkonzept aller Anrainer lösbar.

Keinesfalls dürfen mehr Baugenehmigungen für gefährdete Gebiete erteilt werden (siehe Glaucha). Ebenso müssen Standortverlagerungen sowie Umsiedlungen die notwendige Unterstützung und Hilfestellung finden. Das Thema Versicherungsschutz ist bislang ungeklärt - was passiert mit den Unternehmen, die keinen oder einen unbezahlbaren Versicherungsschutz erhalten. Sechs Monate nach dem Hochwasser fordern wir die Politik auf, eine wirksame Prävention anzugehen.

Wie sieht es mit dem aktuellen Auftragsbestand aus?

Ausweislich unserer aktuellen Konjunkturbefragung sind die Bestände in den Auftragsbüchern weiter gewachsen - fast jeder zweite Handwerksbetrieb der Region Leipzig ist voll ausgelastet. Zwei Drittel der Betriebe verzeichneten eine weitestgehend konstante Auftragslage und weitere 20 Prozent einen Zuwachs in ihren Büchern. Für die kommenden Monate erwarten 85 Prozent der Betriebe gleich bleibende beziehungsweise steigende Auftragsbestände. Wir rechnen deshalb mit einem guten Schlussquartal. Die durchschnittliche Auslastung eines Handwerksbetriebes in der Region Leipzig - im Herbst 2013 - stieg auf 86,4 Prozent (Herbst 2012: 85,0 Prozent).

Mit welchen Erwartungen geht das regionale Handwerk ins Jahr 2014?

Unsere Grundstimmung bleibt positiv. Allerdings befinden wir uns ja nicht auf einer Insel der Glücksseeligen. Viel hängt von einer stabilen Weltwirtschaft und der Entwicklung im EURO-Raum ab. Es muss insbesondere gelingen, in Europa die Staatsschuldenkrise mit überzeugenden Strukturreformen in den Krisenländern in den Griff zu bekommen und eine wirksame Finanzmarktregulierung durchzusetzen.

So kurz vor Weihnachten darf man auch Wünsche äußern. Zunächst erwarten wir eine ähnlich gute und vielleicht noch bessere Geschäfts- und Auftragsentwicklung für unsere Betriebe. Wir wünschen uns verlässliche Rahmenbedingungen. Weniger ist manchmal mehr, das heißt weniger Regulierung und weniger Bürokratie und damit mehr betriebliche Kapazität für Wertschöpfung. Die Wertschöpfung schafft Arbeitsplätze und dient letztlich auch der Generierung von Steuern.

Wir wünschen uns eine unternehmerfreundliche Verwaltung, die im Denken und Handeln, beispielweise bei der Umsetzung von Plänen, Gesetzen und Richtlinien eine entsprechende Folgeabschätzung der Auswirkungen für Wirtschaft und Arbeitsplätze vornimmt. Und natürlich eine mittelstandsfreundliche Vergabepolitik der öffentlichen Auftraggeber. Als regionaler Interessenvertreter und Ansprechpartner stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Last but not least wünschen wir uns einen möglichst reibungsfreien Generationswechsel in unseren Betrieben. Unsere Betriebsberatung steht hier mit Rat und Tat zur Seite, unter anderem beim Finden eines geeigneten Nachfolgers.

Welche Konsequenzen hat der kommende Mindestlohn?

Die Tarifautonomie macht einen großen Teil der Erfolgsgeschichte des Handwerks aus. Ein Mindestlohn, der de facto bestehende regionale Unterschiede und branchenspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt, kann auch kontraproduktiv wirken. Deshalb müssen vor einer flächendeckenden Einführung die unternehmens- und arbeitsmarktrelevanten Belange dringend abgeschätzt werden. In vielen Handwerken gilt bereits ein verbindlicher Vergütungstarif, der über dem Mindestlohn von 8,50 Euro liegt. Andere Handwerke - wie zum Beispiel das Nahrungsmittelhandwerk, Kosmetiker oder Schuhmacher liegen aktuell niedriger.

Wie begegnet das Handwerk dem Fachkräftemangel?

Fehlende Fachkräfte im Handwerk wirken bereits heute als Bremse.

In unseren Betrieben fand im letzten Halbjahr ein leichter Beschäftigtenaufbau statt, das heißt 13 Prozent unsere Betriebe stellten Personal ein. Sicher wäre das Beschäftigungsplus noch weitaus höher ausgefallen, aber die Handwerksunternehmen finden kaum noch qualifizierte Fachkräfte. Der Wettbewerb um die besten Köpfe hat längst begonnen und wird - im Vergleich zur Industrie oder Großunternehmen - unter ungleichen Voraussetzungen ausgetragen. Gut ausgebildete Fachkräfte werden aus den Handwerksbetrieben massiv abgeworben, da diese zwar mit gutem Betriebsklima nicht jedoch mit einem entsprechend adäquaten Vergütungssystem und Leistungen aufwarten.

In unseren Betrieben steigen der Zeitaufwand und die Dauer bis zur Besetzung einer offenen Stelle weiter an. Das betrifft vor allem die Handwerksberufe Anlagenmechaniker, Elektroniker/Elektrotechniker sowie Installateur und Heizungsbauer.

Neben der Einstellung von Fachkräften ist die Gewinnung von eigenem Fachkräftenachwuchs durch Aus- und Weiterbildung das mit Abstand wichtigste Personalrekrutierungsinstrument im Handwerk. Aktuell werden 3.128 Lehrlinge, in allen Lehrjahren, in unseren regionalen Betrieben ausgebildet (zum Vergleich: Herbst 2012: 3.456). Damit noch mehr Jugendliche den Weg ins Handwerk finden, setzen wir auf zielgruppengerechte Aktivitäten, insbesondere im Bereich Berufsorientierung und Berufsausbildung.

Lassen Sie mich ein paar ausgewählte Beispiele nennen: Gemeinsam mit dem Marketing Club Leipzig e. V. haben wir in 2013 das Projekt „Karriere mit Lehre“ ins Leben gerufen, um Schüler und Betriebe rechtzeitig zu vernetzen. Übrigens auch ein Ziel unseres langjährigen Engagements im Arbeitskreis Schule-Wirtschaft .

Im August 2013 haben wir ein Projekt mit spanischen Jugendlichen gestartet. Aktuell absolvieren 37 junge Spanier eine Ausbildung (in den Berufen: Elektroniker, Anlagenmechaniker SHK, Kfz-Mechatroniker und Friseur) oder ein vorbereitendes Praktikum in unseren Handwerksbetrieben. Den Jugendlichen gefällt es in Leipzig, die Ausbildung gewährt zugleich eine Perspektive auf einen Arbeitsplatz in unseren Betrieben.

Weiterhin arbeiten wir im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit der HTWK an Angeboten für Absolventen beziehungsweise auch für Studienabbrecher für eine Karriere im Handwerk.

Und noch ein Tipp: Jugendliche, die noch eine freie Lehrstelle im Handwerk suchen, brauchen einfach nur unsere Lehrstellen-App.

Welche Forderungen hat das regionale Handwerk an die Politik?

Das Handwerk erwartet von der künftigen Bundesregierung entschlossenes Handeln in der Energiepolitik, dazu gehören für uns gezielte Anreize für Investitionen, die den Energieverbrauch reduzieren beziehungsweise Energie effizienter anwenden. Die Lasten der Energiewende müssen entsprechend der Leistungsfähigkeit der Unternehmen gerecht verteilt werden. Großzügige Ausnahmereglungen für wenige Großunternehmen sind zu stoppen.

Wir erwarten eine dezidierte Stärkung der beruflichen Bildung und des Meisterbriefs. Wir lehnen zusätzliche Belastungen für Verbraucher und Betriebe - beispielsweise durch die geplante Einführung der Maut oder der Finanztransaktionssteuer - strikt ab. Im Lichte der aktuellen Einnahmenentwicklung bei den Rundfunkgebühren mahnen wir eine zeitnahe Korrektur der Gebührensystematik, unter anderem durch die Herausrechnung betrieblicher Kfz sowie Absenkungen der Gebühren für Filialbetriebe an.

Von der neuen Bundesregierung erwarten wir mit Blick auf die offenen Vorhaben der letzten Legislaturperiode die dringend notwendige Umsetzung von Strukturreformen, Vereinfachungen im Steuerrecht und die Abmilderung der kalten Progression. Sowohl die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung als auch ein Steuerbonus für Innovationen in KMU müssen umgesetzt werden.

Was wir vor allem brauchen, das ist Verlässlichkeit in den Entscheidungen. Daran werden wir Bundes- und Landesregierung sowie unsere Gebietskörperschaften/Kommunen messen.